Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. IX ZB 41/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12558

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 41/14

vom

16. April 2015

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 850c Abs. 4; [X.] § 36 Abs. 4
Zu den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten, die dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners einschränken oder ausschließen können, gehört auch der von anderen [X.] gewährte Naturalunterhalt.

[X.], Beschluss vom 16. April 2015 -
IX ZB 41/14 -
LG [X.]

AG [X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.],
Dr. Fischer und
Grupp

am 16. April 2015

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der [X.] der 17. Zivilkammer des [X.] vom 9.
Juli 2014 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 28. April 2014 wird [X.].

Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat der Schuldner zu tragen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 936,92 festgesetzt.

Gründe:

I.

Über das Vermögen des Schuldners ist
am 30.
Januar 2014
das Insol-venzverfahren eröffnet und der
weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter
be-stellt worden.
Der Schuldner bezieht ein durchschnittliches Nettoeinkommen in 1
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3

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e-meinsamen minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft. Seine Ehefrau verfügt über eigene Einkünfte in Höhe von monatlich 1.980

Kindern
Naturalunterhalt. Auf Antrag des Insolvenzverwalters vom 18.
Februar 2014 hat das Insolvenzgericht -
Rechtspfleger
-
angeordnet, dass die Ehefrau bei der Berechnung der pfändbaren Beträge
gemäß §
850c ZPO nicht und die beiden Kinder
jeweils
nur zu 50
v.[X.] berücksichtigt werden. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung abgeändert und angeordnet, dass die Kinder bei der Berechnung der pfändba-ren Beträge in vollem Umfang
zu berücksichtigen sind. Hiergegen wendet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des [X.].

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im voll-streckungsrechtlichen Rechtszug nach §
567 Abs.
1, §
793 ZPO, §
36 Abs.
4 Satz 1 [X.] die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2, Abs.
3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie Erfolg und führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entschei-dung.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt,
der durch die Ehefrau den gemeinsamen Kindern gewährte Naturalunterhalt stelle kein eigenes Einkom-men der Kinder im Sinne von §
850c Abs.
4 ZPO dar.
Die Gewährung von Kost und Unterkunft sei bereits begrifflich nicht als Einkommen
aufzufassen.
Die 2
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4

-
Kinder seien daher bei der Berechnung der aus dem Einkommen des Schuld-ners
pfändbaren Beträge
in vollem Umfang zu berücksichtigen.

2. Diese Ausführungen halten
einer
rechtlichen
Überprüfung
nicht stand.
Zu den eigenen Einkünften im Sinne von §
850c Abs. 4 ZPO gehören
auch Zu-wendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden.
Entge-gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt aus der [X.]sentscheidung vom 7.
Mai 2009
(IX
ZB 211/08, [X.], 1153 Rn. 10)
nichts Gegenteiliges. Mit der von der dortigen
Rechtsbeschwerde vertretenen
Ansicht, der vom ande-ren Elternteil gewährte Naturalunterhalt sei kein eigenes Einkommen im Sinne von §
850c Abs. 4 ZPO, hat sich der [X.] nicht näher befasst.

a)
Gemäß §
850c Abs.
4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht oder
das nach §
36 Abs.
4 Satz 1 [X.] an seine Stelle tretende Insolvenzgericht nach billigem Ermessen anordnen, dass eine nach dem Gesetz unterhaltsberechtigte Person, die eigene Einkünfte hat, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens
ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift alle Arten von Einkünften ([X.], [X.] vom 7.
Mai 2009,
aaO Rn.
8). Sie will die Berücksichtigung des Berech-tigten, der eigene Einkünfte bezieht, flexibel gestalten, wobei das Gericht in sei-ne Erwägungen den Lebensbedarf einzubeziehen hat, der aus dem Arbeitsein-kommen des Schuldners zu bestreiten ist (BT-Drucks. 8/693 S. 48 f (zu
Num-mer 8)). Es ist
zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist ([X.], Beschluss vom 5.
April 2005 -
VII
ZB 28/05, [X.] 2005, 254, 255 f; vom 7.
Mai 2009, aaO Rn. 10). Deshalb sind Unterhaltszahlungen, die der [X.] vom anderen Elternteil oder [X.] bezieht,
als eigene
Einkünfte
im 4
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Sinne von §
850c Abs. 4 ZPO
zu berücksichtigen. Geld, welches der [X.] von dritter Seite bezieht, verringert seinen Bedarf und entlastet den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner ([X.], Beschluss vom 7.
Mai 2009, aaO Rn. 7 und 10; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
850c Rn.
20; Zöller/
Stöber, ZPO, 30.
Aufl., §
850c Rn. 12; [X.], [X.], 423 f; jeweils mwN).

b) Gleiches
gilt für Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten
in Na-tur geleistet werden. Auch diese,
etwa unentgeltliches Wohnen oder freie Kost, mindern die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners ([X.], Rpfleger 1978, 353, 356). Es
besteht daher kein sachlicher Grund, zwischen der Art der Ge-währung des Unterhalts zu unterscheiden ([X.], [X.] 2010, 50, 51).
In Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen Auffassung
von Rechtspre-chung und Schrifttum
sind daher
Einkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur zufließen werden, zu den Einnahmen im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO zu zählen ([X.],
aaO; [X.]/[X.], aaO; Musielak/-Voit/[X.], ZPO, 12. Aufl., §
850c Rn. 11; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 850c Rn. 28 in [X.]. 71; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1060a; [X.], aaO; Hintzen, NJW 1995, 1861, 1862).

