Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2010, Az. B 1 KR 10/09 R

1. Senat | REWIS RS 2010, 9296

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Kostenerstattung für Kryokonservierung - wegen der Therapie einer Krankheit konkret drohende Empfängnisunfähigkeit - Versicherungsfall der Krankheit - Abgrenzung zu dem Versicherungsfall der Herbeiführung einer Schwangerschaft


Leitsatz

1. Krankheit ist nicht nur der krankheitsbedingte Eintritt der Empfängnisunfähigkeit, sondern auch die wegen der Therapie einer Krankheit konkret drohende Empfängnisunfähigkeit.

2. Der Versicherungsfall der Krankheit ist in Abgrenzung zu dem Versicherungsfall der Herbeiführung einer Schwangerschaft betroffen, wenn die Behandlung dazu führen soll, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen.

Tatbestand

1

[X.] durch Kryokonservierung.

2

Die am 14.4.1980 geborene, bei der beklagten [X.] versicherte Klägerin erkrankte im Jahre 2006 an einem Mammakarzinom. Am 3.1.2007 beantragte sie bei der [X.], die Kosten für die Entnahme und Aufbewahrung von Gewebe aus den Eierstöcken zu übernehmen. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung der [X.] und [X.] vor: Die Kryokonservierung von [X.] sei erforderlich, weil die Klägerin nach der Chemotherapie mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % nie mehr einen Eisprung haben werde und somit im späteren Leben keine eigenen Kinder mehr gebären könne. Deshalb solle eizellbildendes Gewebe entnommen, eingefroren, später aufgetaut und in den Körper der Klägerin [X.] werden; Ziel sei es, die Fertilität der Klägerin wenigstens teilweise zu erhalten. Die Beklagte lehnte die "Übernahme von Kosten, die im Zusammenhang mit einer Kryokonservierung von [X.] … entstehen," ab, weil sie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) sei (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom [X.]).

3

Am 10.1.2007 wurde das Mammakarzinom operativ entfernt und gleichzeitig durch [X.] zur Kryokonservierung entnommen. Danach wurde die Chemotherapie durchgeführt. Das der Klägerin entnommene [X.] wurde bei der [X.] eingelagert. Am 17.7.2007, 19.1.2008, 7.7.2008 und 14.1.2009 bezahlte die Klägerin für die Lagerung inklusive des Verbrauchs von Flüssig-Stickstoff und die Bereitstellung in der [X.] vom 1.7.2007 bis zum 30.6.2009 jeweils für das laufende Halbjahr 142,80 [X.].

4

Das Sozialgericht hat die Klage unter Berufung auf die Rechtsprechung des [X.]([X.]-2500 § 27a [X.]) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.10.2007). Das [X.] ([X.]) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Kryokonservierung sei keine Krankenbehandlung, die unter § 27 Abs 1 Satz 1 und 4 [X.] falle, denn die [X.] als Folge der Chemotherapie werde dadurch nicht geheilt. Auch gehöre die begehrte Konservierung nicht zu den Leistungen nach § 27a [X.], weil sich eine künstliche Befruchtung nur auf Maßnahmen erstrecke, die dem Zeugungsakt entsprächen und unmittelbar der Befruchtung dienten (Urteil vom [X.]).

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 27 Abs 1 Satz 1 und Satz 4 [X.]: Die Einlagerung von [X.] sei eine originäre Krankenbehandlung, sie sei nicht mit Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verbunden. Wegen der damals drohenden, inzwischen eingetretenen Unfruchtbarkeit durch die Chemotherapie sei die Kryokonservierung eine für die Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit notwendige Krankenbehandlung; sie diene zumindest der Linderung von Krankheitsfolgen. Anders als die Einlagerung von männlichem Samen, der "hilfsmittelgleich" der späteren (künstlichen) Befruchtung diene, unterscheide sich die Konservierung von weiblichem [X.] nicht von der als Leistung nach dem [X.] anerkannten präoperativen Eigenblutspende nebst Einlagerung.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.]s Berlin-Brandenburg vom 20. Februar 2009 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 26. Oktober 2007 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2007 zu verurteilen, ihr 571,20 [X.] zu erstatten und sie von der Tragung der Kosten für die Lagerung des Ovargewebes für die [X.] vom 10. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 und vom 1. Juli 2009 bis längstens zum Ablauf des 13. April 2020 freizustellen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das [X.]-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Das angefochtene [X.]-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung des § 27 Abs 1 Satz 1 und Satz 4 [X.] iVm § 13 Abs 3 Satz 1 [X.] beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des [X.] kann der [X.] nicht in der Sache selbst abschließend über den Erfolg der Berufung gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid entscheiden.

Allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage des [X.] ist § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 [X.] Diese Vorschrift bestimmt: Hat die Krankenkasse ([X.]) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der [X.] in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die [X.]n allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben ([X.], vgl zB [X.], 125, 126 f = [X.] 3-2500 § 13 [X.] f mwN; [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], jeweils Rd[X.]1 mwN - [X.]; zuletzt zB BSG [X.] 4-2500 § 27 [X.] Rd[X.] 8 mwN; vgl zum Ganzen: [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung [X.], 19. Aufl, 68. Lfg, Stand: 1.9.2008, § 13 [X.] Rd[X.]33 ff).

Es fehlt an den notwendigen Feststellungen des [X.], um abschließend zu entscheiden, ob die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Der [X.] kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die beklagte [X.] die begehrte Kryokonservierung und Lagerung von Eierstockgewebe zu Unrecht abgelehnt hat, weil die bei ihr versicherte Klägerin diese Naturalleistung als Teil einer Krankenbehandlung iS des § 27 Abs 1 [X.] beanspruchen kann. Insbesondere fehlt es an hinreichenden Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalls "Krankheit" (dazu 1.) und zur Beachtung des Qualitätsgebots (dazu 2.). Ebenso liegen keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 [X.] vor (dazu 3.).

1. Es steht bereits nicht fest, dass die Klägerin an einer Krankheit leidet, deren Beschwerden die Kryokonservierung lindern soll, wie von § 27 Abs 1 Satz 1 [X.] vorausgesetzt. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder [X.] zu lindern; nach Satz 4 dieser Vorschrift gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zu Herstellung der [X.] oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren gegangen war.

a) Festzustellen hat das [X.] zunächst, ob die Klägerin hier die Behandlung einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 [X.] verlangt. Abzugrenzen ist der Ansprüche nach § 27 [X.] auslösende Versicherungsfall der Krankheit von dem Versicherungsfall des § 27a [X.]: der Unfähigkeit eines Ehepaares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen nebst der daraus resultierenden Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung (vgl zB [X.], 62, 64 = [X.] 3-2500 § 27a [X.], [X.]; [X.] NJW 2007, 1343, 1344; [X.] SGb 2009, 321, 322) . Die in § 27a [X.] geregelten medizinischen Maßnahmen dienen nicht der Beseitigung einer Krankheit iS von § 11 Abs 1 [X.] und § 27 Abs 1 Satz 1 [X.]. Der Gesetzgeber hat medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vielmehr nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des [X.] unterstellt (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.] 1990, BT-Drucks 11/6760, [X.] zu [X.]) .

Ginge es der Klägerin bloß um Leistungen nach § 27a [X.], hätte sie keinen Naturalleistungsanspruch auf Kryokonservierung. Denn diese Regelung erfasst nur Maßnahmen, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen, nicht aber Kryokonservierung und Lagerung ([X.], 174 = [X.] 3-2500 § 27a [X.] - Kryokonservierung vorsorglich gewonnener imprägnierter Eizellen; BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] Rd[X.] 8 f - Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen; BSG [X.] 3-2200 § 182 [X.] - Kryokonservierung von männlichen Samenzellen; BSG, Beschluss vom 9.12.2004 - B 1 KR 95/03 B - Kryokonservierung von männlichen Samenzellen). Auch die Klägerin geht im Revisionsverfahren von dieser Rechtslage aus. Um Klarheit darüber zu erlangen, ob die [X.] des [X.] bloß zu einer Empfängnisfähigkeit auf künstlichem Wege führt oder eine Schwangerschaft durch natürlichen Zeugungsakt ermöglicht, bedarf es noch näherer Feststellungen, die das [X.] zu treffen hat.

