Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2013, Az. 5 StR 462/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8034

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Gegenstand

Gegenstand des Strafurteils: Fehlende Identität angeklagter und abgeurteilter Taten bei einer Serie von Betrugsdelikten


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten B.     wird das Urteil des [X.] vom 12. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist; in diesem Umfang wird das Verfahren eingestellt.

Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten B.    entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Betruges unter Einbeziehung zweier in einem früheren amtsgerichtlichen Urteil verhängter Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung des § 264 [X.] gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a [X.] i.V.m. § 354 Abs. 1 [X.].

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s sorgte der Angeklagte unter anderem durch die Vereinnahmung von [X.] zur angeblichen Weiterleitung und das Überbringen von gefälschten Quittungen, Gerichtsurteilen und sonstigen Schreiben dafür, dass der schwer persönlichkeitsgestörte Mitangeklagte [X.] an der unrichtigen Annahme festhielt, mit erheblicher Gewinnaussicht an zwei – tatsächlich gar nicht existierenden – [X.] beteiligt zu sein. In dieser Fehlvorstellung befangen und damit gutgläubig erhielt der durch die [X.] demgemäß freigesprochene Mitangeklagte [X.] nach Hinweisen auf die zu erwartende Gewinnbeteiligung von Bekannten Darlehen von insgesamt knapp 100.000 € (zuzüglich weiterer, nicht verfahrensgegenständlicher Beträge). Dem Angeklagten [X.]  übergab er mindestens 200.000 € zur Weiterleitung an – in Wahrheit nicht existente – E.    -Mitarbeiter. Diese Beträge wollten sich [X.] , der Mitangeklagte [X.]und möglicherweise weitere Mittäter verschaffen.

3

Von dem einzigen ursprünglichen [X.], der Angeklagte [X.]habe einen versuchten Betrug dadurch begangen, dass er an der Täuschung eines potentiellen Darlehensgebers mitgewirkt habe, hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen. Darüber hinaus hat es eine Verurteilung betreffend den – in der Anklage nicht aufgeführten – Vorwurf eines in mittelbarer [X.]chaft begangenen Betruges zum Nachteil weiterer Darlehensgeber ausgeschlossen.

4

2. Im Umfang der Verurteilung des Angeklagten [X.]   war das Verfahren gemäß § 206a [X.] i.V.m. § 354 Abs. 1 [X.] einzustellen, weil es insoweit an den Verfahrensvoraussetzungen der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses fehlt.

5

[X.] (§ 264 Abs. 1 [X.]) ist der von der Anklage benannte geschichtliche Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Zur Tat im prozessualen Sinn gehört das gesamte Verhalten des [X.], soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt ([X.], Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 [X.], [X.], 355, und Beschluss vom 27. September 2011 – 3 [X.], [X.], 168, jeweils mwN). Bei der Untersuchung und Entscheidung muss die Identität der Tat gewahrt bleiben ([X.], Beschlüsse vom 27. September 2011 – 3 [X.], [X.], 168, und vom 10. November 2008 – 3 [X.], [X.], 146).

6

Letzteres ist hier nicht der Fall. Bei den [X.] zum Nachteil des Mitangeklagten [X.]handelt es sich um ein Geschehen, das zwar in einem gewissen Zusammenhang mit dem angeklagten versuchten Betrug zum Nachteil eines potentiellen Darlehensgebers steht, mit diesem jedoch nach der Lebensanschauung keinen einheitlichen Vorgang bildet. Die festgestellten [X.] sind im Vergleich zu den der Anklage zugrunde liegenden anders geartet und richten sich sowohl hinsichtlich des erzeugten oder aufrecht erhaltenen Irrtums als auch hinsichtlich des hervorgerufenen Vermögensschadens gegen ein anderes Opfer. Auch ein zeitliches oder örtliches Zusammenfallen mit dem [X.] ist nicht gegeben.

7

Die demnach prozessual eigenständige abgeurteilte Tat ist auch nicht aufgrund der übrigen Ausführungen im Anklagesatz und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen von der Anklage umfasst. Die Anklage beschränkt den Vorwurf ausdrücklich auf eine Handlung des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges, dem sich aufgrund der enumerativen Aufzählung der einzelnen Taten im Anklagesatz einzig die versuchte Erlangung eines Darlehens zum Nachteil des Zeugen S.    zuordnen lässt. Selbst wenn  – was nahe liegt – die von der [X.] nach rechtlichem Hinweis gemäß § 265 [X.] vorgenommene Erweiterung der Anklage auf ein mit dem einzigen angeklagten Versuch zusammenhängendes [X.] zum Nachteil einer Mehrzahl betrogener Darlehensgeber des Mitangeklagten [X.]zulässig war, erfasste sie gleichwohl nicht einen dem einheitlich organisierten Betrug nachgelagerten Betrug zum Nachteil eben dieses Mitangeklagten. Dabei verkennt der Senat den Zusammenhang zwischen den [X.] und ihrem Bezug zur Einwirkung auf den [X.] in den angeklagten [X.] nicht. Er reicht zur Begründung von [X.] indes nicht aus.

8

Zutreffend weist der [X.] auch darauf hin, dass die vorliegende Einstellung einer neuen, den verfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht werdende Anklage wegen Betruges zum Nachteil des bisherigen Mitangeklagten [X.] nicht entgegensteht. Hingegen teilt der Senat nicht die Auffassung des [X.]s, der rechtskräftige – nicht nachvollziehbar begründete, indes unangefochten gebliebene – [X.] umfasse nur dessen Beteiligung im [X.] (Anklagepunkt 66). Den Urteilsgründen ist vielmehr zu entnehmen, dass das [X.] auch den Vorwurf des Betruges in mittelbarer [X.]chaft zum Nachteil der übrigen Darlehensgeber zum Verfahrensgegenstand gemacht hat, sich indessen insoweit nicht vom Vorliegen der subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen zu überzeugen vermochte (vgl. [X.]). Der [X.] erstreckt sich somit auch auf diesen Teil des Geschehens und steht daher auch in diesem Umfang einer erneuten Aburteilung entgegen. Selbst wenn das [X.] durch die Erstreckung der freisprechenden Entscheidung auf diesen Geschehensteil seine Aburteilungsbefugnis überschritten haben sollte (vgl. dagegen [X.], Urteile vom 20. Januar 1989 – 2 [X.], und vom 17. März 1992 – 1 StR 5/92, Beschluss vom 4. November 2003 – [X.], [X.]R [X.] § 264 Strafklageverbrauch 2 sowie [X.] 21 und 40; [X.], [X.], 55. Aufl., § 264 Rn. 9), könnte dies am Eintritt des Strafklageverbrauchs nichts ändern, weil der betroffene Lebensvorgang durch die – über einen rechtlichen Hinweis nach § 265 [X.] auch der anfechtungsberechtigten Staatsanwaltschaft deutlich gemachte – gerichtliche Befassung und Entscheidung Gegenstand der strafrechtlichen Verfolgung des Angeklagten geworden ist.

[X.]                        Raum                           [X.]

                  [X.]

Meta

5 StR 462/12

20.02.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 12. März 2012, Az: 23 KLs 20/09

§ 264 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2013, Az. 5 StR 462/12 (REWIS RS 2013, 8034)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8034

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