Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2018, Az. XII ZB 448/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6629

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Gegenstand

Nachehelicher Unterhalt: Berücksichtigung einer Rente nach dem HIV-Hilfegesetz bei der Bemessung des Unterhalts; Zurückstellung einer Entscheidung über eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs


Leitsatz

1. Leistungen nach § 16 Abs. 1 HIVHG bleiben bei der Unterhaltsbemessung stets unberücksichtigt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014, XII ZB 164/14, FamRZ 2014, 1619 - zur Conterganrente).

2. Auch wenn eine abschließende Entscheidung über die Folgen des § 1578b BGB noch nicht möglich ist, darf eine Entscheidung darüber nicht vollständig zurückgestellt werden. Vielmehr muss das Gericht insoweit entscheiden, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Entscheidung über die Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB (im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Januar 2011, XII ZR 83/08, BGHZ 188, 50, FamRZ 2011, 454).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 4. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 10. August 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über [X.]en Unterhalt.

2

Die Beteiligten haben am 31. Dezember 1992 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind zwei Töchter (geboren 1998 und 2003) hervorgegangen, von denen eine bei der Antragstellerin und eine beim [X.] lebt. Seit dem 26. April 2016 ist die Ehe rechtskräftig geschieden. Der Versorgungsausgleich ist durchgeführt; zum Ausgleich des Zugewinns erhielt die Antragstellerin insgesamt 90.000 €.

3

Die 1968 geborene Antragstellerin absolvierte eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau und war danach bei der [X.] tätig. Seit August 1990 arbeitete sie als Kassiererin bei der Kreissparkasse, zunächst in Vollzeit, später halbtags. Nach der Geburt der ersten Tochter nahm sie Erziehungsurlaub, beendete danach ihr Arbeitsverhältnis mit der Kreissparkasse und widmete sich fortan der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung. Nach der Trennung der Beteiligten fand sie eine vollschichtige Anstellung als Kassiererin bei der [X.]. Die dort erzielten Einkünfte bleiben hinter den Einkünften zurück, die sie bei einer Weiterbeschäftigung bei der Kreissparkasse erzielt hätte. Ab Februar 2017 beläuft sich die Differenz auf monatlich rund 506 € (netto).

4

Der ebenfalls 1968 geborene [X.] ist bei der [X.] angestellt. Über sein Arbeitsentgelt hinaus bezieht er eine monatliche Rente gemäß § 16 Abs. 1 des Gesetzes über die humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen vom 24. Juli 1995 ([X.] I 1995, 972 und 979; [X.] - im Folgenden: [X.]) in Höhe von rund 1.500 € (netto). Er bewohnt ein Eigenheim, für das er Zins- und Tilgungsleistungen aufbringt.

5

Das Amtsgericht hat den [X.] unter Berücksichtigung der genannten Rente zur Zahlung von [X.]em Unterhalt in Höhe von monatlich 1.660 € ab Dezember 2016 sowie eines Unterhaltsrückstands für die [X.] ab April 2016 verpflichtet; eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts hat es abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] durch Beschluss gemäß §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des [X.]s, mit der er weiterhin eine Berechnung des [X.]en Unterhalts ohne die Berücksichtigung seiner Rente gemäß § 16 Abs. 1 [X.] sowie die Befristung und/oder Herabsetzung des Unterhalts anstrebt.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