b) Festzustellen hat das [X.] ferner, dass die Klägerin bei der Entnahme und Einlagerung des [X.] an einer Krankheit litt. Nach ihrem Vorbringen bestand aufgrund ihrer vorhandenen [X.]erkrankung und der Behandlungsfolgen eine unmittelbare, konkrete Gefahr, dass ihre Empfängnisfähigkeit verloren gehen würde. Sollte sich dieser Sachverhalt als zutreffend erweisen, genügte dies für die Annahme einer "Krankheit". Denn nicht nur eine eingetretene krankheitsbedingte [X.] ist gemäß § 27 Abs 1 Satz 4 [X.] eine Krankheit (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des [X.], BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 27; vgl zur eingetretenen schicksalhaften Unfruchtbarkeit zB [X.], 119, 121 f = [X.] 2200 § 182 [X.]01; vgl auch [X.] 85, 36, 42 f = [X.] 3-2500 § 27 [X.]1 S 42 f), sondern auch bereits der therapiebedingt drohende Eintritt der [X.]. Zieht eine Krankheit in unbehandeltem oder behandeltem Zustand zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Erkrankungen nach sich, so sind medizinische Maßnahmen, die dem entgegenwirken und eine Verschlechterung des [X.] verhüten sollen, als Behandlung der Grundkrankheit und damit als Krankenbehandlung iS des § 27 Abs 1 [X.] aufzufassen (vgl [X.] 85, 132, 137 = [X.] 3-2500 § 27 [X.] - medizinische Fußpflege unter Hinweis auf [X.] 39, 167 = [X.] 2200 § 182 [X.] - Maßnahmen zur Verhütung der Schwangerschaft wegen der Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung des körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes des Versicherten; [X.] 66, 163 = [X.] 3-2200 § 182 [X.] - empfängnisverhütende Maßnahmen wegen drohender Schädigung der Leibesfrucht) . Die fehlenden erforderlichen Feststellungen dazu, dass der Klägerin aufgrund der Chemotherapie zur Behandlung der Folgen ihres Mammakarzinoms die unmittelbare, konkrete Gefahr drohte, die Empfängnisfähigkeit zu verlieren, wird das [X.] nachzuholen haben.

c) Ist die Lagerung des [X.] zusammen mit der späteren [X.] auf die Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit durch natürlichen Zeugungsakt gerichtet, scheitert eine Leistungspflicht der Beklagten allerdings nicht etwa daran, dass das Einfrieren und die Lagerung von Eierstockgewebe als Teilausschnitt der Gesamtbehandlung keine "ärztliche" Behandlung iS von § 27 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.] darstellt ([X.] [X.] 3-2200 § 182 [X.] S 6 f) . Denn sie wäre in diesem Falle eine unselbstständige Vorbereitungshandlung der späteren (eigentlichen) ärztlichen Krankenbehandlung, die in Form der Implantation des Gewebes stattfindet. Auch steht eine möglicherweise lediglich vorübergehende Behebung der Unfruchtbarkeit der Leistungspflicht der [X.] nicht entgegen. Nicht nur die Heilung einer Krankheit, sondern auch die Linderung von [X.] gehört zur Krankenbehandlung iS des § 27 Abs 1 [X.].

Dass die Kryokonservierung erst zusammen mit dem weiteren, derzeit noch ungewissen Ereignis der Implantation des Gewebes zur Realisierung eines erst künftig auftretenden Kinderwunsches die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit ermöglichen soll, hindert die Entstehung eines Anspruchs ebenfalls nicht. Insoweit ist nämlich nicht an die Verwirklichung des Kinderwunsches anzuknüpfen, sondern an die konkrete Möglichkeit, die Empfängnisfähigkeit wiederherzustellen. Anders als Maßnahmen nach § 27a [X.], die auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft gerichtet sein müssen, zielt die Krankenbehandlung zur Beseitigung der Unfruchtbarkeit auf die Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit. Dies ist ausreichend, falls durch [X.] des [X.] die Fruchtbarkeit wiederhergestellt werden kann.

        

2. Falls die Ermittlungen des [X.] zu dem Ergebnis führen sollten, dass bei der Klägerin im og Sinne eine Krankheit bestand und die Lagerung des [X.] zusammen mit der späteren [X.] auf die Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit durch natürlichen Zeugungsakt gerichtet ist, fehlt es noch an weiteren Feststellungen, um entscheiden zu können, ob die Entnahme, Lagerung und spätere [X.] des [X.] unter dem Aspekt des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3 [X.]) eine von der Leistungspflicht der [X.] umfasste Behandlungsmethode bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs war, also bei der Entnahme und dem (erstmaligen) Einfrieren des [X.] ( vgl etwa [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], jeweils Rd[X.]5 f - [X.]; BSG [X.] 4-2500 § 27 [X.] 8 Rd[X.]3 - Brachytherapie ). Dies hängt auch davon ab, ob die [X.] als wesentlicher Teil der Behandlungsmaßnahme, etwa durch Bauchspiegelung oder Bauchschnitt (vgl die Beschreibung des Verfahrens durch das [X.]: [X.], recherchiert am [X.]) - entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst regelmäßig als ambulante Behandlung (dazu a) durchzuführen ist oder als stationäre Krankenhausbehandlung (dazu b).

a) Ein Anspruch auf ambulante ärztliche Implantation des [X.] könnte daran scheitern, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt, der Gemeinsame Bundesausschuss ([X.]) die Methode nicht positiv zur Anwendung in der [X.] empfohlen hat, und dass kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem dies entbehrlich ist.

