Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2012, Az. IV ZB 3/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3255

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 3/12
vom

12. September 2012

in dem Kostenfestsetzungsverfahren

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

ZPO § 91 Abs. 2 Satz 2

Die Mehrkosten für einen zweiten Rechtsanwalt sind erstattungsfähig, wenn der erste Prozessbevollmächtigte seine Zulassung zur Anwaltschaft aus ach-tenswerten Gründen zurückgegeben hat und dies bei Übernahme des [X.] noch nicht absehbar war.

Dies ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen.

[X.], Beschluss vom 12. September 2012 -
IV ZB 3/12 -
OLG Brandenburg

LG Cottbus

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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.]

am 12. September 2012

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Be-schluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 19.
Januar 2012 aufgehoben.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 12.
Juli 2011 wird geändert. Die Beklagte hat dem Kläger aufgrund des Urteils des [X.] vom 8.
April 2010 an Kosten weitere 2.263,85

Zin-sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz
seit dem 14.
Juni 2010 zu erstatten.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

[X.]: 2.263,85

Gründe:

I. Im Ausgangsrechtsstreit ist die Beklagte durch rechtskräftiges Urteil des [X.] verurteilt worden, dem Kläger Leistungen aus ei-1
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ner [X.] zu erbringen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gegenstand des jetzigen [X.] ist die Erstattungsfähigkeit der dem Kläger durch einen [X.] während des Rechtsstreits entstandenen Mehrkosten. Zu diesem [X.] war es gekommen, nachdem der zunächst beauftragte Prozessbevollmächtigte des [X.] seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zurückgegeben hatte, um anstelle seines verstorbe-nen [X.] die Pflege seiner demenzkranken Mutter zu übernehmen.

Der Rechtspfleger des [X.] hat die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf insgesamt 4.454,98

n-sen festgesetzt und hierbei die Kosten für einen zweiten Prozessbevoll-mächtigten für nicht erstattungsfähig gehalten. Das [X.] hat die dagegen eingelegte Beschwerde des [X.] zurückgewiesen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger den Anspruch auf
Festsetzung der ihm insgesamt entstandenen Anwaltskosten weiter.

[X.] Die aufgrund der Zulassung
durch das Beschwerdegericht nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO
statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Festsetzung der bislang nicht berücksichtigten Anwaltskosten gegen die Beklagte.

1. [X.] hat angenommen, dass es für die [X.], ob ein Wechsel in der Person des Rechtsanwalts eintreten musste (§
91 Abs.
2 Satz
2 ZPO), allein darauf ankomme, ob die [X.] oder den Rechtsanwalt ein Verschulden an der Mandatsbeendigung treffe oder nicht. Gebe der erste Prozessbevollmächtigte
wie hier

aus freien Stü-2
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cken die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zurück, so liege die Notwen-digkeit der Bestellung eines weiteren Prozessbevollmächtigten allein in seinem Verantwortungsbereich und sei erstattungsrechtlich seinem [X.] zuzurechnen.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach §
91 Abs.
2 Satz
2 ZPO sind die durch einen [X.]
entstandenen Kosten für einen zweiten Prozessbevollmächtigten inso-weit zu erstatten, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel ein-treten musste. Das setzt voraus, dass weder die [X.] noch den ersten Rechtsanwalt ein Verschulden an der Notwendigkeit des Anwaltswech-sels trifft ([X.]/[X.], ZPO 29.
Aufl. §
91 Rn.
13 Stichwort Anwalts-wechsel; [X.]/Giebel, 3.
Aufl. §
91 Rn.
70; [X.]/[X.], ZPO 9.
Aufl. §
91 Rn.
22).

a) Es ist umstritten, wie unter diesem Gesichtspunkt die Aufgabe der Zulassung durch den zunächst beauftragten Rechtsanwalt zu beur-teilen ist.

aa) Nach überwiegender Auffassung ist ein Verschulden zu ver-neinen, wenn der Anwalt seine Zulassung aus achtenswerten Gründen aufgibt,
es sei denn, dass dieser Umstand bereits bei der [X.] absehbar war, weil der erste Anwalt, der seinen Mandanten hier-über nicht informiere, einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt sei, der auch der Erstattungsfähigkeit der Gebühren entgegenstehe (so [X.], 376; [X.] 2006, 543; [X.] NJW-RR 1996, 1343; [X.]/Giebel
aaO Rn.
73; [X.]/[X.] aaO).
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Teilweise wird allerdings vertreten, dass es zwar auf die Gründe der Zulassungsaufgabe ankommen soll, eine freiwillige Aufgabe der [X.] aber grundsätzlich nicht notwendig sei (so [X.]/[X.] aaO).