7

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

8

Die monatliche Rente in Höhe von 1.500 €, die der [X.] nach dem [X.] beziehe, sei als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu berücksichtigen. Denn grundsätzlich seien insoweit alle zufließenden Einkünfte anzurechnen, gleichgültig welcher Art sie seien und aus welchem Anlass sie gezahlt würden. Anders als bei Renten nach dem [X.] sei dieser Grundsatz bei Leistungen nach dem [X.] auch nicht aufgrund gesetzlicher Regelung ausgeschlossen. Zwar besage § 17 Abs. 1 [X.], dass die Leistungen der Stiftung nicht auf andere Leistungen aus öffentlichen Mitteln angerechnet und auch nicht bei der gesetzlich vorgesehenen Ermittlung von Einkommen und Vermögen berücksichtigt werden. Hiermit könnten private Unterhaltsgläubiger aber nicht gemeint sein, da sie keine öffentlichen Mittel verwalteten. Zudem sei der Zweck des [X.]es nach dessen § 1 ausdrücklich, erkrankten Personen und deren unterhaltsberechtigten Angehörigen finanzielle Hilfe zu leisten. Wollte man die Leistung nach dem [X.] im Rahmen des Unterhalts nicht berücksichtigen, wären die unterhaltsberechtigten Angehörigen bei fehlender Zahlungsbereitschaft des Betroffenen ohne weiteres von der ihnen zugedachten Unterstützung abgeschnitten. Auch der unterschiedliche Wortlaut von § 18 Abs. 1 [X.] und § 17 Abs. 1 [X.] spreche dafür, die Leistungen nach dem [X.] als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu behandeln. Eine abweichende Bewertung ergebe sich auch nicht daraus, dass nicht infizierten Kindern und Ehepartnern für gewisse [X.]räume nach dem Tod der infizierten Person eigene Ansprüche aus dem [X.] zustehen können.

9

Eine Herabsetzung oder zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB sei im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht auszusprechen. Zwar erscheine die unbefristete Zubilligung des vollen Unterhaltsanspruchs nicht angemessen. Allerdings sei der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Ehedauer von über 23 Jahren, ihres Alters und ihrer in der Ehe übernommenen Verpflichtungen hinsichtlich der Erziehung der Töchter aus Gründen der [X.]en Solidarität eine angemessene Übergangsphase zwischen den günstigeren eheprägenden Verhältnissen und der wirtschaftlichen Eigenständigkeit einzuräumen, woran auch der Zugewinnausgleich nichts ändere. Insoweit erscheine die Zubilligung des vollen Unterhalts für acht Jahre sowie die eines Betrags in Höhe des ehebedingten Nachteils zuzüglich der halben Differenz zum vollen Unterhalt für weitere vier Jahre angemessen. Eine weitergehende Herabsetzung oder gar eine vollständige Befristung komme dagegen im Hinblick auf den fortwirkenden ehebedingten Nachteil nicht in Betracht. Denn zwischen den Verfahrensbeteiligten sei unstreitig geblieben, dass sich der Einkommensnachteil, den die Antragstellerin durch die familienbedingte Aufgabe ihrer Stelle als Kassiererin bei der Kreissparkasse erleide, ab Februar 2017 monatlich auf jedenfalls 506,34 € belaufe. Danach komme ohnehin nur eine Befristung des Unterhaltsanspruchs in Betracht, der über die Kompensation des ehebedingten Nachteils hinausgehe. Wie sich der ehebedingte Nachteil aber konkret etwa im Jahre 2024 auf das Einkommen der Antragstellerin auswirken werde, lasse sich derzeit noch nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit abschätzen.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das [X.] hat die Rente des [X.]s nach § 16 Abs. 1 [X.] zu Unrecht im Rahmen der Unterhaltsbemessung berücksichtigt.

aa) Zweck des [X.]es ist nach dessen § 1, aus humanitären und [X.] Gründen und unabhängig von bisher erbrachten Entschädigungs- und [X.] Leistungen an Personen, die durch Blutprodukte unmittelbar oder mittelbar mit HIV infiziert wurden oder infolge davon an AIDS erkrankt sind, und an deren unterhaltsberechtigte Angehörige finanzielle Hilfe zu leisten. Anspruchsberechtigt sind dabei nach § 15 [X.] über die vor dem 1. Januar 1988 HIV-Infizierten und/oder an AIDS Erkrankten hinaus auch mittelbar infizierte Personen (Ehepartner, Verlobte und Lebenspartner oder bei der Geburt infizierte Kinder) sowie nicht infizierte Kinder und Ehepartner von Infizierten oder Erkrankten. Nach § 16 Abs. 3 [X.] erhielten nicht infizierte Ehepartner für einen [X.]raum von fünf Jahren monatlich 511,29 €, wenn die infizierte Person im [X.]punkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 31. Juli 1995 bereits verstorben war, während nicht infizierte Kinder gemäß § 16 Abs. 2 [X.] nach dem Tod der infizierten Person monatlich 511,29 € bis zum Abschluss ihrer Berufsausbildung erhalten, längstens bis zum Ablauf des 25. Lebensjahres. Nach § 16 Abs. 1 [X.] erhalten HIV-infizierte Personen monatlich 766,94 € und AIDS-erkrankte Personen monatlich 1.533,88 €.

