BT-Drucksache 14/2259

zu dem GE der Abg Norbert Geis, Ronald Pofalla, Dr. Jürgen Rüttgers weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU - 14/1107 - Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drittes-Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz)

Vom 1. Dezember 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2259
14. Wahlperiode

01. 12. 99

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla,
Dr. Jürgen Rüttgers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/1107 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des
Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes
und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten
(Drittes Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz)

A. Problem
Der vom Rechtsausschuss abgelehnte Gesetzentwurf hat zum Ziel,
die am 31. Dezember 1999 ablaufende Geltungsdauer der Kronzeu-
genregelung bis zum 31. Dezember 2002 zu verlängern.

B. Lösung
Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf abgelehnt, da er mehr-
heitlich der Auffassung ist, dass eine Verlängerung der Kronzeugen-
regelung nicht sinnvoll wäre.
Mehrheitliche Ablehnung

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Drucksache 14/2259 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksache 14/1107 – abzulehnen.

Berlin, den 1. Dezember 1999

Der Rechtsausschuss
Dr. Rupert Scholz Alfred Hartenbach Norbert Geis Jörg van Essen
Vorsitzender Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2259

Bericht der Abgeordneten Alfred Hartenbach, Norbert Geis und Jörg van Essen

I. Zum Beratungsverfahren
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf der
Drucksache 14/1107 in seiner 61. Sitzung vom 7. Okto-
ber 1999 in erster Lesung beraten und zur federführen-
den Beratung dem Rechtsausschuss und zur Mitberatung
dem Innenausschuss überwiesen.
Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner Sitzung
vom 23. November 1999 beraten und mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
PDS, gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU,
bei Stimmenthaltung der Fraktion der F.D.P. beschlossen
zu empfehlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 35. Sit-
zung vom 1. Dezember 1999 beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS, gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, den Gesetzent-
wurf abzulehnen.

II. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, dass sich die
Kronzeugenregelung bisher insgesamt bewährt habe. In
dieser Auffassung sehe sie sich auch bestätigt durch die
Ergebnisse einer Untersuchung des Kriminologischen
Forschungsinstituts Niedersachsen, die im Auftrag des
Bundesministeriums des Innern durchgeführt worden sei.
Die Kronzeugenregelung habe insbesondere dazu beige-
tragen, dass die damalige Terroristenszene in der Bun-
desrepublik Deutschland verunsichert worden sei und
heute keine Rolle mehr spiele. Bis zu einer grundsätz-
lichen Novellierung der Kronzeugenregelung sollte die
bisherige Regelung deshalb fortgeführt werden.
Die Fraktion der F.D.P. lehnte den Gesetzentwurf mit
der Begründung ab, eine unreflektierte und kritiklose
Verlängerung mache keinen Sinn. Andererseits habe die
Bundesregierung im ersten Jahr ihrer Amtszeit versäumt,
dem Parlament eine vernünftige Regelung und die not-
wendigen Fakten vorzulegen. Sie stellte folgenden Än-
derungsantrag:
,Der Rechtsausschuss möge beschließen:
In Artikel 1 wird die Jahreszahl „2002“ durch die Jahres-
zahl „2000“ ersetzt.
Begründung
Die Bundesrepublik Deutschland benötigt auch in Zu-
kunft für eine effektive Strafverfolgung ein modernes
Strafrecht. Hierfür könnte auch die Kronzeugenregelung
notwendig sein.
Die Bundesregierung hat es jedoch leider versäumt dem
Parlament Unterlagen zur Sinnhaftigkeit und zum Erfolg
der bisher geltenden Regelungen vorzulegen. Dem Deut-

schen Bundestag fehlen, vorbehaltlich einzelner Aus-
sagen von Praktikern, die notwendigen Informationen.
Die am Ende des Jahres ohne Gesetzesänderung auslau-
fende Kronzeugenregelung hat vielerlei Mängel. Dieses
haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre, insbe-
sondere von Polizeibeamten, Staatsanwälten und Straf-
richtern deutlich gezeigt. Ebenso hat es berechtigte
Kritik von Strafverteidigern und der Wissenschaft ge-
geben.
Auf der anderen Seite haben die erheblichen Beweis-
probleme, die immer wieder bei der Bekämpfung der
Organisierten Kriminalität auftreten, jedoch deutlich ge-
zeigt, dass die Strukturen der Organisierten Kriminalität
und deren Kodex in einigen Fällen nur durchbrochen
werden können, wenn einer der Fäden des kriminellen
Netzwerkes selbst durchtrennt wird. Gerade im Bereich
der Führung Organisierter Kriminalität besteht häufig
keinerlei direkter Bezug zu konkreten Opfern, die etwa
als Zeugen in Frage kämen. Um aber die Mauer des
Schweigens zu durchbrechen, bedarf es – so Aussagen
der Praxis – eines Anreizes von Seiten der Strafverfol-
gung.
Es ist auch nicht nachvollziehbar zu glauben, dass ein
Krimineller alleine aufgrund seines schlechten Gewis-
sens oder einer wie auch immer gearteten Läuterung
bereit ist, sich selbst und seine Mittäter dem Rechtsstaat
auszuliefern. Für eine Kronzeugenregelung spricht
außerdem, dass sich durch sie die Organisierte Krimina-
lität nicht in dem Maße in Sicherheit wiegen kann, ob
nicht eines ihrer Mitglieder nicht doch zum eigenen
Vorteil geständig sein könnte.
Andererseits ist aber eine erneute, routinemäßige Ver-
längerung der Kronzeugenregelung abzulehnen.
Die Ergebnisse des Kriminologischen Forschungsin-
stituts Niedersachsen haben gezeigt, dass es zumindest
einen erheblichen Reformbedarf der geltenden Kron-
zeugenregelung gibt. Für eine moderne Kronzeugenre-
gelung ist daher, vorbehaltlich der Ergebnisse der bis-
herigen Regelung insbesondere Folgendes zu berück-
sichtigen:
1. Es muss verhindert werden, dass „Pseudokronzeugen“

