Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2016, Az. 3 StR 435/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 390

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:201216B3STR435.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 435/16
vom
20. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen

alias:

wegen
Werbung um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung

im Ausland u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag und ein-stimmig -
am 20.
Dezember 2016 beschlossen:
1.
Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur [X.] der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 14.
Juni 2016 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den [X.] gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

Damit ist der Beschluss des [X.] vom 22.
September 2016, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils
auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs.
2 [X.]).
3.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:
Der Verurteilung des Angeklagten wegen Billigung von Straftaten gemäß §
140 Nr.
2 i.V.m. §
126 Abs.
1 Nr.
2 [X.] liegt ein mit dem Angeklagten [X.] zugrunde, in dem er zwei in [X.] von Mitgliedern des -
3
-
sog. [X.] ([X.]) vor laufender Kamera ausgeführte Tötungen von in dessen Gewalt befindlicher Gefangenen nachträglich guthieß.
Zum einen handelt es sich um einen [X.] Journalisten, der im August 2014 ge-köpft worden war, zum anderen um einen jordanischen Militärpiloten, der im Februar
2015 bei lebendigem Leib verbrannt worden war. Das [X.] hat beide Tötungen als
Kriegsverbrechen gegen Personen nach §
8 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. Abs.
6 Nr.
1 [X.], somit Katalogtaten nach §
126 Abs.
1 Nr.
2 [X.],
bewertet.
Diese rechtliche Beurteilung ist insoweit nicht frei von Bedenken, als §
8 Abs.
6 Nr.
1 [X.] allein den internationalen bewaffneten Konflikt betrifft. [X.] ist ein Krieg oder eine sonstige mit Waffengewalt ausgetragene Ausei-nandersetzung zwischen zwei oder mehreren [X.] zu verstehen, während der nichtinternationale bewaffnete Konflikt solche Auseinandersetzungen
er-fasst, bei denen [X.] innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaff-nete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die
Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind (vgl.
Senat, Beschluss vom 17.
November 2016 -
AK
54/16, juris Rn.
23; MüKo[X.]/[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
8 [X.] Rn.
98, 108, 115
ff. [X.]).
Danach war der Bürgerkrieg in [X.] zumindest anfänglich ein nichtin-ternationaler bewaffneter Konflikt. Dazu, ob und gegebenenfalls seit wann er durch das
Eingreifen ausländischer Kräfte so
weit "internationalisiert" worden ist, dass mittlerweile von einem internationalen bewaffneten Konflikt auszuge-hen wäre (vgl. zur [X.] bewaffneter Konflik-te MüKo[X.]/[X.]/[X.]
aaO,
Rn. 101 ff.),
verhält sich das angefoch-tene Urteil nicht. Die für August 2014 und Februar
2015 vorzunehmende Beur-teilung versteht sich auch nicht von selbst (vgl. Senat, Beschluss vom 17.
November 2016 -
AK
54/16, aaO Rn.
24: zumindest im [X.] 2012 noch -
4
-
kein internationaler bewaffneter Konflikt). Hierüber braucht der Senat allerdings nicht zu entscheiden.
Hinsichtlich des jordanischen Piloten kann die Frage schon deshalb da-hinstehen, weil er jedenfalls nach dem für beide Alternativen (internationaler
oder [X.] bewaffneter Konflikt) geltenden §
8 Abs.
6 Nr.
3 [X.] taugliches Tatobjekt eines Kriegsverbrechens gegen Personen sein konnte.
Ob der [X.] Journalist für den Fall, dass die Kampfhandlungen in [X.] im August 2014 als ein [X.] bewaffneter Konflikt zu beurteilen wären, zu den nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Personen im Sinne von §
8 Abs.
6 [X.] zählt,
bedarf hingegen näherer Be-trachtung:
Der Wortlaut des -
insoweit allein in Betracht kommenden -
§
8 Abs.
6 Nr.
2 [X.] stellt unter anderem darauf ab, dass sich die Person, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnimmt, "in der Gewalt der gegnerischen Partei" befindet (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 17.
November 2016
-
AK
54/16, aaO Rn.
26). Ob der [X.] im Verhältnis zu dem [X.] Jour-nalisten als eine solche gegnerische Partei anzusehen ist,
ist
fraglich. In tat-sächlicher Hinsicht lässt sich dem Urteil nicht hinreichend entnehmen, wie er in den Konflikt eingebunden war; es fehlen Feststellungen dazu, ob er nicht auch neutraler Kriegskorrespondent gewesen sein und keiner im Bürgerkrieg invol-vierten Gruppierung angehört haben kann.
Die Auslegung der in §
8 Abs.
6 Nr.
2 [X.] normierten Merkmale "in der Gewalt der gegnerischen Partei" ist in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt (vgl. auch BT-Drucks. 14/8524, S.
30: "in der gegnerischen Gewalt [X.] Zivilpersonen"). Den einschränkenden Zusatz hat der Gesetzgeber in -