bb) Sämtliche Leistungen werden nach § 17 Abs. 1 [X.] nicht auf andere Leistungen aus öffentlichen Mitteln angerechnet und auch nicht bei der gesetzlich vorgesehenen Ermittlung von Einkommen und Vermögen berücksichtigt.

Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beschränkt sich allerdings nicht darauf, dass die Leistungen nach dem [X.] nicht auf andere Leistungen aus öffentlichen Mitteln angerechnet werden (vgl. dazu BT-Drucks. 13/1298 S. 11), sondern umfasst nach seinem Wortlaut allgemein auch die Ermittlung des Einkommens von infizierten Personen. Die gesetzliche Regelung erstreckt sich daher auch auf die unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung.

cc) Die in § 17 Abs. 1 [X.] getroffene Regelung - die bei Inkrafttreten des [X.]es im Juli 1995 § 17 Abs. 2 [X.] a.F. entsprach, vgl. § 14 des [X.] vom 2. August 2000 ([X.] I 1270, 1272) - orientierte sich an der damaligen Regelung über die sogenannte Conterganrente (vgl. dazu [X.]sbeschluss vom 16. Juli 2014 - [X.] 164/14 - FamRZ 2014, 1619).

Durch das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "[X.]" vom 17. Dezember 1971 ([X.] 1971 I 2018; 1972 I 2045; im Folgenden: Errichtungsgesetz) wurde eine Stiftung mit dem Zweck errichtet, behinderten Menschen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme bestimmter Präparate durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, Leistungen zu erbringen, insbesondere die sogenannte Conterganrente. Diese Leistungen blieben nach § 21 Abs. 2 des Errichtungsgesetzes bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem [X.], dem Arbeitsförderungsgesetz und dem [X.], außer Betracht. Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen wurden nach § 22 Satz 1 des Errichtungsgesetzes nicht berührt.

§ 21 Abs. 2 des Errichtungsgesetzes wurde nachfolgend durch das [X.] ([X.] - [X.]) vom 13. Oktober 2005 ([X.] I 2967; neu gefasst durch Bekanntmachung vom 25. Juni 2009 - [X.] I 1537, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Februar 2017 ([X.] [X.]) aus systematischen Gründen zu § 18 Abs. 1 [X.] (BT-Drucks. 15/5654 S. 13). Nach § 18 Abs. 1 [X.] bleiben Leistungen nach diesem Gesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem [X.], [X.], Fünften, [X.] und [X.] und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die frühere Regelung in § 22 Satz 1 des Errichtungsgesetzes wurde in § 18 Abs. 2 [X.] übernommen.

