Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 4 StR 454/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2991

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sexueller Missbrauch eines Kindes: Voraussetzungen eines Versuchs


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s begleitete der Angeklagte die ihm unbekannte neun Jahre alte Grundschülerin [X.]auf ihrem Schulweg. Dabei erzählte er ihr, dass zwei etwa 12 Jahre alte Freundinnen seiner Tochter bei ihm zuhause gebadet hätten. Eine von ihnen habe auf seine Aufforderung hin seinen Penis angefasst und sei anschließend von ihm von hinten „gefickt“ worden. Im [X.] daran forderte er [X.] auf, ebenfalls seinen Penis anzufassen. Diese weigerte sich, ging aber weiter neben dem Angeklagten her. Kurz darauf kam ihr Vater hinzugeeilt und stellte den Angeklagten zur Rede. Ob [X.]die Bedeutung des Wortes „Ficken“ geläufig war, vermochte das [X.] nicht sicher festzustellen. Sie war jedoch in der Lage, sowohl den sexuellen Bezug der Erzählungen, als auch den Inhalt der an sie gerichteten Aufforderung zu erfassen. Noch am Folgetag wirkte sie deshalb peinlich berührt.

3

Das [X.] hat in den Erzählungen des Angeklagten einen sexuellen Missbrauch von Kindern im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB und in der sich anschließenden Aufforderung seinen Penis anzufassen einen hierzu in Tateinheit stehenden versuchten sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 Fall 2, Abs. 6 Halbsatz 1; § 23 Abs. 1, § 22 StGB gesehen.

II.

4

Ein versuchter sexueller Missbrauch eines Kindes wird durch die Feststellungen nicht belegt.

5

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen erfüllen diese Voraussetzungen nur dann, wenn sie nach dem [X.] der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weiteren Zwischenakt in die Tatbestandsverwirklichung einmündet ([X.], Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, [X.]St 37, 294, 297 f.; [X.], StGB, 58. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Danach kann in der Aufforderung des Angeklagten, seinen Penis anzufassen, nur dann ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 176 Abs. 1 Fall 2 StGB gesehen werden, wenn der Angeklagte dabei angenommen hat, dass es im unmittelbaren [X.] – also auf offener Straße – zur Vornahme der angestrebten sexuellen Handlung kommt. [X.] Feststellungen hierzu hat das [X.] nicht getroffen. Obgleich der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach wegen exhibitionistischer Handlungen und Vornahme sexueller Handlungen in der Öffentlichkeit verurteilt werden musste, versteht sich ein solcher [X.] hier nicht von selbst.

6

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das [X.] von Tateinheit (§ 52 StGB) ausgegangen ist, betrifft die Aufhebung auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB.

Ernemann                                   Roggenbuck                                      Franke

                        Bender                                             Quentin

Meta

4 StR 454/11

27.09.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 19. Mai 2011, Az: 12 KLs 36/11 - 1, Urteil

§ 22 StGB, § 176 Abs 1 Alt 2 StGB, § 176 Abs 6 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 4 StR 454/11 (REWIS RS 2011, 2991)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2991

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 454/11 (Bundesgerichtshof)


5 StR 132/09 (Bundesgerichtshof)


4 StR 258/13 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Tatbegehung


2 StR 275/18 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch Schutzbefohlener und sexueller Missbrauch von Kindern: Voraussetzung einer mittäterschaftlichen Begehung


4 StR 258/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 403/22

4 StR 258/13

4 StR 346/12

4 StR 454/11

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.