Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2014, Az. 3 StR 379/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 1779

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
379/14
vom
30. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 30. Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Hubert,
[X.],
die [X.]innen
am [X.]
Dr. [X.],
Dr. Fischer

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2013 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit "vorsätzlicher" Körperverletzung sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich die Staatsanwalt-schaft mit ihrer Revision, mit der sie -
gestützt auf eine [X.] und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts -
das Urteil angreift, so-weit der Angeklagte nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden ist. Das vom [X.] nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

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1. Nach den Feststellungen des [X.]s leidet der Angeklagte an einer leichten Intelligenzminderung und einer kombinierten Persönlichkeits-störung mit paranoiden, narzisstischen und Borderlinezügen sowie Tendenzen zur Selbstunsicherheit und Abhängigkeit. Mit Urteil vom 28. September 1995 wurde er wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und sexu-ellem Missbrauch von Kindern zum Nachteil eines achtjährigen Mädchens zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und es wurde seine Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dies war bereits die zweite Verurteilung wegen einer Sexualstraftat zu Lasten eines minderjährigen Mädchens. Die Unterbringung dauert noch an, jedoch wurden dem [X.]n zunehmend Lockerungen gewährt. Ab dem 1. Januar 2011 wurde er in eine Wohngruppe des [X.]s C.

beurlaubt, wo er mehrere Tage der Woche verbrachte. In der Wohngruppe lebte auch

S.

, mit der der Angeklagte seit Februar 2011 liiert und seit Dezember 2011 verlobt ist. Beide äußerten im August 2011 erstmals den Wunsch zusammenzuziehen, was die Klinik und das [X.] jedoch ablehnten; dies
geschah auch vor dem [X.], dass die 10-jährige Tochter von

S.

aus einer vorangegan-genen Beziehung wieder mit ihr zusammenziehen sollte und Mädchen dieses Alters Opfer der Sexualstraftaten des Angeklagten geworden waren. Der Ange-klagte und seine Verlobte haben seit Oktober 2012 einen gemeinsamen [X.].
In der Tagesstätte des [X.]s, die der Angeklagte ab Januar 2012 immer nur freitags aufsuchte, nahm seit Ende Dezember 2011 die [X.] verschiedene Therapieangebote wahr.
Sie bewohnte eine Woh-nung in einem Haus der [X.]. Der Kontakt zwischen ihr und dem Angeklagten ging über bloß oberflächliche Begegnungen nicht hin-aus.
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Am 26. April 2012 fand eine Gesprächskonferenz statt, bei der es um die private und berufliche Zukunft des Angeklagten gehen sollte, unter anderem auch um das beabsichtigte Zusammenziehen mit seiner Verlobten, das von der Klinik in U.

indes nach wie vor nicht befürwortet wurde. Am Vor-abend dieses Tages suchte der Angeklagte gegen 22.30 Uhr die Nebenklägerin in ihrer Wohnung auf. Nach einem "netten" Gespräch bat sie den Angeklagten um 23 Uhr, nunmehr zu gehen. Dieser forderte zum Abschied eine Umarmung; die Nebenklägerin kam dem nur widerwillig nach. Als der Angeklagte den Druck der Umarmung erhöhte, bat sie ihn im lauten Ton, er solle aufhören und nach Hause gehen. Der Angeklagte packte sie nunmehr am Hals und schob sie [X.] auf das Bett. Er setzte sich auf ihren Unterleib, öffnete seine Hose und wollte auch ihr die Hose ausziehen, um an ihr gegen ihren Willen den [X.] zu vollziehen. Er hielt sie weiterhin am Hals, schwang die Faust und teilte ihr mit, dass er jetzt wolle und dass etwas passiere, wenn sie nicht ruhig bleibe. Die Nebenklägerin hatte
Angst um ihr Leben, fürchtete,
einen epileptischen Anfall zu erleiden und bekam Atemnot. Der Angeklagte gestattete ihr nach mehrfachen Bitten, sich aufzusetzen, hielt sie aber weiterhin fest. Da die Nebenklägerin fürchtete, der Angeklagte werde ihr beim [X.] erhebliche Schmerzen zufügen und sie erneut in Luftnot bringen, fragte sie ihn -
um dem zu entrinnen -
unter dem Eindruck der Gewalt stehend, ob er von ihr ablasse, wenn sie ihn oral befriedigen würde. Der Angeklagte ließ sich darauf ein;
er hielt sie weiterhin an einer Hand fest und drückte ihren Kopf wäh-rend des [X.] herunter, bis er in ihren Mund ejakulierte. Anschließend schwang er erneut seine Faust und drohte ihr, es werde etwas passieren, wenn sie etwas sage. Beim Verlassen der Wohnung ließ er sich schließlich ihr Schweigen per Handschlag versprechen; die Nebenklägerin kam dem aus Angst nach, vertraute sich aber am Folgetag einem Bekannten an und erstatte-4
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te am 2. Mai 2012 Anzeige bei der Polizei. Seitdem befindet sich der [X.] wieder in Vollziehung seiner Unterbringung in der Klinik in U.

