Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2011, Az. NotZ (Brfg) 3/11

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2011, 1270

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
NotZ([X.]) 3/11

Verkündet am:

21. November 2011

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Verfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 48b, § 6b Abs. 1 Halbs.
1
Legt ein Anwaltsnotar sein Amt gemäß § 48b [X.] für mehr als ein Jahr nieder, so hat er keinen Anspruch auf eine erneute Übertragung des [X.]. Nach Ablauf der Pflege-
bzw. Betreuungszeit kann der Betroffene gemäß §
6b Abs.
1 Halbsatz
1 [X.] nur
dann erneut zum Notar bestellt werden, wenn eine neue [X.] ausgeschrieben worden ist und er das Bewerbungsverfahren erfolg-reich durchlaufen hat. Er hat keinen Anspruch auf Schaffung einer neuen [X.].
[X.], Urteil vom 21. November 2011 -
NotZ([X.]) 3/11 -
OLG [X.]elle

wegen Bestellung zum Notar
-

2

-

Der [X.], [X.], hat
auf die mündliche Verhand-lung vom 21.
November 2011
durch den Vorsitzenden Richter
Galke, den

Richter
Wöstmann, die Richterin
von
Pentz
sowie
die
Notare
Müller-Eising und Dr.
Frank

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das
ihr am
11.
Februar 2011 zu-gestellte Urteil des [X.] beim [X.] wird zurückgewiesen.

Die
Klägerin hat
die Kosten des
Berufungsverfahrens
zu
tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die am 27.
Mai 1956 geborene Klägerin ist seit November 1982 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Wirkung vom 13.
Dezember 1994 wurde sie zur Notarin mit Amtssitz in U. bestellt. Mit Schriftsatz vom 29.
Dezember 2003 [X.] sie unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Betreuung ihrer zwei min-derjährigen Kinder die Genehmigung, ihr [X.] ab 1.
Februar 2004 gemäß §
48b [X.] vorübergehend niederzulegen. [X.] stellte sie klar, dass sie ihr Amt für die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer niederlegen wolle. Mit Bescheid vom 2.
Februar 2004 gestattete der Beklagte zu
1 der Klägerin, ihr 1
-

3

-

[X.] länger als ein Jahr, höchstens jedoch bis zum Eintritt der Volljährigkeit ihres jüngsten Sohns am 11.
Februar 2014
niederzulegen.

Mit Schreiben vom 28.
Januar 2010 beantragte die Klägerin, ihr das [X.] mit Wirkung vom 1.
April 2011 wiederzuerteilen. Der Beklagte zu
1 wies sie daraufhin, dass ihr [X.] mit der Amtsniederlegung gemäß §
47 Nr.
7 [X.] erloschen sei und sie sich deshalb erneut um eine [X.] [X.] müsse. Mit Schriftsatz vom 22.
Juni 2010 beantragte die Klägerin die erneute Übertragung
des [X.]s mit sofortiger Wirkung. Diesen Antrag [X.] der Beklagte zu
1 mit Verfügung vom 24.
Juni 2010 ab.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten, ihr das Amt als Notarin nach vorübergehender Amtsniederlegung gemäß §
48b [X.] wiederzuerteilen. Hilfsweise begehrt sie, den Beklagten zu
2 zu [X.], eine [X.] im [X.] auszuschreiben, und den Beklagten zu 1 zu verpflichten, die Stelle mit ihr zu besetzen. Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 11.
Februar 2011, auf das wegen der weite-ren tatsächlichen Feststellungen gemäß §
111d Satz
2 [X.], §
130b Satz
1 VwGO Bezug genommen wird, abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie beantragt darüber hinaus hilfsweise, die vom [X.] zu 2 für das kommende Jahr angekündigte auszuschreibende [X.] im [X.], gleich ob als "Altersstruktur-"
oder als "[X.]"
ausgeschrieben, der Klägerin zuzuweisen, ohne dass diese die übrigen nach Landes-
und
Bundesrecht notwendigen Voraussetzungen für die Besetzung zu erfüllen hat. Ferner beantragt sie höchsthilfsweise, ihr eine der im [X.] ausgeschriebenen Stellen zuzuweisen.
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4
-

