Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2015, Az. 2 StR 259/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17483

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 259/14
vom
7. Januar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7.
Januar 2015,
an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
[X.] beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizhauptsekretärin

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des [X.] vom 7. März
2014 zugunsten des [X.] zu den Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und im [X.] aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Jugendschutzkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] eines Kindes in drei Fällen und sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Hier-gegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte und auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die zuunguns-ten des Angeklagten eingelegt ist. Das Rechtsmittel führt gemäß §
301 StPO nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.
I.
Nach den Feststellungen des [X.] missbrauchte der damals 18jährige Angeklagte die zehnjährige Nebenklägerin

P.

Ende 1
2
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-
2000 oder Anfang 2001 dadurch, dass er an ihrer Scheide manipulierte (Fall
1). Im Oktober 2002 streichelte er in einer Sauna die Scheide dieser Geschädigten
und drang mit dem Finger ein (Fall
2).
Weitere Taten zum Nachteil dieser Nebenklägerin waren auch aufgrund des Geständnisses des Angeklagten und der Vernehmung von Zeugen nicht konkret feststellbar; insoweit stellte
das [X.] das Verfahren gemäß §
154 Abs.
2 StPO vorläufig ein.
Am 22.
Juni 2013 missbrauchte der Angeklagte bei zwei Gelegenheiten den sechsjährigen

H.

dadurch, dass er zuerst im Schlafzimmer seiner Wohnung mit diesem wechselseitig den Oralverkehr ausübte
(Fall
3). Wenig später am gleichen Tag fuhr der Angeklagte
mit dem Kind in den Wald, wo es erneut zu Oralverkehr kam und der Angeklagte sexuelle Handlungen und ein Posieren des nackten Kindes fotografierte (Fall
4).
II.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe beschränkt. Die Beschränkung ist jedoch unwirksam,
so-weit
sie die Entscheidung über die Einzelstrafen zu den Fällen 1 und 2 betrifft. Die Beanstandung der diesbezüglichen Strafzumessung durch die Staatsan-waltschaft, weil das [X.] weitere Taten, von deren Verfolgung nach §
154 Abs.
2 StPO abgesehen wurde, nicht berücksichtigt habe, betrifft sowohl die Begründung dieser Einzelstrafen als auch die hierauf Bezug nehmende [X.].
2. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision führt in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Strafausspruchs zu seinen Gunsten (§
301 StPO).

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6
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5
-
Die Rüge, das [X.] habe die von der Verfahrensbeschränkung gemäß §
154 Abs.
2 StPO betroffenen Taten zum Nachteil der Nebenklägerin P.

nicht berücksichtigt, deckt keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Ange-klagten auf. Tatsächlich hat das [X.] zu seinen Lasten berücksichtigt, dass "die konkret festgestellten Taten nur ein Ausschnitt einer Tatserie sind". Diese Wertung enthält jedoch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklag-ten.
Zwar ist es zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte weitere nicht abgeurteilte Straftaten begangen hat. Vorausset-zung dafür ist jedoch, dass die weiteren Taten prozessordnungsgemäß [X.] sind. Das Abstellen auf einen bloßen Verdacht ist unzulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 12. September 2012 -
5 [X.], [X.], 368). Die Taten müssen so konkret festgestellt sein, dass sie in ihrem wesentlichen Un-wertgehalt abzuschätzen sind (Senat, Urteil
vom 5.
Juni 2014 -
2 StR 381/13, NJW 2014, 2514, 2516).
Nach den getroffenen Feststellungen bleibt offen, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte -
über die abgeurteilten Taten im gleichen Zeitraum hinaus
-
innerhalb von sechs Jahren nach dem Jahreswechsel von 2000 zu 2001 zum Nachteil der Nebenklägerin P.

begangen hat. Das [X.] hat ausgeführt, dass es in diesem Zeitraum "mehrfach zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten" gekommen sei. Wann dies der Fall war, konnte die Jugend-kammer
nicht feststellen. Nähere Einzelheiten des jeweiligen [X.] vermochte sie nicht zu klären. Die Ausführungen genügen daher nicht dem Erfordernis ausreichend bestimmter Feststellungen zu solchen Taten, die trotz Verfahrensbeschränkung gemäß §
154 Abs.
2 StPO strafschärfend be-rücksichtigt werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Oktober 2003 -
4 StR 359/03).

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6
-
3. Im Übrigen ist die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass bei den Taten zum Nachteil des Geschädigten H.

(Fälle 3 und 4) deren enger zeitlicher Zusammen-hang strafmildernd berücksichtigt wurde. Gegen die Bewertung des Landge-richts ist jedoch rechtlich nichts zu erinnern. Die Taten in den Fällen 3 und 4 wurden tatsächlich am gleichen Tag begangen, wobei die Tat im Fall 4 "wenig später" erfolgte als die Tat im Fall 3. Die Handlungen weisen danach einen en-gen zeitlichen Zusammenhang auf. Eine rechtlich fehlerhafte Bewertung dieser Tatsache liegt auch nicht vor.
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist nicht zu besorgen, dass die Ju-gendkammer die Fotoaufnahmen von den sexuellen Handlungen im Fall 4 bei der Bemessung der Gesamtstrafe übersehen hat. Zwar hat sie diesen Aspekt bei der Strafbemessung nicht besonders erwähnt, jedoch war dies nicht erfor-derlich. Dabei handelte es sich nicht um einen bestimmenden
Strafzumes-sungsaspekt im Sinne von §
267 Abs.
3 Satz
1 StPO. Die [X.] konnte nicht feststellen, wozu der Angeklagte die Fotos anfertigte, die er später auch wieder gelöscht hat.
c) Die Annahme des [X.], bei der Gesamtstrafenbildung sei ei-ne zeitliche Zäsur von über zehn Jahren zwischen den Taten in den Fällen 1 und 2 einerseits und den Fällen 3 und 4 andererseits zu berücksichtigen, ist ebenfalls nicht rechtsfehlerhaft. Die abgeurteilten Taten wiesen einen solchen zeitlichen Abstand auf.
Die Annahme, dass in der Zwischenzeit weitere Taten, die von der [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfasst sind, die Zeitspanne straflosen Verhaltens des Angeklagten verkürzen, wird nicht durch die [X.] belegt. Mögliche weitere Taten zum Nachteil der Nebenklägerin P.

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sind nämlich, wie bereits oben ausgeführt wurde, nicht so bestimmt festgestellt worden, dass sie bei der [X.] zum Nachteil des [X.] bewertet werden könnten.
Fischer [X.][X.]

Eschelbach

[X.]

Meta

2 StR 259/14

07.01.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2015, Az. 2 StR 259/14 (REWIS RS 2015, 17483)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17483

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2 StR 259/14

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2 StR 381/13

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