Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2020, Az. StB 15/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11572

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:260520BSTB15.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]B 15/20

vom
26. Mai 2020
in dem [X.]rafverfahren
gegen

wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.

-
2
-
Der 3.
[X.]rafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und seiner Verteidiger am 26.
Mai 2020 gemäß §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 Nr.
1 [X.]PO beschlossen:

1.
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 20.
März 2020 wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte befindet sich seit dem 8.
November 2016 in Unter-suchungshaft, zunächst aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 26.
Oktober 2016 (2
BGs
711/16) und nunmehr aufgrund Haftbefehls des [X.] vom 22.
August 2017. Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe im Juli und
August 2015 in H.

durch dieselbe Handlung eine Vereinigung im Aus-
land ("[X.]"; im Folgenden: [X.]) unterstützt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu begehen, Vermögenswerte mit dem Wissen und in der Absicht zur Verfügung gestellt, dass diese von einer 1
-
3
-
anderen Person zur Begehung einer [X.]raftat nach §
89a Abs.
2a [X.]GB verwen-det werden sollen, einem anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begange-ner rechtswidriger Tat -
der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat durch das Unternehmen der Ausreise aus der Bundesrepublik [X.]
-
Hilfe geleistet und vorsätzlich andere
zu deren vorsätzlich [X.] rechtswidrigen Taten -
drei Fällen des Betruges
-
bestimmt (strafbar gemäß §
89a Abs.
2a, 1 und 2 Nr.
1, §
89c Abs.
1 Satz
1 Nr.
8, §
129a Abs.
5 Satz
1, Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1 und 2, §
263 Abs.
1, §
25 Abs.
2, §§
26, 27, 52 [X.]GB).
Der Senat hat mit Beschluss vom 21.
September 2017 (AK
44-48/17)
-
nach einem vorangegangenen Beschluss vom 1.
Juni 2017 (AK
20-24/17)
-
die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Seit dem 26.
September 2017 führt das [X.] die Hauptverhandlung gegen den [X.] wegen des dem Haftbefehl zugrundeliegenden Geschehens sowie gegen drei Mitangeklagte; das Verfahren gegen einen weiteren Mitangeklagten hat es zwischenzeitlich abgetrennt. Mit Beschluss vom 20.
März
2020 hat es den Antrag des Angeklagten abgelehnt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der insbe-sondere gerügt wird, der Tatverdacht sei in einer Weise entfallen, dass die Fortdauer der Untersuchungshaft unverhältnismäßig sei. Das Oberlandesge-richt hat der Beschwerde mit näherer Begründung nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 Nr.
1 [X.]PO zulässige Be-schwerde ist unbegründet. Das [X.] hat den Antrag auf Auf-hebung, hilfsweise Außervollzugsetzung, des Haftbefehls zurecht abgelehnt.
2
3
-
4
-
1.
In Bezug auf den im Haftbefehl genannten Tatvorwurf besteht weiter-hin dringender Tatverdacht gemäß §
112 Abs.
1 Satz
1 [X.]PO.
a)
Im Sinne eines solchen Verdachts ist von folgendem Sachverhalt [X.]:
Der Angeklagte gehörte ebenso wie die Mitangeklagten der salafistisch-dschihadistischen Szene in [X.] an und bekannte sich zur Organisation [X.] sowie zu deren Ideologie. Er und der frühere Mitangeklagte

Y.

beteiligten sich an Aktivitäten der Mitangeklagten, andere Personen zur [X.] in das vom [X.] kontrollierte Gebiet und zum [X.] an diesen zu animie-ren. Er fungierte als "rechte Hand" des Mitangeklagten [X.]

