Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.2011, Az. VII B 110/09

7. Senat | REWIS RS 2011, 980

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Gegenstand

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen gleichzeitiger Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH


Leitsatz

1. NV: Wird der Rechtsstreit von den Beteiligten im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde übereinstimmend für erledigt erklärt, ist die Entscheidung der Vorinstanz wirkungslos und vom BFH über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden .

2. NV: Das organschaftliche Handeln eines GmbH-Geschäftsführers wird vom gewerblichen Charakter der Unternehmenstätigkeit der GmbH geprägt .

3. NV: Über die Zulassung einer Ausnahme von der Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG wird nicht durch gesonderten Bescheid entschieden. Lässt die Steuerberaterkammer keine Ausnahme zu, ist diese daher nicht auf dem Verwaltungsrechtsweg zu erstreiten. Vielmehr ist die Ausnahmemöglichkeit als Vorfrage im Rahmen des Widerrufs der Bestellung zu prüfen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater und war zugleich Geschäftsführer einer [X.]. Da er nicht bereit war, seine Geschäftsführertätigkeit aufzugeben, widerrief die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die Steuerberaterkammer) die Bestellung des [X.] als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 57 Abs. 4 Nr. 1 des [X.] (StBerG).

2

Das Finanzgericht ([X.]) hat die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hat, die GmbH habe ihre Tätigkeit eingestellt und seine Geschäftsführertätigkeit diene nur ihrer Abwicklung, abgewiesen.

3

Hiergegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, mit der er verschiedene, seiner Ansicht nach klärungsbedürftige Rechtsfragen bezeichnet hat.

4

Darüber hinaus hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Steuerberaterkammer müsse in seinem Fall gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 StBerG eine Ausnahme von dem Verbot gewerblicher Tätigkeit zulassen. Da die Steuerberaterkammer jedoch die beantragte Ausnahme abgelehnt hat, hat der Kläger Klage vor dem [X.] ([X.]) auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung erhoben, die das [X.] jedoch mit Urteil vom 6. Juli 2009 abgewiesen hat. Da dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist, hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 4. März 2010 das Beschwerdeverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt.

5

Mit Bescheid vom … hat die Steuerberaterkammer den angefochtenen Widerrufsbescheid aufgehoben, da die [X.] gelöscht sei und der Kläger die Funktion ihres Geschäftsführers somit nicht mehr ausübe. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

6

II. 1. Mit der Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ist die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingetreten (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 138 Rz 3). Damit besteht kein Grund mehr für die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens, das deshalb wieder aufzunehmen ist.

7

2. Das angefochtene Urteil des [X.] einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung ist mit der Erledigung des Rechtsstreits gegenstandslos geworden. Der Senat hat nunmehr über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (vgl. Beschluss des [X.] vom 17. Dezember 2002 [X.]/00, [X.] 2003, 785, m.w.N.).

8

3. Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) liegen nicht vor, denn die Aufhebung des [X.] beruht nicht auf der seitens der Steuerberaterkammer erkannten Rechtswidrigkeit des Bescheids, sondern auf einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sachlage, die es nicht gestattet, den Widerrufsbescheid aufrechtzuerhalten (vgl. Senatsbeschluss vom 28. April 1992 [X.], [X.] 1993, 320). Die Kostenentscheidung ist daher gemäß § 138 Abs. 1 [X.]O nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Bei der Ausübung dieses Ermessens bedarf es weder einer Sachaufklärung noch einer Beantwortung ungeklärter Rechtsfragen; vielmehr genügt eine bloße summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (Senatsbeschlüsse vom 14. Februar 1989 [X.]-39/87, [X.] 1989, 679, und vom 27. April 1993 [X.], [X.] 1993, 761).