In der Gesetzesbegründung wird insoweit ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei der Aufnahme des Bürgerlichen Gesetzbuches als Verweis um eine Klarstellung handele, da die beispielhafte Aufzählung von Gesetzen in § 21 Abs. 2 Satz 1 des Errichtungsgesetzes nicht abschließend sei. Obwohl die Bundesregierung von jeher die Auffassung vertreten habe, dass diese Leistungen bei der Bemessung von Unterhaltsleistungen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürften, habe in der Vergangenheit in Einzelfällen bei Scheidungen offensichtlich Unsicherheit darüber bestanden, ob die [X.] bei der Bemessung von Unterhaltsleistungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch herangezogen werden könnten. Ein ausdrücklicher Verweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch sei im Errichtungsgesetz unterblieben, da in Anbetracht des damaligen Alters der Contergangeschädigten eine Unterhaltsanrechnung im Trennungs- oder Scheidungsfall nicht explizit geregelt worden sei. Dem Gesetzgeber obliege es jedoch, auch in Zukunft darüber zu wachen, dass die Leistungen der [X.] gerecht würden. Zur Vermeidung von Auslegungsproblemen sei es daher erforderlich, klarzustellen, dass die Leistungen nach dem neuen [X.] auch bei der Bemessung des Unterhalts als echte Zusatzleistungen erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654 S. 13).

dd) Diese Erwägungen gelten für die Leistungen nach dem [X.] entsprechend. Sinn und Zweck des [X.]es war, den unmittelbar und mittelbar Betroffenen sowie ihren Angehörigen eine schnelle und angemessene Unterstützung zu gewähren. Die Leistungen, die ohne Prüfung der Einkommens- oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgen, haben keine Einkommensersatzfunktion, sondern werden als humanitäre Hilfe gewährt.

Dem in § 1 [X.] und in der Gesetzesbegründung (vgl. etwa BT-Drucks. 13/1298 S. 8, 11) ausgewiesenen Zweck, auch den unterhaltsberechtigten Angehörigen von infizierten/erkrankten Personen finanzielle Hilfe zu leisten, wird durch an nicht infizierte Kinder und Ehepartner von infizierten/erkrankten Personen gewährten Leistungen gemäß §§ 15 Abs. 4, 16 Abs. 2 und 3 [X.] Rechnung getragen. Dagegen gebietet der Zweck es nicht, den Unterhalt von nicht infizierten Ehegatten zu Lasten des infizierten Ehegatten unter Berücksichtigung von dessen [X.] zu bemessen.

Da die Renten nach dem [X.] kein unterhaltsrechtliches Einkommen darstellen, findet § 1610 a BGB insoweit keine Anwendung. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass dem [X.] nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts bislang ein krankheitsbedingter Mehrbedarf nicht entstanden ist.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt zudem zu Recht, dass das [X.] es abgelehnt hat, derzeit über eine Befristung/Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b BGB zu entscheiden.

aa) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf [X.]en Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein [X.] Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte [X.] nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde ([X.]sbeschluss vom 8. Juni 2016 - [X.] 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 14 mwN).

§ 1578 b BGB beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende [X.]e Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des [X.]en Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der [X.]en Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige - unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten - durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein ([X.]sbeschluss vom 8. Juni 2016 - [X.] 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 15 mwN).

Als Rechtsfolge sieht § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB die Herabsetzung bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des [X.]en Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach § 1578 b Abs. 1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss ([X.]sbeschluss vom 8. Juni 2016 - [X.] 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 16 mwN).

Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.]sbeschluss vom 8. Juni 2016 - [X.] 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 17 mwN).

Zwar kann über eine Unterhaltsbefristung oder -herabsetzung erst dann abschließend entschieden werden, wenn die Verhältnisse der Ehegatten wirtschaftlich entflochten sind und sich danach abschätzen lässt, ob ehebedingte Nachteile dauerhaft bestehen oder nicht. Dementsprechend hat es der [X.] im Einzelfall gebilligt, wenn die Entscheidung über eine Befristung und Herabsetzung nach § 1578 b BGB insoweit hinausgeschoben und einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten wurde ([X.]surteil vom 27. Mai 2009 - [X.]/08 - FamRZ 2009, 1300 Rn. 62 f.). Die Rechtskraft einer Entscheidung, die das spätere Eingreifen der Folgen des § 1578 b BGB offen lässt, schließt dann eine künftige Abänderung nicht aus. Daraus, dass eine abschließende Entscheidung über die Folgen des § 1578 b BGB noch nicht möglich ist, folgt aber nicht, dass eine Entscheidung darüber vollständig zurückgestellt werden darf. Vielmehr muss das Gericht insoweit entscheiden, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Entscheidung über die Herabsetzung nach § 1578 b Abs. 1 BGB. Die materielle Rechtskraft einer solchen Entscheidung und die mit ihr verbundenen [X.] gehen dann nur so weit, als die Entscheidung eine abschließende Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände enthält. Eine auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung schließt eine spätere Abänderung insbesondere dann nicht aus, wenn zunächst bestehende ehebedingte Nachteile später ganz oder teilweise entfallen sollten ([X.]surteil [X.], 50 - [X.], 454 Rn. 42 f. mwN).

bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe durfte das [X.] die Entscheidung über eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht einem späteren Abänderungsverfahren überlassen.

Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin im Hinblick auf den fortwirkenden ehebedingten Nachteil regelmäßig ausscheidet (vgl. etwa [X.]surteil vom 18. Februar 2015 - [X.]/13 - FamRZ 2015, 824 Rn. 24 mwN). Für den Ausnahmefall einer Befristung trotz fortbestehender [X.] Nachteile ist nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen kein Raum; er wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.

Etwas anderes gilt hingegen für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB nach Maßgabe der [X.]en Solidarität (vgl. insoweit Dose, [X.], 1341, 1347). Insoweit durfte das [X.] die Entscheidung nicht einem späteren Abänderungsverfahren überlassen. Das [X.] hat den ehebedingten Nachteil als Differenz zwischen dem angemessenen Lebensbedarf der Antragstellerin im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und ihrem tatsächlich erzielten Einkommen (zur Berechnung vgl. [X.]sbeschluss vom 8. Juni 2016 - [X.] 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 19 mwN) für die [X.] ab Februar 2017 mit monatlich rund 506 € festgestellt. Darüber hinaus hat das [X.] unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass ein Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen für die Dauer von acht Jahren und sodann für die Dauer von vier Jahren ein Anspruch in Höhe des ehebedingten Nachteils zuzüglich der halben Differenz zum vollen Unterhalt der Billigkeit entspricht. Dass der auf Seiten der Antragstellerin entstandene ehebedingte Nachteil sich im weiteren Verlauf verringern oder wieder ausgeglichen werden könnte, ist kein Grund, derzeit von einer Entscheidung über die Herabsetzung des Unterhalts abzusehen. Es wäre vielmehr widersprüchlich, dem Unterhaltspflichtigen eine Entscheidung über die Herabsetzung zu versagen, nur weil sich die Sachlage noch zu seinen Gunsten verändern kann (vgl. [X.]surteil [X.], 50 - [X.], 454 Rn. 46). Ergeben sich nachfolgend hinsichtlich der Einkünfte der Antragstellerin wesentliche Änderungen der Verhältnisse, so wird durch die Erstentscheidung eine Abänderung des Unterhalts nicht ausgeschlossen.

3. Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der [X.] kann nicht selbst abschließend entscheiden, da noch weitere tatrichterliche Feststellungen zu treffen sind. Die Zurückverweisung gibt dem [X.] zugleich Gelegenheit, auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.]s ([X.]sbeschluss [X.], 288 = FamRZ 2017, 519) im Zusammenhang mit dem angerechneten Wohnvorteil die Berücksichtigung auch der Tilgungsleistungen des [X.]s in Betracht zu ziehen.

Dose     

      

[X.]     

      

Schilling

      

Günter     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 448/17

04.07.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 10. August 2017, Az: II-4 UF 7/17, Beschluss

§ 16 Abs 1 HIVHG, § 17 Abs 1 HIVHG, § 1578b Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2018, Az. XII ZB 448/17 (REWIS RS 2018, 6629)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1318-1319 REWIS RS 2018, 6629


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 448/17

Bundesgerichtshof, XII ZB 448/17, 04.07.2018.


Az. 4 UF 7/17

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 7/17, 10.08.2017.

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 7/17, 04.07.2017.


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