("

"),
der bei
salafistisch-dschihadistischen Islamisten als führende Autorität galt.
Der Angeklagte schlug den Ausreisewilligen O.

und S.

während
ihres Aufenthalts in H.

zum Abschluss des Ramadans im Juli 2015 vor,
vor ihrer Ausreise betrügerisch auf Darlehensbasis hochwertige [X.] zu erwerben. Zudem sagte er ihnen zu, derart erlangte Geräte zur verdeck-ten Ausreisefinanzierung anzukaufen. Bei einem weiteren Gespräch in H.

am 27.
Juli 2015 erörterten sie Einzelheiten hierzu.
Der Angeklagte sowie
der ebenfalls anwesende frühere Mitangeklagte

Y.

machten etwa
Vorgaben zur technischen Ausstattung der Geräte und überzeugten die beiden anderen, solche Gegenstände auf Kreditbasis zu erlangen. Ferner erteilten sie Anweisungen, wie sich die Ausreisewilligen im Vorfeld der Ausreise verhalten sollten, und besprachen Reisewege. Daraufhin schloss der gesondert abge-urteilte O.

am 1.
August 2015 unter Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit
und -willigkeit in unmittelbarem Zusammenhang zwei Kaufverträge jeweils über [X.] iPhone
6 zum Preis von 739

.

erwarb entsprechend
4
5
6
7
-
5
-
am 4.
August 2015 zwei solche Geräte in zwei verschiedenen Geschäften. Sie übergaben die Mobiltelefone und ein [X.] am 5.
August 2015 dem Ange-klagten, der dafür zur Finanzierung der Ausreisen etwa 1.000

.

und
rund 1.500

.

zahlte. Dieser reiste am 8.
August 2015 mit
dem Pkw in die [X.], gab dort jedoch seine Absicht auf, zum [X.] weiterzurei-sen, sich militärisch unterweisen zu lassen und zu kämpfen. O.

reiste ab
dem 8.
August 2015 auf dem mit dem Angeklagten und

Y.

bespro-
chenen Weg über [X.] sowie [X.] in die [X.] und von dort schließlich nach [X.]. Er schloss sich etwa Ende August 2015 dem [X.] an, wandte sich von diesem aber nach kurzer Zeit abgeschreckt und desillusioniert ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten, namentlich zum [X.], wird auf den Haft-befehl und den Beschluss vom 20.
März 2020 Bezug genommen.
b)
Der dringende Tatverdacht ergibt sich nach dem Akteninhalt und der bislang durch das [X.] durchgeführten, in dessen Beschlüssen vom 15.
Mai 2019, 3.
Dezember 2019, 20.
März 2020 und 27.
April 2020 mitge-teilten Beweisaufnahme im Wesentlichen aus
der Aussage der Zeugen O.

und T.

, den über [X.] in die Hauptverhandlung eingeführ-
ten Angaben der Vertrauensperson "

", der Einlassung des früheren Mitan-
geklagten

Y.

sowie -
in Bezug auf den [X.]
-
den Ausführungen des
Sachverständigen

[X.].