9

Nach Ansicht des Senats entspricht es im Streitfall billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben, weil es als offen anzusehen ist, wie der Rechtsstreit ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses ausgegangen wäre.

a) Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist eine gewerbliche Tätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbar. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen nicht.Das [X.] hat die Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG, die bis zum Inkrafttreten des [X.] zur Änderung des [X.] am 12. April 2008 keine Ausnahmegenehmigung beinhaltete, als mit Art. 12 des Grundgesetzes in Einklang stehend angesehen (Beschluss vom 15. Februar 1967  1 BvR 569, 589/62, [X.] 21, 173) und hat mit Beschluss vom 4. November 1992  1 BvR 79/85, 643/87, 442/89, 238/90, 1258/90, 772/91, 909/91 ([X.] 87, 287) die Interessenkollision bei gewerblicher Tätigkeit eines Steuerberaters hervorgehoben sowie auf die insoweit unterschiedliche Interessenlage bei Rechtsanwälten hingewiesen. Der beschließende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. zuletzt: Senatsurteil vom 17. Mai 2011  VII R 47/10, [X.], 379, [X.], 49, m.w.N.).

b) Zu Recht hat das [X.] entschieden, dass der Kläger als (damaliger) Geschäftsführer der [X.] gewerblich tätig war, weil sein organschaftliches Handeln für die GmbH notwendig vom gewerblichen Charakter ihrer Unternehmenstätigkeit geprägt war (vgl. das vom [X.] angeführte Urteil des [X.] vom 29. Februar 1988 [X.] (R) 1/87, BGHSt 35, 232; sowie das Senatsurteil in [X.], 379, [X.], 49 m.w.N.).

c) [X.] des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG eröffnet der Steuerberaterkammer allerdings die Möglichkeit Ausnahmen zuzulassen, soweit durch die gewerbliche Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. Zu prüfen ist dabei, ob im konkreten Fall ausnahmsweise die Verletzung von Berufspflichten ausgeschlossen werden kann, da sonst --falls es auch insoweit allein auf die abstrakte Gefahr einer solchen Verletzung ankäme-- die Zulassung einer Ausnahme regelmäßig nicht in Betracht käme (Senatsurteil in [X.], 379, [X.], 49).

Das [X.] hat im Streitfall die Zulassung einer solchen Ausnahme nicht geprüft, weil es möglicherweise der Ansicht war, diese müsse --wie vom Kläger veranlasst-- auf dem Verwaltungsrechtsweg erstritten werden. Für diese Ansicht könnte sprechen, dass sich § 57 StBerG im dritten Abschnitt des zweiten Teils des StBerG befindet, den § 33 Abs. 1 Nr. 3 [X.]O nicht erwähnt. Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass über die Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 StBerG nicht eine isolierte Entscheidung in einem gesonderten Verfahren zu treffen, sondern sie lediglich eine zu beantwortende Vorfrage bei einer gemäß § 40 Abs. 3 Nr. 2 StBerG zu versagenden bzw. gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG zu widerrufenden Bestellung als Steuerberater ist (so auch Senatsurteil in [X.], 379, [X.], 49).

Im Streitfall ist somit davon auszugehen, dass der beschließende Senat --ohne den Eintritt des erledigenden [X.] wegen der vorstehend beschriebenen, bisher höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage die Revision gegen das [X.]-Urteil zugelassen und in dem anschließenden Revisionsverfahren die Sache an das [X.] zurückverwiesen hätte, damit das [X.] prüft, ob sich die Verletzung von Berufspflichten trotz gewerblicher Tätigkeit des [X.] ausnahmsweise ausschließen lässt. Der voraussichtliche Ausgang einer solchen Prüfung ist offen.

Meta

VII B 110/09

29.11.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 26. Februar 2009, Az: 2 K 1863/08, Urteil

§ 46 Abs 2 Nr 1 StBerG, § 57 Abs 4 Nr 1 StBerG, § 33 Abs 1 Nr 3 FGO, § 138 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.2011, Az. VII B 110/09 (REWIS RS 2011, 980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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7 BV 14.1923 (VGH München)

Steuerberater, Gewerbliche Tätigkeit, Interessenkollision


Referenzen
Wird zitiert von

8 C 26/11

8 C 6/12

1 BvR 2912/11

Zitiert

VII R 47/10

Zitieren mit Quelle:
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