Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.07.2023, Az. 8 C 4/22

8. Senat | REWIS RS 2023, 7788

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Tenor

Das Urteil des [X.] vom 30. September 2021 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem der Beklagte das im Grundbuch von [X.] 1515 verzeichnete Grundstück dem Beigeladenen zugeordnet hat.

2

Das Grundstück stand 1937 im Eigentum des [X.]. Im April 1948 wurde es im Zuge der Bodenreform auf die [X.] übertragen. 1959 wurde im Grundbuch Eigentum des Volkes, Rechtsträger: Rat der Gemeinde A., eingetragen. Am 18. August 1992 beantragte der Beigeladene die Restitution des Grundstücks bei der [X.]. Mit Bescheid vom 5. Dezember 1994, bestätigt durch Bescheid vom 15. Mai 1995, ordnete die [X.] M. das Grundstück der Klägerin zu. Mit Bescheid vom 15. März 2019 übertrug die Beklagte das Grundstück an den Beigeladenen zurück, weil sein Rechtsvorgänger das Grundstück dem [X.] im Rahmen der Bodenreform unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe.

3

Der dagegen erhobenen Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Der öffentlichen Restitution des Grundstücks stehe der Zuordnungsbescheid vom 24. Juni 1999 zugunsten der Gemeinde [X.] entgegen. Er sei jedenfalls gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden und bilde die Rechtsgrundlage für ein "Behaltendürfen" des Grundstücks. Gegenüber dem Adressaten begründe er eine geschützte Rechtsposition, die nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder beseitigt werden könne. Ohne seine Aufhebung stehe er einer anderweitigen Vermögenszuordnung des Grundstücks entgegen. Aus § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] folge nichts Anderes. Die Vorschrift ermächtige nicht zur Durchbrechung bereits getroffener vermögenzuordnungsrechtlicher Entscheidungen, ohne diese vorher aufzuheben. Gegen eine andere Auslegung dieser Vorschrift spreche zudem § 2 Abs. 5 Satz 1 [X.], wonach das Verwaltungsverfahrensgesetz für Verfahren nach dem Vermögenszuordnungsgesetz Anwendung finde und lediglich die Anwendung von § 51 VwVfG unter dort näher bestimmten Umständen ausgeschlossen sei. Danach habe die Aufhebung des [X.] vom 24. Juni 1999 möglicherweise auf § 48 VwVfG gestützt werden können.

4

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor, das angegriffene Urteil beruhe auf der unzutreffenden Annahme, der Zuordnungsbescheid vom 24. Juni 1999 stehe dem Erlass des Restitutionsbescheides vom 15. März 2019 entgegen. Die Zuordnung von Verwaltungs- oder Finanzvermögen zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach Art. 21 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 EV schließe eine nachfolgende Restitution nach Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV nicht aus. Die Zuordnung stelle fest, wer am 3. Oktober 1990 Eigentümer des zuvor volkseigenen Vermögenswertes geworden sei. Die Restitutionsentscheidung übertrage dagegen das Eigentum an einem Vermögenswert konstitutiv. Eine vorangegangene Zuordnung stehe daher einer öffentlichen Restitution nicht entgegen und setze keine Aufhebung des früheren [X.] voraus. Der grundsätzliche Vorrang der öffentlichen Restitution vor der Zuordnung folge auch aus § 11 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 1a Satz 5 [X.]. Die Ausführungen des [X.] zu § 2 Abs. 5 Satz 1 [X.] und § 51 VwVfG stellten keine das Urteil selbständig tragende Alternativerwägung dar. In der Sache stehe dem Beigeladenen der geltend gemachte öffentliche Restitutionsanspruch zu.

5

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.] Halle vom 30. September 2021 zu ändern und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

8

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefo[X.]htene Urteil verletzt [X.]re[X.]ht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) (1.). Es beruht auf einer unri[X.]htigen Auslegung von Art. 21 Abs. 1 und 2 sowie Art. 22 Abs. 1 des [X.] (EV) und von § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] (2.); es stellt si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht aus anderen Gründen als ri[X.]htig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (3.). Das führt zur Aufhebung des angefo[X.]htenen Urteils und zur Zurü[X.]kverweisung des Verfahrens an das Verwaltungsgeri[X.]ht (4.).

