Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 133/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8902

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22. Dezember 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb im März 2018 von einem Dritten einen von der [X.] hergestellten gebrauchten [X.] [X.] zu einem Kaufpreis von 22.500 €. Den Kaufpreis finanzierte er mittels eines Darlehens. Das Fahrzeug ist mit einem Motor der Baureihe [X.] ausgerüstet. Es ist von einem Rückruf des [X.] betroffen.

3

Der Kläger hat zuletzt in der Hauptsache die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Finanzierungskosten nebst Zinsen Zug um Zug gegen "Rückgabe" und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] sowie den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Hinsichtlich des Thermofensters könne zugunsten des [X.] unterstellt werden, dass es sich bei der temperaturbeeinflussten Steuerung der Abgasrückführung um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 handele. Es fehle an weiteren Umständen, die eine Sittenwidrigkeit begründen könnten. Eine unterbliebene Offenlegung im [X.] genüge insoweit nicht. Zur [X.] ([X.]) könne dahinstehen, ob der erstmals in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen sei und ob es sich insoweit um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Auch insoweit fehlten weitere Umstände, die eine besondere Verwerflichkeit begründen könnten, insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für eine Prüfstandsbezogenheit der [X.].

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erwogen hat. Wie der [X.] nach Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023  III ZR 267/20, [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.]/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, § 562 ZPO, weil er sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

Menges     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 133/22

20.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 22. Dezember 2021, Az: 5 U 1/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 133/22 (REWIS RS 2023, 8902)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8902

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VII ZR 412/21

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