Strafmilderungsvorteile erhalten. Ein Straftäter, der
erst Kooperationsbereitschaft zeigt, um Strafmilde-
rung zu erlangen und dann die Mitarbeit verweigert
oder durch „Erinnerungslücken oder Unwahrheiten“
die Justiz behindert, ist kein Kronzeuge. Er spielt mit
dem Rechtsstaat und darf von diesem auch keinerlei
Hilfe erhalten.

2. Eine Verurteilung darf keinesfalls allein aufgrund
einer Aussage eines Kronzeugen erfolgen. Der
Rechtsstaat muss sich immer bewusst sein, dass er,
wenn er sich eines Kronzeugen bedient, einem Men-
schen gegenübersteht, der durch seine Taten gezeigt
hat, dass er die Rechtsordnung nicht akzeptiert. Daher

Drucksache 14/2259 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

muss der vom Kronzeugen angegebene Geschehens-
ablauf durch zusätzliche Beweismittel deutlich erhär-
tet werden.

3. Die Anknüpfung von Kronzeugenregelungen an den
Tatbestand des § 129 StGB (Bildung krimineller Ver-
einigungen) müsste wohl aufgegeben werden. Die
Rechtsprechung der vergangenen Jahre hat gezeigt,
dass der Nachweis dieser Straftat tatbestandlich
äußerst schwierig ist. Er eignet sich nicht als prakti-
kabler Anknüpfungspunkt für die Kronzeugenrege-
lung. Zu prüfen ist vielmehr, ob der Anwendungs-
bereich einer zukünftigen Kronzeugenregelung an
einen Straftatenkatalog gebunden werden sollte, der
nur schwerste Verbrechen, die im Bereich der Orga-
nisierten Kriminalität regelmäßig auftauchen, be-
inhaltet.

Unter Abwägung der zuvor aufgezeigten Fragen und des
fehlenden Materials zur Effektivität sollte daher, im Ein-
klang mit der Praxis, eine kurzzeitige Verlängerung der
bisher geltenden Kronzeugenregelung bis zum Ende des
Jahres 2000 erfolgen. In dieser Zeit ist eine Reform des
Kronzeugenrechtes zu prüfen. Hierbei muss auch der
§ 31 des Betäubungsmittelgesetzes kontrolliert werden.
Sollte die Überprüfung der Kronzeugenregelung aller-
dings ergeben, dass sie nicht zu einer effektiven Strafver-
folgung beigetragen hat, so sollte sie spätestens Ende des
Jahres 2000 auslaufen.
Schließlich bedarf es einer gesetzlichen Regelung im Be-
reich der Kronzeugenabsprachen zwischen Strafjustiz
und Verteidigung, die schon heute bei der Strafzumes-

sung (§ 46 StGB) Berücksichtigung finden, ohne dass
für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist, wie es zu der
konkreten Strafe gekommen ist.‘
Dieser Antrag wurde im Rechtsausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und PDS, gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und F.D.P., abgelehnt.
Die Fraktion der SPD vertrat die Auffassung, dass die
Kronzeugenregelung in der Vergangenheit nicht den ge-
wünschten Erfolg gebracht habe. Sie berge die Gefahr in
sich, dass strafrechtliche Ermittlungen nur noch mangel-
haft geführt würden, da man sich auf die Aussage von
Kronzeugen verlasse. Die jüngsten Erfahrungen im Hin-
blick auf das Scheitern der in Italien mit Freisprüchen
beendeten, wesentlich auf Kronzeugen gestützten Pro-
zesse bestätigen die Realität dieser Gefahr. Im Übrigen
sollte man schon aus rechtsstaatlichen Gründen auf „Ge-
schäfte“ mit Schwerstkriminellen verzichten. Der rich-
tige Weg sei vielmehr, über eine Regelung zur Strafzu-
messung im Einzelfall nach § 46 StGB die Aussagewil-
ligkeit von Betroffenen zu fördern.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnte den
Gesetzentwurf unter Hinweis darauf ab, dass die damali-
ge Regelung eine Reaktion auf eine bestimmte Ausnah-
mesituation in der Bundesrepublik Deutschland gewesen
sei, die jetzt nicht mehr bestehe. Die Kronzeugenrege-
lung sei rechtsstaatlich angreifbar und habe zu keinen
wesentlichen Erfolgen geführt. Auch die in Italien
gemachten Erfahrungen mit dieser Regelung sprächen
für eine Ablehnung.

Berlin, den 1. Dezember 1999

Alfred Hartenbach Norbert Geis Jörg van Essen
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

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