Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2023, Az. 3 StR 68/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4211

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Aufrechterhaltung bzw. erneute Anordnung einer Unterbringung in Entziehungsanstalt


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. November 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

2

1. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Zuschrift des [X.] dargelegten Gründen nicht durch.

3

2. Die auf die Sachrüge hin veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

4

Der Erörterung bedarf lediglich, dass das Tatgericht nicht über eine Maßregel nach § 64 StGB entschieden hat.

5

a) Dem liegt im Wesentlichen Folgendes zugrunde:

6

Die vom [X.] festgestellten Taten hatte der Angeklagte unter anderem zur Finanzierung seiner Drogensucht begangen. Dies hatte er auch mit den im gesamtstrafenfähigen Erkenntnis abgeurteilten Taten bezweckt, weswegen bereits das [X.]seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hatte. Von der Strafvollstreckungskammer war jene allerdings schon vor dem Urteil des [X.]s Mainz gemäß § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt worden.

7

b) Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] keine Entscheidung zu einer Unterbringung des Angeklagten getroffen hat.

8

aa) Eine Aufrechterhaltung der durch das [X.]angeordneten Maßregel kommt nicht in Betracht.

9

Dies folgt zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 StGB, der dahin verstanden werden könnte, im früheren Urteil angeordneter Maßnahmen seien stets aufrechtzuerhalten, soweit diese nicht ausnahmsweise „durch die neue Entscheidung“ gegenstandslos werden. Jedoch kann eine Maßregel darüber hinaus ebenfalls deshalb gegenstandslos geworden sein, weil sie auf andere Weise ihre Erledigung gefunden hat (vgl. LK/[X.]/[X.], StGB, 13. Aufl., § 55 Rn. 59; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 55 Rn. 38). § 55 Abs. 2 StGB trägt nämlich dem Umstand Rechnung, dass mit der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung diese die alleinige [X.] bildet. Ist aber eine im früheren Urteil angeordnete Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - erledigt, so fehlt es an der Notwendigkeit, gleichwohl über ihre Aufrechterhaltung zu befinden (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2003 - 4 [X.], [X.], 247, 248; Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 - 4 [X.], juris; vom 18. November 2015 - 4 [X.], juris Rn. 3).

bb) Die - erneute - Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt scheidet ebenfalls aus.

Dem Grundgedanken des § 55 StGB entsprechend soll der Täter auch im Bereich der Nebenfolgenentscheidung so gestellt werden, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten in dem „früheren“ Urteil gestanden hätte (vgl. [X.], Urteile vom 23. Juni 2009 - 5 StR 149/09, [X.]R StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 10 Rn. 10; vom 29. Mai 2008 - 3 [X.], [X.], 275, 276; Beschluss vom 6. Dezember 2017 - 4 StR 358/17, juris Rn. 8; LK/[X.]/[X.], StGB, 13. Aufl., § 55 Rn. 58). Daraus folgt:

Wäre schon zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Amtsgerichts [X.]zugleich über die vom [X.] Mainz abgeurteilten Taten entschieden und dabei die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, wäre die Maßregel mit der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer gemäß § 67d Abs. 5 StGB insgesamt erledigt gewesen. Damit wären auch die möglichen weiteren Rechtsfolgen einer Unterbringung nach § 64 StGB, etwa eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, nicht mehr in Betracht gekommen. Die abermalige Anordnung der Unterbringung liefe dieser Sach- und Rechtslage zuwider. Für die erneute Anordnung einer Maßregel ist daher jedenfalls dann kein Raum, wenn sie auch bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten nicht anders als in dem früheren Urteil hätte lauten können (vgl. [X.], Urteile vom 10. September 2003 - 1 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 9; vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, [X.]St 30, 305, 307).

Schäfer     

  

Anstötz     

  

Erbguth

  

Kreicker     

  

Voigt     

  

Meta

3 StR 68/23

19.04.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mainz, 10. November 2022, Az: 5 KLs 3200 Js 24744/19

§ 55 Abs 2 StGB, § 64 StGB, § 67d Abs 5 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2023, Az. 3 StR 68/23 (REWIS RS 2023, 4211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4211

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 358/17 (Bundesgerichtshof)

Aufrechterhalten von Maßregeln bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung


2 StR 378/15 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe: „Abstimmung“ einer Maßregelanordnung nach allgemeinem Strafrecht mit der Maßregelanordnung aus einer …


2 StR 378/15 (Bundesgerichtshof)


5 StR 525/22 (Bundesgerichtshof)

(Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs)


4 StR 477/17 (Bundesgerichtshof)

Entscheidung über Vollstreckungsreihenfolge bei Anordnung der Unterbringung in Entziehungsanstalt


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 428/23

Zitiert

4 StR 358/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.