.
Das [X.] hat den Angeklagten nach Anhörung von zwei Sachver-ständigen für voll schuldfähig erachtet. Dabei hat es -
dem Sachverständigen Prof. Dr. K.

folgend -
insbesondere darauf abgestellt, dass die Persönlich-keitsstörung des Angeklagten die Tat -
auch im Zusammenspiel mit einer leich-ten alkoholbedingten Enthemmung -
nicht wesentlich beeinflusst habe. Eine subjektive Zuspitzung der Situation, wie sie bei den Vortaten angenommen worden war, sei vor der Tat nicht eingetreten; insbesondere habe der Ange-klagte keine existenzbedrohenden Ängste verspürt, sondern sich vielmehr in einer im Unterschied zu den vergangenen Jahren aussichtsreichen Position befunden. Auch die Tat als solche stelle sich angesichts der zahlreichen, auf eine erhaltene Steuerungsfähigkeit hindeutenden Handlungen nicht als Aus-druck abgeleiteter Frustration, Wut oder Existenzangst dar. Demgegenüber habe der Sachverständige Prof. Dr. B.

letztlich allein aus der Diagnose der kombinierten Persönlichkeitsstörung auf die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit geschlossen. Damit habe der Sachverständige die erforderliche Unterscheidung zwischen der Erkrankung und der sich anschließenden Frage, ob die Erkrankung sich tatbezogen auf die Schuldfähigkeit ausgewirkt hat, nicht vorgenommen. Den weiteren Ausführungen des Sachverständigen, weil der Angeklagte die Tat trotz der Gefährdung seines Rehabilitationserfolges began-gen habe, sich also nicht habe bremsen können, deute dies darauf hin, dass er sich nicht habe steuern können, sei schon deshalb nicht zu folgen, weil dieser Schluss letztlich auf jeden -
auch gesunden -
Wiederholungstäter zutreffen könne.
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2. Die -
wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat -
wirk-sam auf den Strafausspruch sowie die [X.] der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
a) Die Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, weil die Staatsanwaltschaft die von ihr in Bezug genommene, von einer Zeugin in der Hauptverhandlung überreichte Aktennotiz vom 30.
April 2012 nicht vorträgt. Dem Senat ist es [X.] nicht möglich zu überprüfen, ob sich aus dieser Aktennotiz die den Fest-stellungen zu Grunde gelegten Beobachtungen der Klinikärztin in U.

ergeben, was der Rüge der Verletzung des §
261 [X.] den Boden hätte ent-ziehen können und deshalb nach §
344 Abs. 2 Satz 2 [X.] zum notwendigen Vortrag der Verfahrensrüge gehörte (vgl. LR/[X.], [X.], 26. Aufl., §
344 Rn.
78 mwN).
b) Im aufgezeigten Umfang der Anfechtung deckt auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zu Lasten oder zu Gunsten (vgl. § 301 [X.]) des Angeklagten auf. Wie der [X.] in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, hat das [X.] die wesentlichen An-knüpfungstatsachen und Darlegungen der divergierenden Gutachten in der Beweiswürdigung dargestellt, sich ausführlich mit ihnen auseinandergesetzt und sie überprüft sowie eingehend begründet, warum es sich der Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. K.

und nicht derjenigen des [X.] Prof. Dr. B.

angeschlossen hat. Die Ausführungen der Staatsanwalt-schaft, mit denen sie diese Würdigung
der Strafkammer angreift, zeigen keine durchgreifenden Rechtsfehler, insbesondere keine Lücken oder Widersprüche in der Beweiswürdigung auf, sondern erschöpfen sich der Sache nach in dem Versuch, die eigene Würdigung der Beweise an die Stelle derjenigen des Tat-6
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gerichts zu setzen; damit kann die Staatsanwaltschaft in der Revision nicht durchdringen.
[X.] Hubert [X.]

[X.]

Fischer

Meta

3 StR 379/14

30.10.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2014, Az. 3 StR 379/14 (REWIS RS 2014, 1779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1779

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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