4

-

Sie ist der Auffassung, ihr stehe ein Anspruch auf Wiederbestellung zur Notarin am bisherigen Amtssitz aus §
48b [X.], Art.
6 Abs.
1, Art.
3 Abs.
1 GG zu. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass seit der [X.] Niederlegung ihres Amts durch die Klägerin im [X.] unstreitig kein neuer Notar bestellt worden sei. Eine
Auslegung des §
48b [X.], nach der derjenige
Amtsinhaber, der sein Amt wegen der Betreuung
eines minderjährigen Kindes vorübergehend niedergelegt habe,
im [X.] mit der Wiederbestellung nicht anders behandelt werde als derjenige, der auf sein Amt aus anderen Gründen verzichtet habe oder seine erste Bestellung zum Notar verfolge, verletze die aus Art.
6 Abs.
1 GG folgende Pflicht des Staats, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Selbst wenn der Klägerin das [X.] nur nach Ausschreibung wiedererteilt werden könne, müssten die Beklagten diese Stelle mit der Klägerin besetzen. Ihr Auswahler-messen sei in diesem Fall auf Null reduziert.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des [X.] erweist sich als richtig. Der Klägerin steht der mit den Hauptanträgen verfolgte Anspruch auf erneute Bestellung zur Notarin an ihrem bisherigen Amtssitz nicht zu. Die auf Ausschreibung einer [X.] im Amts-gerichtsbezirk U. und auf Besetzung dieser
bzw. einer künftig auszuschreiben-den Stelle mit der Klägerin gerichteten Hilfsanträge sind unzulässig.
Der auf Besetzung einer der im [X.] ausgeschriebenen [X.]n mit der Klägerin gerichtete Hilfsantrag ist unbegründet.

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5

-

1. Die auf die erneute Erteilung des [X.]s gerichteten
Verpflich-tungsklagen sind zulässig. Sie sind insbesondere rechtzeitig erhoben worden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausfüh-rungen des [X.] Bezug genommen, die sich der Senat nach Überprüfung zu Eigen macht. Die erfolglose Durchführung eines Vorverfahrens (§
111d Abs.
1 Satz
1 [X.], §
68 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 VwGO) war gemäß
§
8a Abs.
1 und 2 des [X.] Ausführungsgesetzes zur Verwal-tungsgerichtsordnung in der Fassung vom 1.
Juli 1993 ([X.]. GVBl. S.
175) in Verbindung mit §
68 Abs.
1 Satz
2 Fall
1 VwGO entbehrlich.

2. Die Verpflichtungsklagen sind jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Bestellung zur Notarin an ihrem
bisherigen [X.]. Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist die von der Klägerin begehrte [X.] Ernennung zur Notarin ohne vorherige Bedarfsprüfung, Ausschreibung und vorausgegangenes Auswahlverfahren nicht zulässig.

a) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus §
48c Abs.
1 Satz
1 [X.]. Nach dieser Bestimmung wird der Notar an seinem bisherigen Amtssitz erneut bestellt, wenn er mit dem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung erklärt, sein Amt innerhalb von [X.] einem Jahr wieder antreten zu wollen. Eine derartige Erklärung hat die Klägerin nicht abgegeben. Vielmehr hat sie ihr Amt für einen längeren Zeitraum als ein Jahr niedergelegt.

b) Die Bestimmung des §
48b [X.] gewährt entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Anspruch auf eine erneute Bestellung zur
Notarin.

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6

-

aa) Zwar legt der Wortlaut der Bestimmung, wonach der Notar, der ein Kind unter 18 Jahren oder einen nach amtsärztlichem Gutachten [X.] sonstigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt, das Amt mit [X.] der Aufsichtsbehörde vorübergehend niederlegen kann, auf den ersten Blick die Annahme nahe, der Notar könne nach Ablauf des Zeitraums der Niederlegung sein Amt ohne weiteres wieder aufnehmen.

