BT-Drucksache 14/3309

Entwurf eines ...Strafrechtsänderungsgesetzes (...StrÄndG)

Vom 10. Mai 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3309

14. Wahlperiode

10. 05. 2000

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Evelyn Kenzler, Petra Pau,
Dr. Roland Claus und der Fraktion der PDS

Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes (… StrÄndG)

A. Problem

Rechtsextremistische Parteien wie die NPD sind in letzter Zeit verstärkt dazu
übergegangen, auf ihren Aufmärschen, in ihren Publikationen und auf andere
Weise verbotene nationalsozialistische Organisationen zu verherrlichen. Bei-
spielhaft dafür ist die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, die insbeson-
dere seitens der NPD bei ihren Aufmärschen regelmäßig skandiert wird. Trotz
großer Empörung in der Öffentlichkeit über diese Verherrlichung der Waf-
fen-SS stellen die Staatsanwaltschaften die Ermittlungsverfahren gegen die
Verbreitung solcher Parolen immer wieder ein oder weisen schon die Anzeigen
als unbegründet ab.

Offensichtlich besteht hier im Strafgesetzbuch eine Regelungslücke, die ge-
schlossen werden muss, um den demokratischen Rechtsstaat und den politi-
schen Frieden in diesem Land zu schützen. Der Anschein, Versuche einer Wie-
derbelebung verbotener nationalsozialistischer Organisationen würden in
diesem Land geduldet, darf nicht entstehen.

Zur Begründung für die gegenwärtig praktizierte Nichtverfolgung von Parolen
wie der oben genannten wird von den Staatsanwaltschaften vorgebracht, dass
die Verbreitung von Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ durch die
bestehenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches, insbesondere durch die
§§ 86, 86a und 130 StGB, nicht geahndet wird.

So hat die Kölner Staatsanwaltschaft auf die Anzeige eines PDS-Ratsherrn ge-
gen den verantwortlichen Leiter einer NPD-Demonstration in der Domstadt
wegen Verwendens der oben genannten Parole am 24. September 1999 befun-
den, dass „ein Verstoß gegen die §§ 86, 86a StGB nicht vor(liege). § 86 ist
nicht betroffen, da … mündliche Äußerungen naturgemäß nicht unter Schriften
im Sinne dieser Vorschrift fallen. Aber auch gegen § 86a StGB wurde nicht
verstoßen, da die Worte <Ruhm und Ehre der Waffen-SS> nicht während des
Dritten Reiches als Parole mit spezifisch nationalsozialistischer Bedeutung
gebraucht wurden und somit kein Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB vorliegt.“
(Aktenzeichen 121 Js 735/99).

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg entschied am 1. November 1999 auf eine
Anzeige gegen den Leiter einer NPD-Versammlung am 27. Februar 1999: „Der
durch die Demonstrationsteilnehmer skandierte Ruf <Ruhm und Ehre der Waf-
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fen-SS> ist weder gemäß § 86a noch gemäß § 130 StGB strafbar. Es handelt
sich bei der Waffen-SS zweifelsohne um eine verbotene Organisation im Sinne
des § 86a in Verbindung mit § 86 StGB, jedoch ist der Ruf <Ruhm und Ehre
der Waffen-SS> kein allgemeines Kennzeichen dieser Organisation und fällt
daher nicht unter die Strafvorschriften. Der Ausspruch ist einem solchen (straf-
baren) Kennzeichen auch nicht zum Verwechseln ähnlich, so dass eine Straf-
barkeit gemäß § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB ebenfalls ausscheidet.“

Auch eine Strafbarkeit nach § 130 StGB scheide aus: „Der Ausspruch wäre nur
dann gemäß § 130 Abs. 3 StGB strafbar, wenn er die ausdrückliche Billigung der
Morde der SS enthielte. Da die Waffen-SS nicht ausschließlich an der Ermordung
der Juden beteiligt war, kann demjenigen, der <Ruhm und Ehre der Waffen-SS>
ruft, nicht mit hinreichender Sicherheit eine Billigung der Verbrechen dieser
Organisation unterstellt werden.“ (Geschäftsnummer 1202-300069-5 456 UJs
10782/99).