1. Das angefo[X.]htene Urteil misst der [X.] gemäß § 1 Abs. 1 [X.] i. V. m. Art. 21 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 EV Re[X.]htswirkungen bei, die ihr von Gesetzes wegen ni[X.]ht zukommen. Es übersieht, dass die [X.] eine spätere öffentli[X.]he Restitution ni[X.]ht hindert (a) und kein s[X.]hutzwürdiges Vertrauen auf einen endgültigen Eigentumserwerb begründet (b).

a) Art. 21 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 EV regeln, auf wel[X.]hes Re[X.]htssubjekt das Eigentum an zuvor volkseigenen Vermögenswerten am 3. Oktober 1990 übergegangen ist. Vermögenswerte, die unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dienten (Verwaltungsvermögen), wurden [X.]vermögen, sofern sie ni[X.]ht am 1. Oktober 1989 überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt waren, die na[X.]h der verfassungsre[X.]htli[X.]hen Ordnung der [X.] von anderen Trägern der öffentli[X.]hen Verwaltung wahrzunehmen waren. Andernfalls fielen sie deren Funktionsna[X.]hfolgern zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Rn. 17). Vermögenswerte der ehemaligen [X.], die ni[X.]ht unmittelbar der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben dienten (Finanzvermögen) und ni[X.]ht zum Vermögen der Sozialversi[X.]herung gehörten, unterlagen na[X.]h Maßgabe des Art. 22 Abs. 1 EV der Treuhandverwaltung des [X.], soweit sie ni[X.]ht der [X.] oder den kommunalen [X.] na[X.]h § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] übertragen waren. Art. 21 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV regeln demgegenüber, in wel[X.]hem Umfang unentgeltli[X.]he Vermögensvers[X.]hiebungen zwis[X.]hen Körpers[X.]haften des öffentli[X.]hen Re[X.]hts rü[X.]kgängig gema[X.]ht werden sollen. Sie bestimmen, dass Vermögenswerte, die dem Zentralstaat oder den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) unentgeltli[X.]h zur Verfügung gestellt wurden, an diese Körpers[X.]haft oder ihre Re[X.]htsna[X.]hfolgerin unentgeltli[X.]h zurü[X.]kübertragen werden.

S[X.]hon der Wortlaut der genannten Vors[X.]hriften spri[X.]ht dafür, dass die [X.] eine na[X.]hfolgende anderweitige öffentli[X.]he Restitution ni[X.]ht auss[X.]hließt. Beide betreffen einen jeweils anderen Regelungsgegenstand und beziehen si[X.]h auf vers[X.]hiedene Zeitpunkte. Während die [X.] deklaratoris[X.]h den gesetzli[X.]hen Eigentumsübergang ehemals volkseigener Vermögenswerte mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 feststellt, überträgt die öffentli[X.]he Restitution das Eigentum an sol[X.]hen Vermögenswerten mit Bestandskraft des [X.] konstitutiv auf den Restitutionsbere[X.]htigten.

Au[X.]h aus systematis[X.]hen Gründen kommt der [X.] kein Vorrang vor der öffentli[X.]hen Restitution zu. Art. 21 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 EV betreffen alle zuvor volkseigenen Vermögenswerte und damit au[X.]h sol[X.]he, die Gegenstand von Ansprü[X.]hen na[X.]h Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV sind. S[X.]hlössen Art. 21 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 EV die öffentli[X.]he Restitution aus, wären Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV ohne Anwendungsberei[X.]h. Die Materialien zum [X.] bestätigen, dass die Vertragsparteien dem Restitutionsprinzip gegenüber der funktionalen Zuordnung grundsätzli[X.]h Vorrang einräumen wollten, um "teilweise unter Verletzung re[X.]htsstaatli[X.]her Grundsätze erfolgt[e]" unentgeltli[X.]he Vermögensübertragungen rü[X.]kgängig zu ma[X.]hen (Denks[X.]hrift der [X.]regierung zum [X.], [X.]. 11/7760 S. 365; BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 7 [X.] - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 5 f.).