bb) Ein
derartiges Verständnis der Norm ließe aber den bei der Ausle-gung einer Gesetzesbestimmung zu berücksichtigenden Gesamtzusammen-hang des Gesetzes sowie
Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte
der Be-stimmung
in unzulässiger Weise außer [X.]. §
48b Abs.
1 [X.]
darf nicht iso-liert betrachtet werden, sondern ist im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§
48c, 47 Nr.
7, §
56 Abs.
3, §
6 Abs.
4 Satz
1, §
6b Abs.
1 Halbs.
2 [X.] zu sehen. §
48b Abs.
1 [X.] regelt
allgemein, dass der Notar unter den dort genannten
Voraussetzungen sein Amt vorübergehend für höchstens zwölf Jahre niederlegen kann. Gemäß
§
47 Nr.
7 [X.] führt
die vorüberge-hende Amtsniederlegung zum Erlöschen des Amts
mit der Folge, dass der Notar, will er sein Amt wiedererlangen, erneut zum Notar bestellt werden muss.
§
48c [X.] räumt dem Notar, der mit dem Antrag auf Genehmigung der vo-rübergehenden Amtsniederlegung nach § 48b [X.] erklärt, sein Amt inner-halb von höchstens einem Jahr am bisherigen Amtssitz wieder antreten zu [X.], eine Wiederbestellungsgarantie am bisherigen Amtssitz ein. In diesem
-
und nur in diesem
-
Fall wird die [X.] für den ehemaligen Amtsinhaber "frei gehalten", indem gemäß §
56 Abs.
3 [X.] ein Verwalter bestellt wird; eine Ausschreibung der Stelle vor der Stellenbesetzung ist abweichend von dem allgemeinen Grundsatz des §
6b Abs.
1 Halbs.1 [X.] aufgrund der aus-drücklichen Regelung in §
6b Abs.
1 Halbs.
2 [X.] nicht erforderlich.

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-

7

-

Legt der Notar sein Amt dagegen für mehr als ein Jahr nieder, wird seine Stelle entweder neu ausgeschrieben oder -
sofern,
wie im Streitfall, kein Be-dürfnis für die Bestellung eines Notars
im Sinne des §
4 [X.] besteht
-
einge-zogen.
Nach Ablauf der Pflege-
bzw. Betreuungszeit kann der
Betroffene
ge-mäß §
6b Abs.
1 Halbs.
1 [X.]
nur
dann erneut zum Notar bestellt werden,
wenn eine neue [X.] ausgeschrieben worden ist und
er das [X.] erfolgreich durchlaufen hat. Er hat
dagegen keinen
Anspruch auf Schaffung einer neuen
[X.] (vgl. [X.], [X.], [X.], 3.
Aufl., §§
48b, 48c [X.] Rn.
11; [X.] in [X.]/[X.]/Sand-kühler, [X.], 6.
Aufl., 2008, §
48b [X.] Rn.
12). Die Zeiten der [X.] Amtsniederlegung wegen der Betreuung von Angehörigen werden im Auswahlverfahren in dem Umfang angerechnet, den die Rechtsverordnungen der Länder nach §
6 Abs.
4 Satz
1 [X.] vorsehen. Dass diesen Anrech-nungsbestimmungen für den Bereich des Anwaltsnotariats seit Inkrafttreten der Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat zum 1.
Mai 2011 keine Bedeu-tung
mehr zukommt, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, da in den §§
48b und 48c [X.] nicht zwischen dem hauptberuflichen und dem [X.] unterschieden wird.
Der Umstand, dass ein Bewerber um eine Stelle als Anwaltsnotar schon einmal eine [X.] innehatte und sein Amt gemäß §
48b [X.] für mehr als ein Jahr vorübergehend niedergelegt hatte, wird [X.] bei einer künftigen Auswahlentscheidung gemäß §
6 [X.] Berück-sichtigung finden müssen.

cc) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der §§
48b, 48c [X.] bestätigt. Danach hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, dem Notar, der sein Amt für mehr als ein Jahr aus familiären Gründen niederlegt, keinen [X.] einzuräumen, sondern seine Interessen lediglich durch die Anrechnungsmöglichkeit im Auswahlverfah-13
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ren zu schützen (§
6 Abs.
4 Satz
1 [X.]). Ausweislich der Begründung des Entwurfs eines [X.] und anderer Gesetze vom 29.
Dezember 1995
war es ein Anliegen des Entwurfs,
die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie für Notarinnen und Notare
zu
verbes-sern
(BT-Drucks. 13/4184, S.
19). Den Notarinnen und Notaren sollte die Mög-lichkeit
eingeräumt werden, ihr Amt vorübergehend
niederzulegen, um sich fa-miliären Aufgaben zu widmen (BT-Drucks. 13/4184, S.
28
f). Eine Wiederbestel-lungsgarantie am bisherigen Amtssitz sollte aber nur den Notaren eingeräumt werden, die gemäß §
48c Abs.
1 [X.] mit dem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung nach §
48b [X.] erklären, das Amt in-nerhalb von höchstens einem Jahr am
bisherigen Amtssitz wieder antreten zu wollen (BT-Drucks. 13/4184, S.
19, 20, 28
f). Diese Befristung war aus Sicht des Gesetzgebers unabweisbar, um die kontinuierliche Qualität der notariellen Amtsausübung durch Bestellung eines qualifizierten Verwalters sicherzustellen. Durch die entsprechende Erklärung des Notars sollte die Landesjustizverwal-tung in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob die [X.] neu [X.] oder -
im Fall des §
48c [X.]
-
gemäß §
56 Abs.
3 [X.] ein Nota-riatsverwalter bestellt
werden soll
(vgl. BT-Drucks. 13/4184, S.
20, 29).

