Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2014, Az. XI ZR 219/13

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4635

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 219/13
vom
24.
Juni 2014
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat am
24.
Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter [X.], die Richter Dr.
Joeres, Dr.
Ellenberger und Dr.
Matthias sowie
die Richterin Dr.
Menges

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Ur-
teil des 2.
Zivilsenats des [X.] in [X.]
vom 14.
Juni 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als zum Nachteil der Beklagten
erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 35.000

Gründe:
I.
Der Kläger beansprucht von der
Beklagten
unter dem Gesichtspunkt der Beratungspflichtverletzung die Rückabwicklung einer Beteiligung
an einer [X.].
Der Kläger
nahm im Jahr 2008 an einer Informationsveranstaltung der n.

mbH, einer hundertprozentigen Tochter der Beklagten (künftig: n.

), teil, [X.] derer die Beteiligung an dem geschlossenen Publikumsfonds 1
2
-
3
-
L.

KG (künftig: [X.]) beworben wurde. Diese
[X.] handelte
mit [X.] Lebensversiche-rungspolicen. Mit dem Vertrieb der Beteiligungen war die B.

GmbH (künftig: B.

) befasst, die sich der Unterstützung der n.

be-diente. In dem Emissionsprospekt der [X.] war darauf hingewie-sen, dass die B.

"eine Vergütung in Höhe von 5% des aufgenommenen [X.] (ohne Agio) zuzüglich des gesamten [X.]"
erhalte und sie diese Beträge an von ihr "talvermittler"
weitergebe.
Nach Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Beklagten am 23.
April 2008 und 30.
Juni 2008 und
Erhalt des Emissionsprospekts
beteiligte sich der Kläger über eine Treuhänderin mit einem Betrag von 30.000

in Höhe von 1.500

an der [X.]. Die B.

erhielt gemäß den Anga-ben im Emissionsprospekt eine Provision von 3.000

an die n.

weiter, die ihrerseits der
Beklagten
300

zuwandte.
Der auf Zahlung
von 31.500

i-terer Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung, Erstattung vorge-richtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung gerichteten Klage hat das [X.] mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben. Auf die dagegen gerichteten Rechtsmittel beider [X.]en hat das Berufungsgericht
(MDR
2013, 1109
f.)
den Zinsausspruch zugunsten des [X.] geringfügig modifiziert und die Berufungen im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es

soweit im [X.] noch von Interesse

ausgeführt:
Zwischen den [X.]en sei im Vorfeld der Beteiligung
des [X.] ein Be-ratungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte sei dem Kläger wegen der Verletzung ihrer aus dem
Beratungsvertrag
resultierenden Aufklärungspflicht 3
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-
4
-
über Rückvergütungen zum Schadenersatz verpflichtet. Den ihr obliegenden Nachweis, dass der Kläger auch im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung die Beteiligung gezeichnet hätte, habe die Beklagte nicht geführt. Ihren "Beweisan-tritten"
sei nicht nachzugehen gewesen. Insofern habe die Beklagte eine "bloße Vermutung"
angestellt, "auf die sich kein Zeugenbeweis stützen"
lasse. Die [X.] hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit das Berufungsgericht gegen die Beklagte erkannt hat, ist die Revision nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angegriffene Urteil den [X.] auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.
Mai 2004

XI
ZB
39/03, [X.]Z
159, 135, 139
f. und vom 9.
Februar 2010

XI
ZR
140/09, BKR
2010, 515, 516). Aus demselben Grund ist es gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluss
vom 9.
März 2011

XI
ZR
191/10, WM
2011, 925 Rn.
19 [X.]) davon ausgegangen,
zwischen den [X.]en sei ein Beratungsvertrag und nicht nur ein Auskunftsvertrag zu-stande gekommen, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger über die Höhe von ihr vereinnahmter
Rückvergütungen aufzuklären. Weiter hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, eine ordnungsgemä-ße Aufklärung des [X.] sei weder mündlich noch durch die Übergabe von 6
7
-
5
-
Informationsmaterial erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR
262/10, [X.]Z
193, 159 Rn.
19
ff.). Korrekt hat es insoweit, ohne dies allerdings näher auszuführen,
auch ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 aaO Rn.
24
f. [X.]).
2. Das Berufungsurteil verletzt jedoch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen
Gehörs
(Art.
103 Abs.
1 GG), soweit das Berufungsge-richt einen erheblichen Beweisantritt der Beklagten zur Widerlegung der Vermu-tung aufklärungsrichtigen Verhaltens des [X.] unbeachtet gelassen hat. Dies rügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu Recht.
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. [X.]
60, 247, 249; 65,
293, 295; 70,
288, 293; 83,
24, 35). Dazu ge-hört, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (vgl. [X.]
60, 247, 249; 65,
305, 307; 69,
141, 143
f.). Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG setzt da-bei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (vgl. [X.]
22, 267, 274; 65, 293, 295
f.; 70, 288, 293; 79, 51, 61; 86, 133, 145
f.; 96, 205, 216
f.). Die Nichtberücksichti-gung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art.
103 Abs.
1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. [X.] 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art.
103 Abs.
1 GG verletzt.
aa) Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung
(dort S.
39) zum Beweis dafür, dass der Kläger im Falle einer Unterrichtung über die Rückvergü-8
9
10
11
-
6
-
tung die Beteiligung gleichwohl gezeichnet hätte, Beweis durch Vernehmung des [X.] als [X.] angeboten. Sie
hat das Beweisangebot später gegen-über dem [X.] wiederholt und sich in der [X.] erneut darauf bezogen.
[X.]) Dieses Beweisangebot der Beklagten
war erheblich. Die Beklagte hat eine für die Entscheidung wesentliche Tatsache