Sinn und Zwe[X.]k der Regelungen über den gesetzli[X.]hen Eigentumsübergang zum 3. Oktober 1990 und über die öffentli[X.]he Restitution spre[X.]hen s[X.]hließli[X.]h ebenfalls dafür, dass diese si[X.]h ni[X.]ht gegenseitig auss[X.]hließen. Die Regelungen der Art. 21 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 EV zielen auf eine aufgabengere[X.]hte Ausstattung der Funktionsna[X.]hfolger in die Verwaltungsaufgaben, denen der betreffende Vermögenswert am maßgebli[X.]hen Sti[X.]htag zu dienen bestimmt war. Demgegenüber bezwe[X.]ken die Regelungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV über die öffentli[X.]he Restitution von Vermögenswerten eine Wiederherstellung der Eigentumslage vor der Verstaatli[X.]hung dieser Vermögenswerte. Der öffentli[X.]he Restitutionsanspru[X.]h soll zur Leistungsfähigkeit der öffentli[X.]hen Körpers[X.]haften beitragen, indem er sie mit entzogenem Altvermögen ausstattet, von dem angenommen werden kann, dass es der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dient (vgl. [X.]. 12/5553 S. 168; BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 7 [X.] - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 5 f.). Diese unters[X.]hiedli[X.]hen Regelungszwe[X.]ke re[X.]htfertigen es ni[X.]ht, den Eigentumsübergang zum 3. Oktober 1990 als dauerhafte Eigentumszuweisung an den dur[X.]h Art. 21 Abs. 1 und 2 und Art. 22 Abs. 1 EV Begünstigten zu verstehen. Das zugeordnete Eigentum ist vielmehr mit einem etwaigen Restitutionsanspru[X.]h belastet (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 7 [X.] - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 6).

Das [X.]sgesetz knüpft an diese materiell-re[X.]htli[X.]he Re[X.]htslage an. § 1 [X.] unters[X.]heidet das Verfahren über die Zuordnung von ehemals volkseigenen Vermögenswerten (§ 1 Abs. 1 bis 3 [X.]) von dem Verfahren für die Ents[X.]heidung über Ansprü[X.]he auf öffentli[X.]he Restitution (§ 1 Abs. 4 [X.]). Diese Unters[X.]heidung greift § 2 Abs. 1a [X.] auf und bestimmt, dass die Zuordnungsfeststellung gemäß § 1 Abs. 1 [X.] im Regelfall mit der Ents[X.]heidung über die Restitution gemäß § 1 Abs. 4 [X.] verbunden werden soll. § 2 Abs. 1a Satz 2 [X.] lässt aber au[X.]h eine gesonderte Bes[X.]heidung zu, damit der Aufklärungsbedarf bezügli[X.]h eines Teils der zu treffenden Ents[X.]heidungen ni[X.]ht die übrigen Ents[X.]heidungen verzögert. Der das [X.] abs[X.]hließende Bes[X.]heid ergeht na[X.]h § 2 Abs. 1 Satz 5 [X.] vorbehaltli[X.]h des Eigentums, der Re[X.]htsinhabers[X.]haft oder sonstiger privater Re[X.]hte Dritter oder im Einzelnen bezei[X.]hneter Beteiligter an dem Vermögensgegenstand, sofern ni[X.]ht ausnahmsweise na[X.]h Satz 4 der Vors[X.]hrift festgestellt wird, dass der Erwerb des Gegenstandes dur[X.]h eine Person, die ni[X.]ht zuordnungsbegünstigt sein kann, unwirksam ist. § 2 Abs. 1 Satz 5 [X.] stellt klar, dass selbst eine bestandskräftige Zuordnung eine spätere öffentli[X.]he Restitution ni[X.]ht hindert; sie s[X.]heidet nur aus, wenn über das Eigentum an dem zugeordneten Gegenstand verfügt wurde und der Erwerber gutgläubig ist. In allen übrigen Fällen kann die Restitution au[X.]h bei bestandskräftig gewordener früherer Zuordnung verfügt werden, ohne diese zuvor aufzuheben, für die im angegriffenen Urteil erwogene Anwendung des § 48 VwVfG besteht kein Anlass.

