Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.11.2021, Az. StB 35/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 989

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Pflichtverteidigerbestellung: Ablehnungsgrund fehlender Verfügbarkeit des Wunschverteidigers


Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 7. Oktober 2021 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Das [X.] führt unter anderem gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats des [X.] hat durch Beschluss vom 7. Oktober 2021 den Antrag des Angeklagten abgelehnt, ihm Rechtsanwalt [X.]aus E.    als Pflichtverteidiger und Rechtsanwalt [X.]     aus E.    als zusätzlichen Pflichtverteidiger beizuordnen. Stattdessen hat der Vorsitzende Rechtsanwalt [X.]aus D.       als Pflichtverteidiger bestellt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ʺBeschwerdeʺ gegen die Ablehnung des Antrags auf Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] .

II.

2

Die als sofortige Beschwerde des Angeklagten nach § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO auszulegende Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der vom Beschwerdeführer begehrten Bestellung von Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger steht ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 5 Satz 3 StPO entgegen.

3

1. Gemäß § 142 Abs. 5 StPO ist dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. Ein innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht. Ein solcher ist unter anderem dann gegeben, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

4

Die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen [X.] vom 10. Dezember 2019 ([X.] 2128, 2130) ausdrücklich benannten Ablehnungsgründe der fehlenden oder nicht rechtzeitigen Verfügbarkeit regeln nach Verständnis des Gesetzgebers die Fälle, in denen der Verteidiger zum einen - unter Anknüpfung an die Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage - etwa wegen anderweitiger Termine gar nicht und zum anderen nicht früh genug verfügbar ist. Was nicht rechtzeitig ist, soll sich danach richten, wann die Handlung vorgenommen werden soll, wegen derer seine Mitwirkung erforderlich ist. Eine kurze Wartezeit soll insoweit einzuräumen sein, ein Anspruch auf Verschiebung hingegen nicht bestehen (s. BT-Drucks. 19/13829 S. 42 f.).

5

Bereits zuvor war in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vorsitzender den Antrag auf Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts zurückweisen darf, wenn dieser an geplanten Terminen nicht teilnehmen kann, die zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes mit Blick auf inhaftierte Mitangeklagte geboten sind (s. [X.], Beschluss vom 2. März 2006 - 2 BvQ 10/06, [X.], 460, 461; vgl. auch [X.], Beschluss vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 1146/08, BayVBl. 2009, 185 Rn. 10 ff.; [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], juris Rn. 57 ff.; Beschluss vom 9. Januar 2007 - 3 [X.], juris).

6

2. Nach diesen Maßstäben stand Rechtsanwalt [X.] für die [X.] nicht zur Verfügung.

7

Die Anklage richtet sich gegen den Angeklagten und drei Mitangeklagte, von denen sich einer nach mehrmonatiger Auslieferungshaft seit dem 6. Mai 2021 in Untersuchungshaft befindet. Der Vorsitzende des [X.] hat mit Verfügung vom 22. September 2021 sämtliche Verteidiger gebeten, in einer vorbereiteten tabellarischen Übersicht ihre Verfügbarkeit an dreißig Terminen zwischen dem 26. Oktober und 23. Dezember 2021 mitzuteilen sowie etwaige Verhinderungsgründe konkret zu benennen. Rechtsanwalt [X.] hat lediglich drei Termine als ihm möglich markiert. Der Vorsitzende hat an dem Tag, an dem auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Beiordnung von Rechtsanwalt [X.]als Pflichtverteidiger entschieden worden ist, 15 [X.]stermine ab dem 28. Oktober 2021 bestimmt. An zwei dieser Termine kann Rechtsanwalt [X.]  laut seiner Mitteilung teilnehmen.

8

Damit scheidet eine Verteidigung des Angeklagten durch Rechtsanwalt [X.] aus. Dies gilt bereits deshalb, weil er innerhalb des für die [X.] vorläufig vorgesehenen Zeitraums lediglich an drei Tagen verfügbar ist und der Vorsitzende, dem die Terminierung obliegt (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 12. November 2020 - StB 34/20, [X.], 144 Rn. 5; vom 31. August 2020 - StB 23/20, [X.]St 65, 129 Rn. 18), ersichtlich mehr Terminstage für erforderlich hält. Dabei ist nicht mehr entscheidend, dass die dem Verteidiger möglichen Tage nicht einmal in einem die Höchstdauer der Unterbrechung nach § 229 Abs. 1 StPO wahrenden Zeitraum lägen. Die vom Beschwerdeführer in den Raum gestellte Durchführung der Hauptverhandlung ab Januar 2022 kommt nicht in Betracht, da sich ein Mitangeklagter in Untersuchungshaft befindet und sich diese dadurch ohne sonstigen Grund um mehr als zwei Monate verlängerte.

9

3. Die Entscheidung des [X.], Rechtsanwalt [X.]     nicht als (weiteren) Pflichtverteidiger zu bestellen, wird mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen. Der in der Beschwerdeschrift ausformulierte Antrag bezieht sich allein auf die Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] . Auch losgelöst von dieser ausdrücklichen Angriffsrichtung (vgl. zur Auslegung einer Rechtsmittelerklärung [X.], Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 [X.], [X.]St 29, 359, 365) zielt die Beschwerdebegründung - selbst unter Beachtung der abschließenden Er-wähnung von Rechtsanwalt [X.]      - auf eine Bestellung von Rechtsanwalt [X.] als Pflichtverteidiger ab.

Schäfer                  [X.]                 [X.]

Meta

StB 35/21

18.11.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 142 Abs 5 S 3 StPO, Art 1 Nr 9 NotwVertNRG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.11.2021, Az. StB 35/21 (REWIS RS 2021, 989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 989

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

StB 44/22 (Bundesgerichtshof)

Entpflichtung eines Pflichtverteidigers wegen fehlender Verfügbarkeit; Voraussetzungen der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers


StB 5/22 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsverteidigung: Ablehnung des Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers trotz umfangreichen Aktenbestands bei überschaubarem Verfahrensstoff


StB 12/22 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers; Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts


StB 23/20 (Bundesgerichtshof)


StB 23/20 (Bundesgerichtshof)

Sofortige Beschwerde gegen Ablehnung der Bestellung eines weiteren Strafverteidigers


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 236/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.