BT-Drucksache 14/2989

Neue Belastungen für ehrenamtlich Tätige zurücknehmen

Vom 21. März 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2989

14. Wahlperiode

21. 03. 2000

Antrag

der Abgeordneten Johannes Singhammer, Horst Seehofer, Max Straubinger, Klaus
Hofbauer, Birgit Schnieber-Jastram, Klaus Riegert, Dr. Maria Böhmer, Rainer
Eppelmann, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Hartmut Koschyk, Karl-Josef
Laumann, Julius Louven, Wolfgang Meckelburg, Claudia Nolte, Hans-Peter
Repnik, Franz-Xaver Romer, Heinz Schemken, Andreas Storm, Matthäus Strebl,
Thomas Strobl (Heilbronn), Peter Weiß (Emmendingen), Gert Willner, Ilse Aigner,
Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Albert Deß, Maria Eichhorn, Herbert
Frankenhauser, Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Norbert Geis, Georg Girisch,
Michael Glos, Dr. Wolfgang Götzer, Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser
(Rednitzhembach), Ernst Hinsken, Klaus Holetschek, Josef Hollerith,
Bartholomäus Kalb, Rudolf Kraus, Eduard Lintner, Dr. Martin Mayer
(Siegertsbrunn), Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller, Franz Obermeier, Eduard
Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel, Dr. Peter Ramsauer, Dr. Klaus Rose,
Kurt J. Rossmanith, Dr. Christian Ruck, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth),
Carl-Dieter Spranger, Dr. Hans-Peter Uhl, Dr. Theodor Waigel, Dagmar Wöhrl,
Aribert Wolf, Wolfgang Zeitlmann, Benno Zierer, Wolfgang Zöller und der Fraktion
der CDU/CSU

Neue Belastungen für ehrenamtlich Tätige zurücknehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben im November 1999
Aufwandsentschädigungen für verschiedene ehrenamtlich Tätige als sozialver-
sicherungspflichtig beurteilt, da von einem Beschäftigungsverhältnis auszuge-
hen sei. Die bisherige Praxis der Krankenkassen, z. B. der AOK-Bayern, wurde
damit beendet. So stellt z. B. die Aufwandsentschädigung für Feuerwehrfüh-
rungskräfte insoweit ein Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung dar,
als sie der Lohnsteuerpflicht unterliegt. Ebenso sind Aufwandsentschädigun-
gen, soweit sie steuerpflichtig sind, von ehrenamtlich Tätigen in Sportvereinen
nunmehr der Sozialversicherungspflicht unterworfen. Die neue sozialversiche-
rungsrechtliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich
Tätige beschädigt die ehrenamtliche Struktur, z. B. der Sportvereine und ge-
meinnützigen Organisationen. Sozialversicherungsbeiträge für Aufwandsent-
schädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten setzen das Ehrenamt mit einer auf
Einkommenserzielung ausgerichteten Tätigkeit gleich und widersprechen Sinn
und Zweck ehrenamtlicher Tätigkeiten. Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird ih-
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rem Wesen nach unentgeltlich ausgeübt. Pauschale Aufwandsentschädigungen
an ehrenamtlich Tätige stellen kein Beschäftigungsentgelt im sozialversiche-
rungsrechtlichen Sinne dar. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sind sie ein Er-
satz für entstandenen Aufwand und Anerkennung für die geopferte Freizeit und
die eingebrachte Sachkunde und Engagement. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist
kein Beschäftigungsverhältnis. Ungeeignet zur Abgrenzung einer ehrenamtli-
chen Tätigkeit von einem Beschäftigungsverhältnis sind Kriterien, die auf die
Weisungsgebundenheit und auf die Eingliederung des ehrenamtlich Tätigen
z. B. in den Verein oder in die Organisationen abstellen. Selbstverständlich sind
ehrenamtlich Tätige während ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in die Organisa-
tion (z. B. Caritas, Rotes Kreuz, freiwillige Feuerwehren) oder in den gemein-
nützigen Verein (z. B. Fußballverein, Kirchenchor) eingegliedert. Sie können
durchaus hinsichtlich Zeit, Dauer und den Ort des ehrenamtlichen Engage-
ments Weisungen eines anderen (evtl. auch ehrenamtlich im Verein) ausführen.