Dass die Zuordnung unter dem Vorbehalt späterer Restitution steht, bestätigt s[X.]hließli[X.]h § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Dana[X.]h kann die öffentli[X.]he Restitution von dem jeweiligen Eigentümer oder Verfügungsbere[X.]htigten verlangt werden. Das s[X.]hließt Eigentümer, die den Vermögenswert dur[X.]h Zuordnung erworben haben, mit ein. Das zugeordnete Eigentum ist daher mit eventuellen Restitutionsansprü[X.]hen quasi-dingli[X.]h belastet (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 7 [X.] - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 6). Folgeri[X.]htig sind der Erlass eines Zuordnungsbes[X.]heides oder dessen Bestandskraft ni[X.]ht als [X.] in § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] aufgeführt.

b) S[X.]hon aus diesen Gründen kann die Zuordnung des verfahrensgegenständli[X.]hen Vermögenswertes kein s[X.]hutzwürdiges Vertrauen der Klägerin begründen, den Vermögenswert behalten zu dürfen. Der ergangene Zuordnungsbes[X.]heid bindet im Übrigen na[X.]h § 2 Abs. 3 [X.] nur die am [X.] Beteiligten, zu denen der Beigeladene ni[X.]ht gehört.

2. Das Urteil beruht auf dem unri[X.]htigen Verständnis des [X.] von den Re[X.]htswirkungen einer Zuordnung und den dur[X.]h eine sol[X.]he vermittelten Re[X.]htspositionen. Die Ausführungen des [X.] zu § 2 Abs. 5 Satz 1 [X.] und § 51 VwVfG stellen keine revisionsre[X.]htli[X.]h fehlerfreie Alternativbegründung dar. Sie sollen die - unzutreffende - Annahme stützen, eine öffentli[X.]he Restitution komme erst na[X.]h Aufhebung einer den zu restituierenden Vermögenswert betreffenden Zuordnungsents[X.]heidung in Betra[X.]ht.

3. Das Urteil des [X.] stellt si[X.]h auf der Grundlage seiner ni[X.]ht wirksam gerügten Tatsa[X.]henfeststellungen ni[X.]ht aus anderen Gründen als ri[X.]htig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob dem Anspru[X.]h des Beigeladenen auf Restitution des verfahrensgegenständli[X.]hen Grundstü[X.]ks aus Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV i. V. m. § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 und § 7 Abs. 3 [X.] Restitutionsauss[X.]hlussgründe entgegenstehen, kann auf der Grundlage dieser Tatsa[X.]henfeststellungen ni[X.]ht abs[X.]hließend beurteilt werden.

Na[X.]h Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV i. V. m. § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 und § 7 Abs. 3 [X.] sind Vermögenswerte, die dem Zentralstaat oder den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) von einer anderen Körpers[X.]haft des öffentli[X.]hen Re[X.]hts unentgeltli[X.]h zur Verfügung gestellt worden sind, auf einen entspre[X.]henden fristgemäßen Antrag hin an diese Körpers[X.]haft unentgeltli[X.]h zurü[X.]kzuübertragen, soweit keine Auss[X.]hlussgründe bestehen.

a) Der Restitutionsantrag des Beigeladenen wahrt die Antragsfrist gemäß § 7 Abs. 3 [X.].

Die begehrte Restitution kann na[X.]h § 1 Abs. 6 [X.] nur auf Antrag erfolgen. § 1 Abs. 6 Halbs. 2 [X.] ist ni[X.]ht eins[X.]hlägig, weil keine Zuordnung na[X.]h § 1 Abs. 1 [X.] begehrt wird.