5
-
Anlehnung an Art.
4 Abs.
1 des IV.
Genfer Abkommens vom 12.
August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (BGBl.
1954 II,
S.
917), auf den §
8 Abs.
6 Nr.
1 [X.] für den internationalen bewaffneten Konflikt tatbe-standsbegrenzend verweist, in die Regelung des §
8 Abs.
6 Nr.
2 [X.] auf-genommen (vgl. MüKo[X.]/[X.]/[X.] aaO, Rn.
91
f.). Art.
4 Abs.
1 des IV.
Genfer Abkommens schützt in einem internationalen bewaffneten [X.] Personen, die sich im Machtbereich einer hieran beteiligten Partei oder [X.] Besatzungsmacht befinden, "deren Angehörige
sie nicht sind". Ob dement-sprechend für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Legaldefinition des §
8 Abs.
6 Nr.
2 [X.] sämtliche in der Gewalt einer Konfliktpartei befind-liche
Zivilpersonen
erfasst, soweit sie ihr -
im Sinne einer allein negativen Ab-grenzung -
nicht angehören (so MüKo[X.]/[X.]/[X.] aaO, Rn.
93) oder ob etwa einer solchen Deutung der die äußerste Grenze
jeder Auslegung
bestimmende Wortsinn
der Vorschrift ("der gegnerischen Partei") entgegen-steht, kann der Senat hier indes ebenfalls offen lassen.
Katalogtaten im Sinne des §
126 Abs.
1 Nr.
2 [X.] sind nicht nur [X.] Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, sondern auch Mord (§
211 [X.]) und Totschlag (§
212 [X.]). Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen
begingen die Mitglieder des [X.] durch die Tötung des amerikani-schen Journalisten jedenfalls einen Totschlag.
Auf dieses -
im Ausland von Ausländern an einem Ausländer begange-ne
-
Delikt ist zwar nach §§
3
ff. [X.] [X.] Strafrecht nicht anwendbar; die Vorschrift des §
1 [X.], nach der der fehlende Inlandsbezug insoweit [X.] ist, gilt nur für die dort in Bezug genommenen Tatbestände nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Taugliches Objekt der Billigung im Sinne von §
140 Nr.
2 [X.] ist jedoch auch eine nicht dem Anwendungsbereich des [X.] Strafrechts unterfallende Auslandskatalogtat, wenn sie zur Störung des inländi--
6
-
schen öffentlichen Friedens geeignet ist. Denn es geht hierbei nicht um die strafrechtliche Ahndung dieser Katalogtat. Die Verherrlichung von [X.] kann in gleicher Weise wie die von Inlandstaten auch in [X.] die allgemeine Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte fördern und das Ver-trauen der Bevölkerung in die öffentliche Sicherheit erschüttern (zu den Schutz-richtungen des §
140 Nr.
2 [X.] s. [X.], Urteil vom 9.
August 1977 -
1
StR 74/77, NJW 1978, 58, 59). Für die Strafbarkeit wegen Billigung von Straftaten ist daher diese kriminogene Inlandswirkung einer Auslandstat erforderlich, aber auch ausreichend. Eine Strafbarkeit
scheidet demgegenüber aus, wenn auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten im Ausland (zum [X.] s. [X.], Urteil vom 17.
Dezember 1968 -
1
StR 161/68, [X.]St
22, 282, 283
ff.) eine solche Wirkung ausgeschlossen erscheint (vgl. zum Ganzen -
zu-mindest im Ergebnis wie hier -
LG Berlin, Urteil vom 12.
Mai 2004 -
(563) 81
Js 1640/02 (20/03), juris Rn.
25; LK/Hanack, [X.], 12.
Aufl., §
140 Rn.
10; MüKo[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
140 Rn.
9; NK-[X.]-Ostendorf, 4.
Aufl., §
140 Rn.
10
f.; S/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
140 Rn.
2; offen gelassen von [X.], Urteil vom 17.
Dezember 1968 -
1
StR 161/68, aaO; [X.], [X.], 64.
Aufl., §
140 Rn.
4; [X.] [X.]/[X.], §
140 Rn.
9; SK-[X.]/[X.]/[X.], 68.
Lfg., §
140 Rn.
5). Dass die Äußerungen des Ange-klagten geeignet waren, den öffentlichen Frieden in [X.] zu stören, hat das [X.] im Einzelnen dargelegt (UA S.
46
ff.).
§
265 [X.] steht der Subsumtion einer der beiden vom Angeklagten ge-billigten Taten unter den Straftatbestand des Totschlags nicht entgegen. Es handelt sich schon nicht um eine wesensverschiedene Tatbestandsalternative des §
140 Nr.
2 i.V.m. §
126 Abs.
1 Nr.
2 [X.] (vgl. zum Kriterium der [X.] bezüglich der Begehungsform [X.], Urteil vom 19.
Januar 1984 -
4
StR 742/83, [X.], 328, 329; Beschluss vom 21.
Januar 1997
-
5
StR 592/96, [X.], 173; [X.] [X.]/[X.], §
265 Rn.
9; -
7
-
LR/[X.], [X.], 26. Aufl., §
265 Rn.
25, [X.]. [X.]). Darüber hinaus [X.] sich der -
geständige -
Angeklagte bei einem entsprechenden Hinweis
nicht anders oder gar besser als geschehen verteidigen
können. Auch §
8 Abs.
1 Nr.
1 [X.] setzt die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen voraus, was in der Anklageschrift der [X.] vom 21.
Dezember 2015 unter Punkt II.
5 des Wesentlichen Ergebnisses der Ermitt-lungen eindeutig ausgeführt ist.
[X.] Schäfer Gericke

Tiemann

Berg

Meta

3 StR 435/16

20.12.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2016, Az. 3 StR 435/16 (REWIS RS 2016, 390)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 390

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