Fehlen der Kausalität zwi-schen Pflichtverletzung und Schaden

unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. [X.] Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des [X.] auf Vernehmung des Gegners als [X.] grundsätzlich nicht erforderlich (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR
262/10, [X.]Z
193, 159 Rn.
39).
[X.]) Ein unbeachtlicher, auf Ausforschung zielender Beweisermittlungsan-trag, der auf der willkürlichen Behauptung einer bestimmten Motivationslage "aufs Geratewohl"
oder "ins Blaue hinein"
gründete, ist nicht gegeben. Die [X.] hat mit dem Verweis auf die Motivation des [X.], eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, und mittels der Schilderung seines aufgrund der Informati-onsveranstaltung gefassten Vorentschlusses Anhaltspunkte
vorgetragen, die
dafür sprechen, dass der Kläger auch in Kenntnis der Rückvergütung
die Betei-ligung
gezeichnet hätte. Angesichts dessen kann eine Behauptung ins Blaue hinein nicht angenommen werden, zumal die [X.]vernehmung nach §
445 Abs.
1 ZPO nicht die Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache voraussetzt
([X.], Urteil vom 6.
Juli 1960

IV
ZR
322/59, [X.]Z
33, 63, 66) und das Berufungsgericht, das die von der Beklagten angeführten Indizien im Zusammenhang mit der Kausalitätsprüfung als "Vermutung"
abgetan hat, bei der Befassung mit dem Vortrag des [X.] zu einem ihm entgangenen Gewinn mit ebendiesen Aspekten argumentiert hat.
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-
7
-
dd) Von einer Vernehmung des [X.] als [X.] konnte das [X.] nicht absehen, weil der Kläger auf die Anordnung seines persönli-chen Erscheinens durch seinen Prozessbevollmächtigten vor dem [X.] hatte erklären lassen, er sei "nicht bereit, persönlich vor Gericht zu erscheinen", und wolle "auch keine Angaben zum Sachverhalt machen", und gegenüber dem Berufungsgericht schriftsätzlich hatte ausführen lassen, er werde "im Rahmen einer formlosen Anhörung keine Angaben machen"
und sich "daher"
gemäß §
141 Abs.
3 Satz
2 ZPO von seinem Prozessbevollmächtigten "vertreten [X.]". Darin lag keine hinreichende Erklärung im Sinne des §
446 ZPO. Im Übri-gen wäre das Berufungsgericht

die Voraussetzungen des §
446 ZPO als ge-geben unterstellt

gehalten gewesen, die Gründe
für die Weigerung des [X.] zu würdigen.
ee) Schließlich stand der Grundsatz der Subsidiarität der [X.]verneh-mung nach §
445 Abs.
1 ZPO der Beweiserhebung nicht entgegen. Für die un-mittelbare Beweisführung zur Motivation des [X.] hat die Beklagte kein [X.] Beweismittel vorgebracht.
c) Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraus-setzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders ent-schieden hätte (vgl. [X.]
7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392
f.). Dies ist der Fall,
weil die Beklagte den Nachweis einer mangelnden Kausalität der vom Berufungsgericht festgestellten Aufklärungs-pflichtverletzung mit dem von ihr angebotenen Beweismittel möglicherweise geführt hätte.

14
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-
8
-
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht wird den Kläger als [X.] (§
445 Abs.
1 ZPO) zu der Behauptung der Beklagten, die
Rückvergütung sei für seine Anlageent-scheidung ohne Bedeutung gewesen, zu vernehmen haben. Eine Anhörung nach §
141 ZPO genügt, wie der Kläger in der Berufungsinstanz zu Recht an-gemerkt
hat,
nicht ([X.], Beschluss vom 28.
April 2011

V
ZR
220/10, juris Rn.
12
ff.). Bei der Würdigung der Aussage des [X.] wird es die von der [X.]n für ihre Behauptung benannten Indizien mit zu berücksichtigen haben.
Bei der erneuten Untersuchung der Frage, ob ein Beratungsfehler der Beklagten für die Anlageentscheidung des [X.] ursächlich war, wird das Be-rufungsgericht zu beachten haben, dass die Beklagte nur über solche Rückflüs-se zu unterrichten gehalten war, die hinter dem Rücken des [X.] an sie selbst gelangten. Ein über eine Konzerngesellschaft vermitteltes wirtschaftli-ches Interesse ist grundsätzlich nicht aufklärungspflichtig. Besondere [X.], die im konkreten Einzelfall anderes ergäben, hat der Kläger nicht vorgetra-gen und das Berufungsgericht nicht festgestellt.
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9
-
Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitäts-vermutung in Bezug auf verschwiegene Rückvergütungen als
widerlegt anse-hen, wird es den sonst vom Kläger gerügten Beratungspflichtverletzungen nachzugehen haben.

[X.]
Joeres
Ellenberger

Matthias
Menges
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.11.2012 -
1 O 2420/11 -

O[X.], Entscheidung vom 14.06.2013 -
2 [X.] -

20

Meta

XI ZR 219/13

24.06.2014

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2014, Az. XI ZR 219/13 (REWIS RS 2014, 4635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4635

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