Die Antragsfrist endete gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] i. V. m. § 1 der Verordnung zur Verlängerung der Frist für die Stellung von Anträgen na[X.]h § 1 Abs. 4 sowie § 10 des [X.]sgesetzes ([X.] - [X.] vom 14. Juni 1994 - BGBl. I S. 1265) mit Ablauf des 31. Dezember 1995.

Der Antrag, der zahlrei[X.]he damals zum [X.] (VEG) A. gehörenden Grundstü[X.]ke umfasst, ist vor Ablauf dieser Frist bei der [X.] und damit bei einer der für die Ents[X.]heidung über Ansprü[X.]he auf öffentli[X.]he Restitution na[X.]h § 1 Abs. 4 i. V. m. § 1 Abs. 1 [X.] zuständigen Behörde eingegangen. Ob die [X.] bei Antragstellung na[X.]h § 1 Abs. 4 i. V. m. § 1 Abs. 1 bis 3 [X.] au[X.]h gerade für die Ents[X.]heidung über die vom Antrag umfasste verfahrensgegenständli[X.]he Flä[X.]he zuständig war, ist für die Fristwahrung unerhebli[X.]h.

Zahlrei[X.]he Besonderheiten des vermögenszuordnungsre[X.]htli[X.]hen Verfahrens spre[X.]hen dafür, dass die fristwahrende Antragstellung - abwei[X.]hend von dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensre[X.]ht (dazu vgl. [X.], in: [X.]/[X.], Verwaltungsre[X.]ht, § 31 VwVfG Rn. 71 m. w. N.) – keinen re[X.]htzeitigen Antragseingang gerade bei der zuständigen Behörde voraussetzt, sondern die re[X.]htzeitige Antragstellung bei einer der na[X.]h § 1 Abs. 4 i. V. m. § 1 Abs. 1 bis 3 [X.] zuständigen Behörden ausrei[X.]ht. Anders als § 30 Abs. 1 Satz 1 [X.] verlangen §§ 1 und 7 Abs. 3 [X.] ni[X.]ht ausdrü[X.]kli[X.]h, dass der Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden muss. Ein sol[X.]hes Erfordernis widersprä[X.]he au[X.]h dem Anliegen des Gesetzgebers, zügig Klarheit über die no[X.]h abzuarbeitenden öffentli[X.]hen Restitutionsansprü[X.]he zu s[X.]haffen (vgl. [X.]. 227/92 S. 1 ff.). Die na[X.]h § 1 Abs. 4 i. V. m. § 1 Abs. 1 bis 3 [X.] eins[X.]hlägigen Zuständigkeitsvors[X.]hriften sind weit verzweigt, wurden mehrfa[X.]h geändert und teils an entlegener Stelle normiert. Um den daraus folgenden Problemen Re[X.]hnung zu tragen, lässt § 1 Abs. 5 Satz 2 [X.] Zuständigkeitsvereinbarungen zu, die den Betroffenen ni[X.]ht zwangsläufig re[X.]htzeitig bekannt geworden sein müssen. In Zweifelsfällen ermä[X.]htigt § 1 Abs. 5 Satz 1 [X.] den [X.]minister der Finanzen, eine Zuständigkeitsbestimmung vorzunehmen, die stets erst na[X.]h Antragseingang und in Fällen, in denen der Antrag - wie hier - zahlrei[X.]he Vermögenswerte umfasste, wegen der langen Bearbeitungszeiten häufig erst na[X.]h Fristablauf mögli[X.]h war. Der sorgsame, auf die Minimierung von Verfahrensrisiken beda[X.]hte Antragsteller hätte diesen Unsi[X.]herheiten nur dur[X.]h vorsorgli[X.]he Stellung seines [X.] bei allen in Betra[X.]ht kommenden Behörden begegnen können. Der dadur[X.]h entstehende erhebli[X.]he zusätzli[X.]he Verwaltungsaufwand widersprä[X.]he dem Optimierungsziel des Zweiten Vermögensre[X.]htsänderungsgesetzes.