. Das bisherige Beweisergebnis entkräftet die
durch einen Verteidiger verlesene Einlassung des Angeklagten, soweit sie dem zugrunde gelegten Sachverhalt entgegensteht.
aa)
Dabei ist zu beachten, dass die Beurteilung des dringenden Tatver-dachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vor-nimmt, im [X.] nur in eingeschränktem Umfang der Nach-8
9
10
-
6
-
prüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener An-schauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewer-ten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat [X.] keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweis-aufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt wer-den, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer [X.] tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts an die Begründungstiefe von [X.] zu stellen sind, ausreichend Rechnung
getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffen-den Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das [X.] und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das [X.] führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschluss vom 13.
Juni 2019 -
[X.]B
13/19, juris Rn.
27 [X.]).
bb)
Nach diesen Maßstäben ist das vorläufige Beweisergebnis des Ober-landesgerichts einer Prüfung zugänglich und nicht zu beanstanden.
Das [X.] hat über die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Beweiserhebungen hinaus diese zugleich bewertet und sich detailliert mit den in der Beschwerdeschrift vorgebrachten Bedenken schlüssig auseinander-11
12
-
7
-
gesetzt. Einer noch tiefergehenden Darstellung der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse hat es nicht bedurft, um eine Beurteilung des Tat-verdachts zu ermöglichen und diesen auch unter Berücksichtigung der in der Beschwerdebegründung im Einzelnen erhobenen Einwände als nachvollziehbar anzusehen. Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung im angefochte-nen Beschluss als lückenhaft betrachtet und dazu im Wesentlichen eigene [X.] vornimmt, kommt es im Ergebnis nicht darauf an, dass damit überhöhte
Anforderungen an die Haftentscheidung gestellt werden; denn das [X.] hat jedenfalls in seinem weiteren Beschluss die insofern vermissten Ge-sichtspunkte erörtert. Für eine umfassende Würdigung ist letztlich die [X.] Bewertung nach Abschluss der Beweisaufnahme bestimmt.
Dies gilt auch, soweit die Verteidiger aufgrund einer aktuellen Zeugen-vernehmung in der Hauptverhandlung am 19.
Mai 2020 davon ausgehen, die Angaben des Zeugen O.

dazu, dass der Angeklagte als "rechte Hand" des

Mitangeklagten [X.]

fungiert habe, sei widerlegt. Selbst wenn sich aus den
neuen, augenscheinlich auf [X.] beruhenden Erkenntnissen ergeben sollte, dass der Zeuge O.

gegenüber einem Journalisten andere Angaben
gemacht hat als gegenüber
den [X.]rafverfolgungsbehörden und dem Gericht, bedürften solche Abweichungen der Beurteilung aus dem Inbegriff der [X.]. Wie das [X.] beispielsweise näher aufgezeigt hat, hat die "

" berichtet, der Mitangeklagte [X.]

habe im Zusammenhang
mit dem [X.] zweier anderer Personen den Angeklagten herbei-gerufen und ihn "als seinen 'Spezialisten für solche Dinge'" bezeichnet; weitere Erkenntnisse bestätigen logistische Tätigkeiten des Angeklagten im [X.] mit illegalen Ausreisen. Insgesamt teilt der Senat daher aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungsgrundlage die Einschätzung des 13
-
8
-
Beschwerdeführers nicht, die Beweiswürdigung des [X.]s mute "als grotesk an".
c)
Demnach hat sich der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Terrorismusfinanzierung, Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staats-gefährdenden Gewalttat und Anstiftung zum mehrfachen Betrug gemäß §
89a Abs.
2a, 1 und 2 Nr.
1, §
89c Abs.
1 Satz
1 Nr.
8, §
129a Abs.
5 Satz
1, §
129b Abs.
1 Satz
1 und 2, §
263 Abs.
1, §§
26, 27, 52 [X.]GB strafbar gemacht
(vgl. zur rechtlichen Würdigung näher [X.], Beschlüsse vom 1.
Juni 2017
-
AK
20-24/17, juris
Rn.
15
ff.; vom 8.
August
2019 -
[X.]B
19/19, juris Rn.
28
ff.; zur Anstiftung allgemein [X.], Urteil vom 25.
Oktober 2017 -
1
[X.]R
146/17, N[X.]Z-RR
2018, 80
f. [X.]). Hierfür ist es mit Blick auf die übrigen Unterstüt-zungshandlungen nicht entscheidend, ob allein der frühere Mitangeklagte

Y.

Kontakttelefonnummern an O.

