Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.08.2020, Az. 4 StR 185/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1956

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Gegenstand

Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Betäubungsmitteldelikten: Beachtung des Zweifelsgrundsatzes bei der Bestimmung einer jeweiligen Teilmenge für den gewinnbringenden Weiterverkauf und den Eigenkonsum; Bestimmung des Schuldumfangs


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2019 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Eine näher bezeichnete Schreckschusspistole nebst Munition und einen Bargeldbetrag in Höhe von 4.280 Euro hat es eingezogen sowie eine Kompensationsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 10. Oktober 2017 von Polizeibeamten durchsucht. Dabei führte er in seiner Jackentasche zwei Platten Haschisch und 4.280 Euro Bargeld mit sich. Die Betäubungsmittel waren für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das Bargeld stammte aus anderen [X.]. Als er zur Identitätsfeststellung auf die Polizeiwache gebracht werden sollte, sperrte sich der Angeklagte dagegen und wehrte sich gegen seine Fesselung, indem er versuchte, nach den Beamten zu schlagen und zu treten. Dabei fiel ihm ein geladener Schreckschussrevolver aus der Kleidung, den er bewusst gebrauchsbereit mit sich führte. In seiner Wohnung verwahrte der Angeklagte eine weitere [X.] sowie [X.], die zum Teil verpackt waren. Insgesamt wurden bei dem Angeklagten 378,94 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 15,6 % aufgefunden. Eine Teilmenge vom 96 Gramm Haschisch war für den Eigenkonsum bestimmt; die verbleibende Menge von 282,64 Gramm war für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen.

3

2. Die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand, weil die zugrunde liegende Beweiswürdigung gegen den Zweifelsgrundsatz verstößt und deshalb einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.

4

Das [X.] hat die für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehene Teilmenge der aufgefundenen Betäubungsmittel bestimmt, indem es zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass die [X.] mit dem höchsten Gewicht (96,3 Gramm) für den Eigenverbrauch bestimmt und die verbleibende Menge für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen war ([X.]). Diese Erwägung ist in Bezug auf die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn nach dem Zweifelsgrundsatz ist bei unsicherer Erkenntnislage von der für den Angeklagten günstigsten Variante auszugehen, sofern es dafür tatsächliche Anhaltspunkte gibt (vgl. [X.], Urteil vom 17. März 2005 - 4 [X.], [X.], 209; [X.] in: [X.], 8. Aufl., [X.]. Rn. 50 mwN). Die [X.] ist dann aber auch bei ihrer Bestimmung des Eigenverbrauchsanteils von diesem Gewicht ausgegangen. Damit hat sie - trotz einer auch hier bestehenden Unsicherheit - den Feststellungen zum unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die für den Angeklagten ungünstigste Variante zugrunde gelegt. Stattdessen wäre hier in erneuter Anwendung des [X.] von dem Gewicht der leichtesten sichergestellten [X.] auszugehen gewesen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juni 2018 - 4 [X.], [X.], 97 Rn. 2).

5

Da die Urteilsgründe das in Bezug genommene Ergebnis des Gutachtens des [X.] nicht näher mitteilen, kann der [X.] nicht ausschließen, dass die leichteste [X.] weniger als 7,5 Gramm Tetra-Hydrocannabinol aufwies und deshalb bei richtiger Anwendung des [X.] die Grenze zur nicht geringen Menge unterschritten worden wäre. Damit ist der Schuldspruch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht belegt und war daher aufzuheben. Dies hat zur Folge, dass auch die weiteren tateinheitlich erfolgten Verurteilungen nicht bestehen bleiben können (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2011 - 5 StR 561/10, NJW 2011, 2895 Rn. 30 mwN).

6

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] auf das Folgende hin:

7

Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte die geladene Schreckschusswaffe (zu den erforderlichen Eigenschaften vgl. [X.], Beschluss vom 10. Februar 2015 - 5 StR 594/14, [X.], 349) bei sich geführt hat, wird er sich unter dem Gesichtspunkt des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch in der Beweiswürdigung damit befassen müssen, ob dem Angeklagten der Ladezustand des Revolvers bekannt war.

8

Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung und teils zu anderen Zwecken, geht der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf. Nur für die anderen Zwecken dienende Menge verbleibt es bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (vgl. [X.], Beschluss vom 12. September 2017 - 4 StR 298/17, Rn. 6; Beschluss vom 14. August 2002 ‒ 2 StR 249/02, [X.], 90 Rn. 11). Für die Bestimmung des Schuldumfangs kommt es daher auf die den jeweiligen Tatbeständen zugeordneten Teilmengen und den darin enthaltenen Wirkstoffanteil und nicht auf die Gesamtmenge an.

9

Sollte der neue Tatrichter wiederum eine erweiterte Einziehung des sichergestellten Geldbetrages gemäß § 73a Abs. 1 StGB mit der Begründung in Erwägung ziehen, dieser stamme aus früheren [X.] des Angeklagten, wird er zu erörtern haben, dass der Angeklagte von dem Vorwurf in der [X.] von Juli 2016 bis zum 10. Oktober 2017 in 66 Fällen mit Betäubungsmitteln Handel getrieben zu haben, rechtskräftig freigesprochen ist.

Sost-Scheible     

        

Quentin     

        

Bartel

        

Sturm     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 185/20

25.08.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 12. Dezember 2019, Az: 35 KLs 14/18

§ 261 StPO, § 267 StPO, § 29 Abs 1 BtMG, § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 52 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.08.2020, Az. 4 StR 185/20 (REWIS RS 2020, 1956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1956

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