Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.12.2012, Az. III R 59/12

3. Senat | REWIS RS 2012, 70

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Gegenstand

Rechtsbehelfseinlegung bei Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer


Leitsatz

NV: Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer muss feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten für den anderen Ehegatten ist erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten einlegen zu wollen (ständige Rechtsprechung des BFH).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann wurden in den Jahren 2000 bis 2004 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte in allen Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, im [X.] zusätzlich solche aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte keine Einkünfte. Die Eheleute haben vier in den Streitjahren volljährige Kinder.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Einkommensteuer gegen die Eheleute für das [X.] mit [X.] vom 28. Januar 2002 auf … DM, für das [X.] mit [X.] vom 12. Februar 2003 auf … DM, für das [X.] mit [X.] vom 28. April 2004 auf … €, für das [X.] mit [X.] vom 8. November 2004 auf … € und für das [X.] mit [X.] vom 17. August 2005 auf … € fest. Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide waren hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen vorläufig.

3

Die hiergegen allein vom Ehemann eingelegten Einsprüche und die von beiden Ehegatten gemeinsam erhobene Klage blieben erfolglos. Die Klägerin und ihr Ehemann rügten vor dem Finanzgericht ([X.]) eine verfassungswidrige Besteuerung, weil insbesondere Krankenversicherungsbeiträge, Ausbildungsaufwendungen für die Kinder und das gebotene Familienexistenzminimum nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

4

Mit der Revision machen die Klägerin und ihr Ehemann weiterhin eine verfassungswidrige Besteuerung geltend. Der [X.] hat das Revisionsverfahren des Ehemanns mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 ausgesetzt und das der Klägerin mit Beschluss vom gleichen Tag abgetrennt.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die angegriffenen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2004 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuerfestsetzungen auf den Betrag herabgesetzt werden, der sich bei Berücksichtigung des jeweils verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums ergibt, hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

6

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Der [X.] entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage der Klägerin insgesamt unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Zwar hätte das [X.] die Klage in vollem Umfang als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist aber trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil sein Tenor zutreffend ist (z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 30. März 2011 XI R 12/08, [X.], 304, [X.], 819, m.w.N.).

9

Die Klage war unzulässig, weil es an dem erforderlichen Vorverfahren (§ 44 Abs. 1 [X.]O) fehlte.

Nach § 44 Abs. 1 [X.]O ist eine Klage in den Fällen, in denen --wie hier-- ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, vorbehaltlich der §§ 45 und 46 [X.]O nur zulässig, wenn das Vorverfahren ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Dies setzt voraus, dass ein außergerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 44 [X.]O Rz 192). Hieran fehlt es im Streitfall.

a) Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) ist der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären; es genügt, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat (§ 357 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss sich aus der [X.] hinreichend klar ergeben, wer die Verwaltungsentscheidung angreift. Bei Zusammenveranlagung muss feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Dabei hat ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne Weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs. Selbst wenn angenommen würde, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein ([X.]-Urteil vom 20. Dezember 2006 [X.], [X.]E 216, 297, [X.], 823).

b) Aus den gegen die Einkommensteuerbescheide für 2000 bis 2004 gerichteten Einspruchsschreiben vom 7. Februar 2002 (betreffend das [X.]), vom 14. Februar 2003 (betreffend das [X.]), vom 25. Mai 2004 (betreffend das [X.]), vom 17. November 2004 (betreffend das [X.]) und vom 24. August 2005 (betreffend das [X.]) geht nicht hervor, dass diese Rechtsbehelfe auch für die Klägerin eingelegt werden sollten. Alle Einspruchsschreiben nennen im Briefkopf allein den Ehemann der Klägerin, sind in der [X.] geschrieben und ausschließlich vom Ehemann unterschrieben. Diese Umstände sprechen erkennbar für eine Einspruchseinlegung allein durch den Ehemann der Klägerin. Auch sonst wurde dem [X.] nicht innerhalb der jeweiligen Einspruchsfrist mitgeteilt, dass auch die Klägerin Einspruchsführerin sein solle. Danach sind die mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2004 mit Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden.

c) Das [X.] hat für die Jahre 2000 bis 2004 nur über den Rechtsbehelf des Ehemannes der Klägerin entschieden, so dass die Klägerin durch die [X.] nicht beschwert war. Dies gilt auch für die Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2005 hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2004. Im Rubrum dieser Einspruchsentscheidung heißt es zwar, dass "über den Einspruch des [X.] und BC, [X.], [X.] vom 24.08.2005" entschieden werde. Im Briefkopf ist aber als [X.] allein der Ehemann der Klägerin angeführt. Außerdem wird in den Gründen der Einspruchsentscheidung allein der Ehemann der Klägerin als Einspruchsführer bezeichnet. Danach ist auch diese Einspruchsentscheidung allein an den Ehemann der Klägerin gerichtet.

d) Es kann dahinstehen, ob die Vorentscheidung die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen enthält, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 [X.]O überprüfen zu können. Da das Revisionsgericht das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat, kann es dazu eigene Feststellungen treffen ([X.]-Urteil vom 16. Februar 2005 VI R 66/00, [X.]/NV 2005, 1120; Lange in [X.], § 118 [X.]O Rz 267).

Meta

III R 59/12

20.12.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 4. Dezember 2008, Az: 3 K 28/06, Urteil

§ 44 Abs 1 FGO, § 45 FGO, § 46 FGO, § 357 Abs 1 AO, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.12.2012, Az. III R 59/12 (REWIS RS 2012, 70)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 70

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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