[X.]) Nach anderer Ansicht soll es für die Erstattungsfähigkeit genü-gen, dass der erste Anwalt seine Zulassung aufgegeben hat und die [X.] deshalb einen zweiten Rechtsanwalt beauftragen musste. Darauf, ob die [X.] dem ersten Anwalt etwa unter Heranziehung von §
628 Abs.
1 Satz
2 BGB oder §
326 BGB nichts zahlen müsse, komme es nicht an, weil materiell-rechtliche Fragen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen seien (so [X.] [X.] 2007, 596 unter Aufgabe der entgegengesetzten früheren Rechtsprechung in NJW-RR 2002, 353).

[X.]) Dagegen vertritt das [X.] nicht nur den Standpunkt, dass die Wertung des §
628 Abs.
1 Satz
2 BGB auch für die Erstattungs-fähigkeit der entstandenen Gebühren gelte, sondern ist weiter der [X.], dass der Anwalt seinen Gebührenanspruch verliere, soweit seine Leistungen für die [X.] wegen Rückgabe der Zulassung wertlos seien, ohne dass es darauf ankomme, ob achtenswerte Gründe für diese Rück-gabe vorliegen ([X.] 2005, 438, 439).

b) Zutreffend ist die zuerst genannte Auffassung.

aa) Im Ausgangspunkt richtig ist die Ansicht des [X.], dass im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob die erstattungsberechtigte [X.] ihrem Prozess-bevollmächtigten die geltend gemachten Gebühren tatsächlich schuldet. Die Prüfung hat vielmehr unter rein prozessualen und gebührenrechtli-10
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chen Gesichtspunkten zu erfolgen. [X.] Fragen und Ein-wände sind in diesem Verfahren regelmäßig nicht zu klären und zu be-rücksichtigen (Senatsbeschluss vom 22.
November 2006
IV ZB 18/06, NJW-RR 2007, 422 Rn.
8 und 11); das betrifft im Allgemeinen auch die Frage, ob dem Gebührenanspruch des Prozessbevollmächtigten
gegen seine [X.] die Regelungen in §
628 Abs.
1 Satz
2 BGB oder §
326 BGB entgegenstehen.

Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung durch §
91 Abs.
2 Satz
2 ZPO. Nach dieser die Kostenerstattung regelnden Bestim-mung ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu klären, ob ein Wechsel in der Person des Anwalts eintreten musste, was nach dem Rechtsgedan-ken des §
85 Abs.
2 ZPO auch dann zu verneinen ist, wenn den [X.] beauftragten Prozessbevollmächtigten hieran ein Verschulden trifft. Die für die Beurteilung dieser Frage maßgeblichen Tatsachen sind somit auch dann zu prüfen, wenn und soweit sie zugleich eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den Gebührenanspruch des Anwalts tra-gen können.

[X.]) Es kommt daher für die Erstattungsfähigkeit auch im Falle ei-ner Rückgabe der Anwaltszulassung darauf an, ob dieser Umstand ein Verschulden begründet.

War die spätere
Rückgabe der Zulassung bei der Erteilung des Mandats an den Anwalt noch nicht absehbar, so scheidet ein Verschul-den der [X.] selbst von vornherein aus. Das gilt ebenso, wenn die Rückgabe zwar für den Anwalt absehbar war, er aber die [X.] hierüber nicht informierte.

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Dagegen kommt ein Verschulden des Anwalts in Betracht, wenn er in einem solchen Fall die gebotene Information der
[X.] unterließ oder wenn er die Zulassung später aus nicht achtenswerten Gründen aufge-geben hat und deshalb das übernommene Mandat nicht zu Ende führen konnte. Liegen dagegen achtenswerte Gründe für die Rückgabe der [X.] vor, so kann dieser Umstand
dem Anwalt nicht als vorwerfbares Verschulden angelastet werden.

So liegt der Fall hier. Die Übernahme der Pflege der eigenen Mut-ter wegen Ausfalls der bisherigen Pflegeperson (hier Tod des [X.]) stellt
auch wenn sie "aus freien Stücken" geschieht

einen anerken-nenswerten Grund für die Aufgabe der Anwaltstätigkeit dar, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass übernommene [X.] nicht zu Ende geführt werden können. Hierdurch entstehende Mehr-kosten eines Prozesses sind von den Betroffenen hinzunehmen.

[X.]) Der Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten für einen [X.] steht schließlich nicht entgegen, dass die freiwillige Aufgabe der [X.] des Rechtsanwalts stets in den Risikobereich der von ihm ver-

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tretenen [X.] fiele. Vielmehr ist dieses Risiko für den Fall eines nicht verschuldeten [X.]s durch die ausdrückliche Regelung in §
91 Abs.
2 Satz
2 ZPO der im Prozess unterlegenen [X.] zugewiesen.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.07.2011 -
6 O 167/07 -

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.01.2012 -
6 [X.]/11 -

Meta

IV ZB 3/12

12.09.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2012, Az. IV ZB 3/12 (REWIS RS 2012, 3255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3255

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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