übergab oder -
wie ursprünglich
angenommen
-
ebenfalls der Angeklagte.
2.
Der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 [X.]PO) besteht fort. Es ist insgesamt wahrscheinlicher, dass sich der Angeklagte -
sollte er auf freien Fuß gelangen
-
dem [X.]rafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stel-len wird.
Da er den vom [X.] bislang erhobenen Beweisen zufolge mit der verbotenen Ausreise anderer Personen aus [X.] sowie der Be-schaffung gefälschter Ausweisdokumente befasst war und der Mitangeklagte [X.]

ihn als "Spezialisten
für solche Dinge" bezeichnete, ist zu befürchten,
dass er weiterhin auf entsprechende Kontakte und Kenntnisse für eine eigene Flucht zurückgreifen kann. Seine zur Tat führende Grundhaltung, von der er 14
15
16
-
9
-
sich ausweislich der eingängig begründeten Wertung des [X.]s nicht abgewendet hat, bestärkt überdies Zweifel daran, dass er sich im Falle der Haftentlassung dem Verfahren weiter stellen werde. Hierbei ist zudem die
drohende [X.]rafe zu berücksichtigen, die nach Einschätzung des Tatgerichts innerhalb des nach §
129a Abs.
5 Satz
1 Halbsatz
1 [X.]GB eröffneten [X.]rafrah-mens von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe die Dauer der bisherigen Unter-suchungshaft deutlich übersteigen wird. Auch wenn die Kenntnisse des Ange-klagten von der [X.] für sich genommen keine Fluchtgefahr be-gründen, sind sie neben den bestehenden Auslandskontakten in die Gesamt-würdigung als ein Gesichtspunkt einzubeziehen, der einen Auslandsaufenthalt gegebenenfalls erleichtert.
Dem stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände gegen-über. Zwar ist der Angeklagte verheiratet und hält zu seiner Ehefrau ebenso wie zu den drei gemeinsamen Kindern Kontakt in der Untersuchungshaft; weitere Verwandte leben in [X.]. Allerdings ist ungewiss, inwieweit dies ihn von
einer Flucht abhielte, zumal -
wie etwa unterstützte Schleusungen von Familien zeigen
-
eine Ausreise mit Frau und Kindern nicht grundsätzlich ausscheidet. Anhaltspunkte für eine berufliche oder anderweitige besondere Verwurzelung sind nicht ersichtlich.
Der Zweck der Untersuchungshaft kann nach den gegebenen [X.] nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des §
116 [X.]PO erreicht werden.
3.
Der Vollzug der Untersuchungshaft steht weiterhin nicht außer [X.] zur Bedeutung der Sache und
der zu erwartenden [X.]rafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]PO).
17
18
19
-
10
-
a)
Der Entzug der Freiheit eines einer [X.]raftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig. Den vom [X.]and-punkt der [X.]rafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßig erscheinenden
Freiheitsbeschränkungen muss -
unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
-
der Freiheitsanspruch des nicht rechts-kräftig verurteilten Angeklagten als Korrektiv gegenübergestellt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt in diesem Zusammenhang auch, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden [X.]rafe steht, und setzt ihr unabhängig von der [X.]raferwartung Grenzen. Mit zu-nehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich regelmäßig das Ge-wicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen [X.]rafverfolgung. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die [X.] der [X.] in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen, aber auch die Anforderungen an den die [X.] rechtfertigenden Grund zunehmen (s. [X.],
Beschluss vom 21.
April 2016 -
[X.]B
5/16, N[X.]Z-RR
2016, 217
f.).
Das damit ausgesprochene Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfor-dert, dass die [X.]rafverfolgungsbehörden und [X.]rafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten [X.]rafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen spä-teren [X.]rafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn deren Fortdauer auf vermeidbarer Verfah-rensverzögerung beruht. Bei absehbar umfangreichen Verfahren ist stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro [X.] notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des 20