Die Konsequenz, dass bei einer mehr als einjährigen Amtsniederlegung nach §
48b [X.] der erneuten Bestellung zum Notar eine Stellenausschrei-bung und ein Auswahlverfahren voranzugehen hat,
ist
im Gesetzgebungsver-fahren erkannt worden. Der vom [X.] vorgelegte [X.] vom 26.
Juli 1995 hatte
in Art.
1 Nr.
22 vorgesehen, §
39 [X.] um einen Absatz
2 zu ergänzen, wonach die Aufsichtsbehörde der Notarin oder dem Notar auf Antrag aus familiären Gründen einen ständigen Vertreter für die Dauer von bis zu drei Jahren bestellen kann. Aufgrund der Einwände mehrerer Landesjustizverwaltungen, dass diese Regelung die Gefahr einer
Verpachtung 15
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-

der [X.] herbeiführe und es im Bereich des hauptberuflichen Notariats an der erforderlichen Anzahl geeigneter Vertreter fehle, wurde dieser Vorschlag fallen gelassen. Der von der Bundesregierung am 6.
Dezember 1995 beschlos-sene Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der
Bundesnotarordnung und anderer Gesetze ([X.]. 890/95) sah stattdessen die Einfügung der §§
48b und 48c [X.]-E vor, die abgesehen von redaktionellen Änderungen der später in [X.] getretenen Regelung entsprachen. Trotz der im weiteren [X.] geäußerten Bedenken des federführenden Rechtsaus-schusses, des [X.] und des [X.] ([X.]. 890/1/95) sowie der Länder [X.] und [X.] ([X.]. 890/2/95), dass die vorgeschlagenen Regelun-gen keine entscheidende Verbesserung hinsichtlich der Vereinbarung von Beruf und Familie im Bereich des Notariats brächten, weil die Betroffenen das [X.] neu durchlaufen müssten, hat der Gesetzgeber bei der Verab-schiedung dieser Normen mit Ausnahme von redaktionellen Änderungen an der Entwurfsfassung festgehalten (vgl. auch Protokoll der 693. Sitzung des Bundes-rats vom 9.
Februar 1996, Abschn.
[X.], S.
39). Er hat damit bewusst in Kauf ge-nommen, dass er das von ihm
angestrebte Ziel, die Vereinbarung von Beruf und Familie auch im Notariat zu verbessern und den Notarinnen und Notaren die Möglichkeit zu verschaffen, sich familiären Aufgaben zu widmen, nur in be-schränktem Umfang erreichen würde
und sich von der -
an sich als Leitbild ins Auge gefassten (vgl. BT-Drucks. 13/4184, S.
29)
-
Regelung über die Beurlau-bung von Richtern und Beamten entfernen würde.

dd) Bei dieser Sachlage kann §
48b [X.] entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ein [X.] auf Wiederbestellung am bisherigen Amtssitz entnommen werden.
Denn eine verfassungskonforme Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn eine 16
-

10

-

Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen würden ([X.] NJW 2001, 2160, 2161). Sie findet ihre Grenze dort, wo sie -
wie im Streitfall
-
zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde ([X.], [X.] 2005, 931, 935;
NJW 2007, 2977, 2980; [X.], Urteil vom 24.
Juni 2009 -
XII
ZR 161/08, [X.], 2744 Rn.
28).

c) Der
Rechtsstreit war auch nicht gemäß Art.
100 Abs.
1 Satz
1
GG
auszusetzen und eine Entscheidung des [X.] zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des §
48b [X.] einzuholen. Der erkennende Senat
hält die Bestimmung nicht für verfassungswidrig.
Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art.
6 Abs.
1 GG
oder
Art.
3 Abs.
1 GG.