Der ehrenamtlich Tätige ist nicht weisungsabhängig oder gebunden wie in ei-
ner beruflichen Tätigkeit. Eine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungs-
verhältnis zielt ebenso wie eine selbständige Tätigkeit von vornherein auf Ge-
winnerzielung bzw. feste Einkommenserzielung mit den sonstigen Umständen
und Regularien eines Arbeitsverhältnisses ab. Sozialrechtliche und arbeits-
rechtliche Vorschriften, wie z. B. Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, Ren-
tenversicherung für das Alter, Absicherung in einer Krankenversicherung,
Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub, Mutterschutz sind der ehrenamtlichen
Tätigkeit fremd. Im Mittelpunkt eines Beschäftigungsverhältnisses steht der
Austausch von Leistungen; das Geben (tätig sein) und Nehmen (Entgeltzah-
lung) ist voneinander abhängig. Dieses gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis
mit den sich gegenüberstehenden Hauptleistungspflichten ist einer ehrenamtli-
chen Tätigkeit fremd. Der ehrenamtlich Tätige übt die Tätigkeit nicht aus, um
in den Genuss der Aufwandsentschädigung zu kommen. Die Aufwandsent-
schädigung ist nur ein Annex (Zusatz), der nicht im gegenseitigen Hauptleis-
tungsverhältnis steht.

Die Behauptung, dass die Sozialversicherungspflicht der Steuerpflicht folgt, ist
in diesem Zusammenhang irreführend, denn Auswirkungen von Steuerbefrei-
ungen ergeben sich nur insoweit, als es um die Feststellung des beitragspflichti-
gen Arbeitsentgelts der Höhe nach im Falle eines dem Grunde nach sozialversi-
cherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses geht (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB
IV). Steuerrecht besteuert Einnahmen unter gewisser Anrechnung der hierfür
nötigen finanziellen Aufwendungen. Ob die Einnahmen aus selbständiger Tä-
tigkeit, aus abhängiger Beschäftigung oder als sonstige Einkünfte zufließen, ist
unbedeutend. Steuerfreistellungen werden aus den unterschiedlichsten Grün-
den, auch nach gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten gewährt. Bei der
Steuerfreistellung von Einnahmen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten wird z. B.
nach § 3 Nr. 12 EStG darauf abgestellt, inwieweit tatsächlich materielle Auf-
wendungen anzurechnen sind. Deshalb ist steuerrechtlich konsequenterweise
nur der Teil der Aufwandsentschädigung nicht steuerfrei, der für den Zeitver-
lust und das ehrenamtliche Tätigsein gewährt wird. Dieser Teil ist steuerlich
keine Ausgabe. Nach § 3 Nr. 26 EStG werden Einnahmen (früher: Aufwands-
entschädigungen) bestimmter nebenberuflich Tätiger (so genannte Übungslei-
terpauschale) bis 3 600 DM im Jahr steuerfrei gestellt. Steuerrechtlich wird da-
mit der fiktive materielle Aufwand (Ausgaben) einer gesellschaftspolitisch
wünschenswerten Tätigkeit pauschal (d. h. ohne Nachweispflicht) steuerfrei
gestellt. Höhere Einnahmen sind nicht als Aufwandsersatz (Ausgaben) anzuse-
hen, sondern als Einnahmen für den Zeitverlust und das Tätigsein und damit
steuerpflichtig.
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Sozialversicherungsrechtlich betrachtet liegt deshalb bei der ehrenamtlichen
Tätigkeit keine Beschäftigung vor; demzufolge stellt die Aufwandsentschädi-
gung kein Arbeitsentgelt dar.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Die pauschale Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten ist von
Sozialversicherungsbeiträgen auch insofern freizustellen, als nach allgemeiner
Lebenserfahrung üblicherweise von einem Anerkennungsobolus ausgegangen
werden kann. Hierzu sind geeignete Abgrenzungskriterien zu definieren.

Berlin, den 17. März 2000

Johannes Singhammer
Horst Seehofer
Max Straubinger
Klaus Hofbauer
Birgit Schnieber-Jastram
Klaus Riegert
Dr. Maria Böhmer
Rainer Eppelmann
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Hartmut Koschyk
Karl-Josef Laumann
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Peter Weiß (Emmendingen)
Gert Willner
Ilse Aigner
Renate Blank
Dr. Wolfgang Bötsch
Albert Deß
Maria Eichhorn
Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)
Norbert Geis
Georg Girisch

Dr. Wolfgang Götzer
Gerda Hasselfeldt
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)
Ernst Hinsken
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Bartholomäus Kalb
Rudolf Kraus
Eduard Lintner
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Hans Michelbach
Dr. Gerd Müller
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Dr. Bernd Protzner
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Gerhard Scheu
Christian Schmidt
Carl-Dieter Spranger
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Theodor Waigel
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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