Jedenfalls ergibt si[X.]h die Unerhebli[X.]hkeit einer eventuellen sa[X.]hli[X.]hen Unzuständigkeit der Präsidentin der [X.] aus § 1 Abs. 7 [X.], der anordnet, dass Ents[X.]heidungen na[X.]h dem [X.]sgesetz ni[X.]ht wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Zuständigkeit angefo[X.]hten werden können. Dass der von einem öffentli[X.]hen Restitutionsanspru[X.]h Betroffene si[X.]h gegenüber der Behörde und dem Anspru[X.]hsteller ni[X.]ht auf eine Zuständigkeitsverletzung berufen können soll, während die Behörde, bei der der Antrag gestellt wurde, si[X.]h gegenüber dem [X.] auf einen Zuständigkeitsmangel berufen können soll, leu[X.]htet ni[X.]ht ein. Ebenso wenig ist begründbar, dass ein na[X.]h § 1 Abs. 7 [X.] unbea[X.]htli[X.]her Zuständigkeitsmangel zur Unwirksamkeit eines vor Fristablauf gestellten Antrags und damit entgegen dem Regelungszwe[X.]k do[X.]h zur Aufhebung des Bes[X.]heides führen soll.

b) Das [X.] hat das verfahrensgegenständli[X.]he Flurstü[X.]k na[X.]h den von den Beteiligten ni[X.]ht wirksam gerügten Sa[X.]hverhaltsfeststellungen des [X.] unentgeltli[X.]h zur Verfügung gestellt. Dazu genügt, dass das Grundstü[X.]k im Zuge der Bodenreform ohne Gegenleistung aus dem bisherigen Eigentum des [X.] in den Bodenfonds und von dort in das Eigentum des Volkes überführt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 7 [X.] - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 4 f.). Der Beigeladene ist au[X.]h anspru[X.]hsbere[X.]htigt. Seine materielle Zuordnungsbere[X.]htigung ergibt si[X.]h daraus, dass § 11 Abs. 3 [X.] auf die Funktionsna[X.]hfolge abstellt und die [X.] an dem Ort, an dem das Flurstü[X.]k belegen ist, wegen der zwis[X.]henzeitli[X.]hen Gebietsänderung nun von dem Beigeladenen und ni[X.]ht vom [X.] wahrgenommen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1999 - 3 C 12.98 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 23 S. 4 f.).

[X.]) Restitutionsauss[X.]hlussgründe können auf der Grundlage der vorinstanzli[X.]hen Tatsa[X.]henfeststellungen weder bejaht no[X.]h ausges[X.]hlossen werden.

Die gemeinsame Erklärung der Regierung der [X.] und der [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990, wona[X.]h Ents[X.]heidungen im Rahmen der Bodenreform unantastbar bleiben sollten, steht dem Anspru[X.]h des Beigeladenen ni[X.]ht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1999 - 3 C 2.98 - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 32 S. 3 f.). § 1 Abs. 8 Bu[X.]hst. a [X.] ist im [X.]sre[X.]ht ni[X.]ht anwendbar. In § 11 [X.] findet si[X.]h keine entspre[X.]hende Regelung.