aa) Als Freiheitsrecht verpflichtet Art.
6 Abs.
1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wert-entscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern ([X.]E
87, 1, 35; 103, 242,
257
f.;
[X.] NVwZ-RR 2008, 723, 724). In diesem Zusammenhang folgt aus der Bestimmung
auch eine gewisse Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Vorausset-zungen zu ermöglichen und zu fördern ([X.]E 99, 216, 234;
121, 241, 263
f.;
FamRZ 2011, 1209 Rn.
9).
Der Staat hat grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern möglich ist, zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten ([X.]E 99, 216, 234; 121, 241, 263
f.).
Bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht kommt dem [X.] aber ein Einschätzungs-, Wertungs-
und Gestaltungsfreiraum zu, der auch Raum für die Berücksichtigung konkurrierender öffentlicher und privater Inte-ressen lässt (vgl. [X.]E 77, 170, 214
f.; 82, 60,
81; 85, 191, 212; [X.] 17
18
-

11

-

NVwZ-RR 2008, 723, 724). Durch die Schaffung des §
48c [X.] wurde die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern bereits in nicht unerheblichem Um-fang gefördert. Auch wenn diese Regelung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in geringerem Umfang herstellt, als wünschenswert erscheinen mag, war der Gesetzgeber zu einer weitergehenden Förderung der Kindesbetreuung in-nerhalb der Familie verfassungsrechtlich
nicht verpflichtet. Er durfte bei der Entscheidung, für welchen Zeitraum die Stelle eines sein Amt aus familiären Gründen niederlegenden Notars
für diesen "freizuhalten"
ist, vielmehr
auch das Interesse
der Bevölkerung
an einer angemessenen
Versorgung mit
Notariaten
und an einer kontinuierlichen Qualität der notariellen Amtsausübung durch [X.] Verwalter
sowie
das Interesse der Landesjustizverwaltung an [X.] berücksichtigen.

bb) Eine Verletzung von Art.
3 Abs.
1 GG ist
ebenfalls nicht ersichtlich.
§
48b [X.] verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere nicht deshalb gegen Art.
3 Abs.
1
GG, weil die familiär bedingte [X.] Amtsniederlegung mit einem Verzicht auf die Möglichkeit der Einkünfteerzie-lung verbunden
und das berufliche Einkommen, das die Klägerin bei [X.] ihres Amtes hätte erzielen können, den übrigen Amtsinhabern zugeflossen sei.
Diese hätten
ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können, weil sie nicht der Doppelbelastung durch Berufsausübung und Kindererziehung ausgesetzt ge-wesen seien. Denn der Umstand, dass die Klägerin während der Kindererzie-hungszeit kein Einkommen erzielt hat, ist darauf zurückzuführen, dass sie sich entschieden hat, ihr Amt (für mehr als ein Jahr) niederzulegen, und deshalb keine notariellen Leistungen erbracht hat. Hierin liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu kinderlosen Amtsinhabern, die ihr Amt ausgeübt haben.

19
-

12

-

3. Das [X.] hat auch zu Recht angenommen, dass die auf Ausschreibung einer [X.] im [X.] und auf Besetzung der
ausgeschriebenen
Stelle mit der Klägerin gerichteten Hilfsanträge unzuläs-sig sind, weil es an der erforderlichen Klagebefugnis der Klägerin fehlt.

a) Soweit der Hilfsantrag auf die Ausschreibung einer neuen [X.] gerichtet ist, ist
statthafte [X.] die allgemeine Leistungsklage. Die
Verpflich-tungsklage scheidet aus,
da die von der Klägerin begehrte Errichtung und [X.] einer neuen [X.] keine Verwaltungsakte, sondern
verwal-tungstechnische Vorbereitungsmaßnahmen
ohne Regelungscharakter
darstel-len, die nicht auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet sind
(vgl. [X.] vom 20.
Juli 1998 -
NotZ 31/97, [X.] 1999, 251; vom 31.
März 2003
-
NotZ 24/02, [X.] 2003, 782; vom 28.
November 2005 -
NotZ 30/05, [X.] 2006, 384,
jeweils mwN).

b) Der Klägerin fehlt aber die -
auch für die allgemeine Leistungsklage gemäß §
111b Abs.
1 Satz
1 [X.], §
42 Abs.
2 VwGO analog erforderliche (vgl. Senatsbeschluss vom 31.
März 2003 -
NotZ 24/02, [X.] 2003, 782; [X.] Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 21.
Juni 2011 -
3
A 224/10, zitiert nach [X.], Rn.
31; [X.], Urteil vom 14.
Juli 2011 -
26
K 3869/10,
zitiert nach [X.], Rn.
53
f.; [X.]/[X.], VwGO, 17.
Aufl., §
42 Rn.
62 mwN)
-
Klagebefugnis.
Die unterlassene Ausschreibung einer [X.] im [X.] vermag die Klägerin nicht
in ihren Rechten zu verletzen.