Auch bei anderen Gelegenheiten – so bei einer NPD-Demonstration am 29. Ja-
nuar 2000 in Elmshorn oder bei der Demonstration der NPD durch das Bran-
denburger Tor in Berlin Anfang dieses Jahres – haben die zuständigen Staats-
anwaltschaften Ermittlungen auf Grund des Skandierens dieser Parole nicht
aufgenommen oder wieder eingestellt. Die Begründungen dafür folgen denen
in Köln und Magdeburg.

In Berlin hatten Beamte der Polizei sogar die Personalien der Skandierenden
festgestellt, da sie von einer Strafbarkeit dieser Parole ausgingen. Nun liegen
bei der Staatsanwaltschaft Anzeigen wegen Freiheitsberaubung u. a. gegen
diese Beamten vor, die von den Anzeigenstellern unter anderem mit der oben
genannten Entscheidung der Kölner Staatsanwaltschaft zur Nichtverfolgung
dieser Parole begründet werden.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf sieht eine Ergänzung der Bestimmungen des Strafgesetz-
buches im Abschnitt „Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demo-
kratischen Rechtsstaates“ vor. Es wird ein § 86b eingefügt, der auch die allge-
meine Verherrlichung verbotener nationalsozialistischer Organisationen unter
Strafe stellt.

Damit entfällt die Rechtsunsicherheit bei der Verfolgung bzw. die Nichtverfol-
gung der Verherrlichung verbotener nationalsozialistischer Organisationen.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine
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Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes (… StrÄndG)

Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:

Nach § 86a wird folgender § 86b eingefügt:

㤠86 b
Verherrlichung verbotener

nationalsozialistischer Organisationen

Mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe
wird bestraft, wer eine der im Potsdamer Abkommen, durch
das Nürnberger Militärtribunal oder durch Gesetze der Alli-
ierten Siegermächte verbotene nationalsozialistische Orga-
nisation in Wort, Ton oder Bild verherrlicht.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 4. April 2000

Ulla Jelpke
Dr. Evelyn Kenzler
Petra Pau
Dr. Roland Claus
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
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Begründung

Zu Artikel 1

(Änderung des Strafgesetzbuches)

Die Ergänzung des Strafgesetzbuches ist erforderlich, um
den demokratischen Rechtsstaat und den politischen Frieden
in diesem Land zu schützen. Der Anschein, Versuche einer
Wiederbelebung und die Verherrlichung verbotener rechts-
extremistischer und nationalsozialistischer Organisationen
würden in diesem Land geduldet, darf nicht entstehen.

Offensichtlich besteht in der geltenden Fassung des Strafge-
setzbuches eine Regelungslücke, die geschlossen werden
muss. Es ist unerträglich, wenn eine Verherrlichung von
NS-Organisationen unter Verwendung von allgemeinver-
herrlichenden bzw. -ehrenden Floskeln strafrechtlich nicht
verfolgt wird. Nicht nur Parolen, die identisch mit solchen
der NS-Zeit sind und verbotene NS-Organisationen direkt
wiederbeleben wollen, sondern auch solche, die allgemein

verbrecherische nationalsozialistische bzw. verbotene
rechtsextremistische Organisationen verherrlichen, müssen
strafrechtlich geahndet werden.

Eine öffentliche Verherrlichung beispielsweise der Waf-
fen-SS kann – auch vor dem Hintergrund der zahlreichen
Massaker der Waffen-SS während der NS-Zeit in Orten wie
Oradour und Lidice – nicht geduldet werden.

Die Ergänzung des Strafgesetzbuches um einen § 86b er-
scheint dafür die geeignete Form. Diese Ergänzung ist auch
angesichts der nach wie vor hohen Zahl rechtsextremisti-
scher und antisemitischer Straftaten dringend erforderlich.

Zu Artikel 2

(Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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