3. Die Entscheidung des [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§
577 Abs. 3 ZPO). Anders als es die
Beschwer-deerwiderung
meint,
steht der Berücksichtigung von [X.] als eige-nes Einkommen im Sinne von §
850c Abs. 4 ZPO
auch
nicht
der Grundsatz der
Gleichwertigkeit von Bar-
und Betreuungsunterhalt entgegen.

a) Für die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach §
850c Abs. 4 ZPO zu beantwortende Frage, welcher Lebensbedarf aus dem Arbeitseinkom-men des Schuldners zu bestreiten ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5. April 2005 6
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6

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-
VII
ZB 28/05, [X.] 2005, 254, 255 f; vom 7.
Mai 2009 -
IX
ZB 211/08, [X.], 1153 Rn. 10; BT-Drucks. 8/693 S. 48 f (zu Nummer 8)), ist
bei Unterhalts-leistungen
zwischen Betreuungsunterhalt einerseits und Bar-
sowie Naturalun-terhalt
andererseits
zu unterscheiden.

aa) Der
Betreuungsunterhalt umfasst die Betreuungsleistungen in Form von Versorgung, Erziehung, persönlicher Zuwendung und Haushaltsführung ([X.] in Prütting/Wegen/Weinreich, [X.], 9.
Aufl., Vor §§
1601 ff Rn.
3; [X.], FamRZ 1994, 1314, 1315). Nach §
1606
Abs.
3 Satz 2 [X.] erfüllt der Elternteil eines minderjährigen unverheirateten Kindes, bei dem dieses lebt, seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Die Bestimmung stellt klar, dass diese Betreuungsleistung und die Barleistun-gen des anderen Elternteils grundsätzlich gleichwertig sind und trägt der [X.] Rechnung, dass eine auf den Einzelfall abstellende rechnerische Bewer-tung des [X.] unzulänglich bliebe ([X.], Urteil vom 30.
August 2006 -
XII
ZR 138/04, FamRZ
2006, 1597, 1598; vgl. auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Familienrecht, 6.
Aufl., §
1606 Rn.
6; [X.]/[X.], 6.
Aufl., §
1606 Rn.
6). Folge ist, dass der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch regelmäßig
seiner Unterhaltspflicht genügt (vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 74.
Aufl., §
1606 Rn. 7). Für den
Schuldner, der
sein minderjähriges Kind nicht betreut,
bedeutet dies, dass er mit seinem Arbeitseinkommen den vollen Barbedarf des Kindes bestreiten muss.

bb) Der Naturalunterhalt
geht über den Betreuungsunterhalt hinaus. Er
umfasst ebenso wie der Barunterhalt den gesamten Lebensbedarf; der [X.] zum Barunterhalt liegt lediglich darin, dass die zur Befriedigung der [X.] erforderlichen Dinge in natura zur Verfügung gestellt werden ([X.] in Prütting/Wegen/Weinreich, aaO; [X.]/[X.], 6.
Aufl., 9
10
-

7

-
Vor §
1601 Rn.
23; vgl. auch [X.], aaO). Wenn der andere Elternteil über die geschuldeten Betreuungsleistungen hinaus weitere Bar-
oder [X.] wie unentgeltliches Wohnen oder freie Kost erbringt, verringert er deshalb auch den Bedarf des Berechtigten und entlastet so den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner.

b)
Gemessen hieran können
die
von der Ehefrau des Schuldners gegen-über den gemeinsamen Kindern erbrachten
[X.] im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach §
850c Abs.
4 ZPO auch dann
bedarfsmindernd
berücksichtigt werden, wenn die ausschließliche Betreuung der Kinder durch die Ehefrau erfolgt. Das Insolvenzgericht ist bei seiner Entscheidung über die teilweise Nichtanrechnung der gemeinsamen Kinder bei der Bestimmung des dem Schuldner verbleibenden [X.] davon ausgegangen, es sei angesichts des eigenen Einkommens der im Verhältnis zum Schuldner ge-genüber den Kindern gleichranging unterhaltspflichtigen Ehefrau sachgerecht, den nach §
850c Abs. 1 ZPO zu berücksichtigenden Freibetrag
etwa im [X.] zum jeweiligen Einkommen des Schuldners und seiner Ehefrau aufzutei-len. Diesen Erwägungen
liegt
die
einer allgemeinen Lebenserfahrung entspre-chende Erwartung zugrunde, die Ehefrau setze
das von ihr bezogene Eltern-geld zur Erhöhung des Familienunterhalts
ein, aus welchem angesichts der be-stehenden Lebensgemeinschaft der gesamte Lebensbedarf der Familie ein-schließlich der unterhaltsberechtigten gemeinsamen Kinder (vgl. [X.]/Dose/[X.], Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis, §
3 Rn.
1
ff und Rn.
25
mwN) gedeckt wird. Eine abweichende Verwendung des Elterngeldes hat auch
die sofortige Beschwerde nicht geltend gemacht.
Sie geht für die Familie vielmehr selbst von einem Gesamteinkommen in Höhe von 3.770

11
-

8

-

4. Die Entscheidung des [X.] kann daher keinen [X.] haben. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] gemäß §
577 Abs.
5 ZPO zu entscheiden. Hiernach ist die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückzuweisen.

Kayser
Gehrlein
[X.]

Fischer
Grupp

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 28.04.2014 -
7 IN 52/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.07.2014 -
17 [X.] -

12

Meta

IX ZB 41/14

16.04.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. IX ZB 41/14 (REWIS RS 2015, 12558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12558

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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