Ob der [X.] des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] der Verwendung im komplexen Wohnungs- oder Siedlungsbau vorliegt, kann auf der Grundlage der Tatsa[X.]henfeststellungen des [X.] ni[X.]ht beurteilt werden. Na[X.]h dieser Vors[X.]hrift ist die öffentli[X.]he Rü[X.]kübertragung ausges[X.]hlossen, wenn der begehrte Vermögensgegenstand am 3. Oktober 1990 im komplexen Wohnungs- oder Siedlungsbau verwendet wurde, für ihn konkrete Ausführungsplanungen für eine sol[X.]he Verwendung vorlagen oder wenn bei ihm die Voraussetzungen des § 1a Abs. 4 Satz 3 [X.] (zur Wohnungswirts[X.]haft genutztes Vermögen, das ni[X.]ht in [X.] der ehemals volkseigenen Betriebe der Wohnungswirts[X.]haft befindli[X.]h war, diesen oder der [X.] aber zur selbständigen Bewirts[X.]haftung und Verwaltung übertragen worden war) gegeben waren. Der Begriff des komplexen Wohnungs- oder [X.] ist na[X.]h der Gesetzesbegründung ([X.]. 12/5553 S. 170) ähnli[X.]h zu bestimmen wie in § 5 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] [X.]. Er ist nur insofern weiter, als s[X.]hon die Einbeziehung in zum Sti[X.]htag vorliegende Ausführungsplanungen genügt. Kennzei[X.]hnend für eine Verwendung von Grundstü[X.]ken oder Gebäuden im komplexen Wohnungs- oder Siedlungsbau ist, dass sie dauerhaft in eine planeris[X.]he und städtebauli[X.]he Einheit eingebunden sind, die in Umsetzung eins[X.]hlägiger wohnungs- oder siedlungsbauli[X.]her Vors[X.]hriften eine - wenn au[X.]h seinerzeit mögli[X.]herweise no[X.]h ni[X.]ht mit diesen Begriffen bezei[X.]hnete - komplexe Vielfalt der Bebauung sowie sonstiger Nutzung aufweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 1996 - 7 C 24.96 - [X.] 428 § 5 [X.] Nr. 11 S. 19). Der [X.] ist gegeben, wenn eine so entstandene Einheit dur[X.]h ein Herauslösen der zurü[X.]kverlangten Grundstü[X.]ke oder Gebäude gefährdet oder zerstört würde.

Wird ein Grundstü[X.]k, wie das verfahrensgegenständli[X.]he, selbst ni[X.]ht unmittelbar zu Wohnzwe[X.]ken genutzt, kann es nur dann in einen komplexen Wohnungs- oder Siedlungsbau einbezogen sein, wenn es mit seiner Nutzung auf in der Nähe erri[X.]htete Wohngebäude bezogen ist und mit diesen eine funktionale, vernünftigerweise ni[X.]ht trennbare Einheit bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2001 - 7 C 11.00 - [X.] 428 § 4 Abs. 1 [X.] Nr. 5 LS 1 und S. 19 f.). Bei Garagengrundstü[X.]ken setzt dies voraus, dass Garagen speziell dem [X.] der Bewohner des zugehörigen Grundstü[X.]ks und ni[X.]ht beliebigen Nutzern dienen (vgl. BVerwG, Bes[X.]hlüsse vom 4. August 1999 - 7 B 80.99 - [X.] 1999, 458 und vom 7. Juni 2002 - 3 B 75.02 - [X.] 2002, 365).

Zu diesen Voraussetzungen hat das Verwaltungsgeri[X.]ht auf der Grundlage seiner Re[X.]htsauffassung konsequent keine tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen getroffen.

4. Mangels ausrei[X.]hender tatsä[X.]hli[X.]her Feststellungen ist keine abs[X.]hließende Beurteilung der Restitutionsvoraussetzungen und damit keine Ents[X.]heidung in der Sa[X.]he (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) mögli[X.]h. Das angefo[X.]htene Urteil ist daher aufzuheben und die Sa[X.]he an das Verwaltungsgeri[X.]ht zurü[X.]kzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Es wird im zurü[X.]kverwiesenen Verfahren insbesondere zu klären haben, ob die in der Nähe des verfahrensgegenständli[X.]hen Grundstü[X.]ks befindli[X.]hen Gebäude zu einer Einheit des komplexen Wohnungs- oder [X.] gehören und, [X.], ob die auf dem verfahrensgegenständli[X.]hen Grundstü[X.]k befindli[X.]hen Garagen mit ihnen in dem na[X.]h § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] erforderli[X.]hen funktionalen Zusammenhang stehen.

Meta

8 C 4/22

12.07.2023

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Halle (Saale), 30. September 2021, Az: 1 A 87/19 HAL, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.07.2023, Az. 8 C 4/22 (REWIS RS 2023, 7788)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7788

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