21
-
11
-
Verfahrensablaufs durchzuführen. Zu würdigen sind ferner die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende [X.]raferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 17.
Januar 2013 -
2
BvR
2098/12 [X.], juris Rn.
39
ff.; vom 23.
Januar 2019
-
2
BvR
2429/18, NJW
2019, 915 Rn.
57
f.; [X.], Beschluss vom 21.
April 2016 -
[X.]B
5/16, aaO).
b)
Demgemäß ist die Untersuchungshaft trotz ihrer erheblichen Dauer von inzwischen über dreieinhalb Jahren noch nicht unverhältnismäßig.
aa)
Das Verfahren und insbesondere die Hauptverhandlung sind, wie vom [X.] im angefochtenen Beschluss im Einzelnen dargelegt und vom Beschwerdeführer nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, bislang mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden. Zur [X.] bis zum Beginn der Hauptverhandlung nimmt der Senat auf die Ausführungen in seinen [X.]beschlüssen vom 1.
Juni 2017 (AK
20-24/17) und 21.
Sep-tember 2017 (AK
44-48/17) Bezug.
Im Folgenden haben die Hauptverhandlung in der nach dem Verfahrensstoff, der Zahl der Angeklagten und dem Akten-bestand besonders umfangreichen sowie schwierigen Sache inzwischen an über 190
Tagen stattgefunden und das [X.] regelmäßig an zwei
Tagen je Woche verhandelt. Hieraus errechnet sich bereits ohne Berücksichti-gung von Urlaubszeiten und Feiertagen eine durchschnittliche Verhandlungs-dichte von mehr als einem Tag pro Woche.
Ansatzpunkte für das [X.], den Abschluss der [X.] zusätzlich zu beschleunigen, ergeben sich nicht. Wie von ihm mitge-teilt, hat es die seinerseits im Rahmen der Amtsaufklärung für geboten [X.] Beweisaufnahme bereits seit mehreren Monaten beendet. Seither hat die 22
23
24
-
12
-
weiterhin zwei Mal wöchentlich stattfindende Hauptverhandlung allein Beweis-begehren der Verteidiger zum Gegenstand (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 22.
September 2016 -
[X.]B
29/16, N[X.]Z-RR
2017, 18, 19 [X.]). Insofern hat das
[X.] eine Verfahrensabtrennung hinsichtlich einzelner Angeklag-ter in Erwägung gezogen, die eine weitere Beweisaufnahme nicht für [X.] halten, die Voraussetzungen hierfür beim Angeklagten indes angesichts der ablehnenden Haltung der Verteidiger nicht als gegeben angesehen.
bb)
Insgesamt ist die zu erwartende Gesamtdauer der [X.] bis zu dem voraussichtlichen Abschluss des Verfahrens auch vor dem [X.] der im Raum stehenden [X.]raferwartung nicht als unverhältnismäßig zu bewerten. Das [X.] ist als das mit der Sache befasste Tatgericht nach Durchführung der von ihm für erforderlich gehaltenen Beweisaufnahme zu der vorläufigen Einschätzung gekommen, dass bei einer Anrechnung der Un-tersuchungshaft von (seinerzeit) drei Jahren und vier Monaten noch eine erheb-liche zu vollstreckende Freiheitsstrafe verbleibe und bis zum prognostizierten Abschluss der Hauptverhandlung vor Ende dieses Jahres die Dauer der Unter-suchungshaft nicht die voraussichtlich zu verbüßende Haftzeit überschreite. Dabei hat es die nach §
57 [X.]GB bestehende Möglichkeit, einen [X.]rafrest zur Bewährung auszusetzen, bedacht und erörtert.
cc)
Schließlich ist nicht entscheidend, dass das [X.] die Frage der Untersuchungshaft bei dem früheren Mitangeklagten

Y.

anders beurteilt hat als bei dem Beschwerdeführer; denn diese ist individuell zu
25
26
-
13
-
prüfen. Im Vergleich zum früheren Mitangeklagten bestehen ersichtliche Unter-schiede, beispielsweise in Bezug auf den Umfang und das vom Oberlandesge-richt angenommene Gewicht des Geständnisses.
Schäfer
Spaniol
Anstötz

Meta

StB 15/20

26.05.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2020, Az. StB 15/20 (REWIS RS 2020, 11572)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11572

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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