Die Ausschreibung von [X.]n richtet sich gemäß §
4 [X.] an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege aus, wobei das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des [X.] 20
21
22
23
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13

-

zu berücksichtigen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht der Verpflichtung der Justizverwaltung, ihr dadurch eröffnetes Ermessen fehler-frei auszuüben, kein subjektives Recht von Bewerbern um eine [X.] ge-genüber. Die Bedürfnisprüfung
dient vielmehr ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der vorsorgenden Rechtspflege (z.B. [X.] vom 31.
März 2003 -
NotZ 24/02,
NJW 2003, 2458, 2459; vom 24.
November 1997 -
NotZ 10/97, NJW-RR 1998, 849, 850;
vom 18.
September 1995 -
NotZ 46/94, NJW 1996, 123, 124; vom 14.
April 2008 -
NotZ 118/07, [X.] 2008, 865). In die Freiheit der Berufswahl (Art.
12 Abs.
1 GG) wird dadurch nicht eingegriffen, denn diese besteht nur nach Maßgabe der vom Staat zur Verfügung gestellten Ämter ([X.]E 73, 280, 292; Senatsbeschluss vom 31.
März 2003 -
NotZ 24/02, aaO; siehe auch [X.]E 80, 257, 263). Bei der Bestimmung der Zahl und des Zuschnitts der auszuschreibenden [X.] (§
4 [X.]) handelt die Landesjustizverwaltung in Ausübung dieser allein objektiven Interessen dienenden Organisationsgewalt (Senatsbeschlüsse vom 28.
November 2005 -
NotZ 34/05, [X.]Z 165, 146, 149; vom 31.
März 2003
-
NotZ 24/02, aaO; vom 14.
April 2008 -
NotZ 118/07, aaO; vom 23.
Juli 2007
-
NotZ 42/07, [X.] 2008, 311; vom 15.
November 2010 -
NotZ 4/10, [X.]
2011, 391).
Eine Leistungsklage auf Stellenausschreibung ist deshalb nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich unzulässig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3.
November 2003 -
NotZ 10/03, NJW-RR 2004, 274; vom 31.
März 2003
-
NotZ 24/02, aaO).

Dies gilt
auch dann, wenn ein Notar sein Amt gemäß §
48b [X.] für mehr als ein Jahr niedergelegt hat. Wie oben ausgeführt ist sein Amt in diesem Fall gemäß §
47 Nr.
7 [X.] erloschen; seine Stelle wird -
anders als im Fall des §
48c [X.]
-
nicht für ihn "freigehalten". Ob nach Ablauf der Pflege-
bzw. Betreuungszeit eine neue Stelle auszuschreiben ist, beurteilt sich ausschließlich 24
-

14

-

nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege und ist der Organisati-onsgewalt des Staates vorbehalten.

4. Der auf Verpflichtung der Beklagten zur Besetzung einer im kommen-den Jahr im [X.] möglicherweise auszuschreibenden [X.] mit der Klägerin gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Da noch nicht fest-steht, ob diese Stelle tatsächlich ausgeschrieben werden wird, fehlt es [X.] an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

5. Der auf Verpflichtung der Beklagten zur Besetzung einer der im Land-gerichtsbezirk L.
ausgeschriebenen [X.]n mit der Klägerin gerichtete Hilfsantrag ist zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Wie unter [X.] ausgeführt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Übertragung einer [X.], ohne zuvor ein Auswahlverfahren erfolgreich durchlaufen zu haben.
25
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-

15

-

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
111b Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs.
2 VwGO.

Galke
Wöstmann
von Pentz

Müller-Eising
Frank

Vorinstanz:
OLG [X.]elle, Entscheidung vom 11.02.2011 -
Not 18/10 -

27

Meta

NotZ (Brfg) 3/11

21.11.2011

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2011, Az. NotZ (Brfg) 3/11 (REWIS RS 2011, 1270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1270

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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