Die sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 [X.] ergebenden Anforderungen sind bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 [X.] nur dann gewahrt, wenn der [X.] in Richtlinien ([X.]) nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 5 [X.] eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch [X.] nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 5 iVm § 135 Abs 1 [X.] wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der [X.]n erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese [X.] auch der Umfang der den Versicherten von den [X.]n geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt ([X.], vgl zB [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] , jeweils Rd[X.] mwN - [X.]; BSG [X.] 4-2500 § 13 [X.] 20 , Rd[X.]0 mwN - Magenhand) . Ärztliche “Behandlungsmethoden” iS der [X.] sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl [X.] 82, 233, 237 = [X.] 3-2500 § 31 [X.] 5 - [X.]; vgl auch [X.], 51, 60 = [X.] 3-2500 § 27a [X.] mwN ; BSG [X.] 3-5533 [X.]449 [X.] S 9 f; BSG [X.] 4-2500 § 27 [X.] 8 Rd[X.]7). Darum geht es ggf bei der von der Klägerin selbst beschafften Leistung als Teil der anvisierten Gesamtleistung einschließlich der [X.]. "Neu" ist eine Methode, wenn sie - wie hier die streitige Methode - zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen enthalten ist ([X.], Urteil vom [X.] KR 28/03 R - USK 2005-77; [X.] 81, 54, 58 = [X.] 3-2500 § 135 [X.] ; [X.] 81, 73, 75 f = [X.] 3-2500 § 92 [X.] 7 ) . Als nicht vom [X.] empfohlene neue Methode ist die ambulante [X.] des Gewebes grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der [X.].

Es fehlt indes an Feststellungen des [X.] dazu, dass die Voraussetzungen von Ausnahmefällen erfüllt sind, in denen es keiner Empfehlung des [X.] bedarf (vgl insoweit zur Seltenheit einer Erkrankung: [X.] 93, 236 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] , jeweils Rd[X.]1 ff - [X.]; zum Systemversagen: [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] , jeweils Rd[X.]7 mwN - [X.]). Eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts der [X.] (vgl zB im [X.] an [X.]E 115, 25 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] 5 : [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] , jeweils Rd[X.]0 ff mwN - [X.]) kommt allerdings nicht Betracht. Eine solche verfassungskonforme Auslegung setzt nämlich ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (vgl [X.] 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.] , jeweils Rd[X.]1 und 30 mwN - Tomudex) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl [X.] 96, 153 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] 7 , jeweils Rd[X.]1-32 - D-Ribose). Daran fehlt es bei einem drohenden Eintritt der Unfruchtbarkeit (vgl zu den bereits vom BSG entschiedenen Fällen: [X.] 4-2500 § 27 [X.] Rd[X.]3 ff - [X.]).

b) Für den (alternativ in Betracht kommenden) Anspruch der Klägerin auf [X.] des Gewebes in Form einer Krankenhausbehandlung steht nicht fest, dass die Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (§ 2 Abs 1 Satz 3; § 12 Abs 1, § 27 Abs 1 Satz 1, § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]). Dies ist zweifelhaft. So wird die Methode der fertilitätserhaltenden Kryokonservierung von dem [X.] "immer noch als experimentell" eingestuft (vgl zB http://www.kinderwunsch-nach-krebserkrankung. de/e1662/e321/[X.]/[X.]; vgl auch den Bericht des [X.] vom 7.4.2008 "Kinderwunsch nach [X.] - Erste erfolgreiche Wiedereinpflanzung von tiefgefrorenem Eierstockgewebe macht krebskranken Frauen Mut", [X.]; jeweils recherchiert am [X.]). Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung setzt zwar keine positive Empfehlung des [X.] voraus, erfordert aber dennoch abgesehen von den hier nicht einschlägigen Fällen eines Negativvotums des [X.] nach § 137c [X.], dass die streitige Maßnahme nach Überprüfung im Einzelfall dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (vgl [X.] 101, 177 = [X.] 4-2500 § 109 [X.] 6 jeweils Rd[X.] 52 unter Aufgabe von [X.] 90, 289 = [X.] 4-2500 § 137c [X.]) . Den insoweit bestehenden Hinweisen auf den experimentellen Charakter der Methode muss im weiteren Verfahren nachgegangen werden, soweit die Frage entscheidungserheblich sein sollte.

3. Sollte ein Naturalleistungsanspruch der Klägerin bestehen, müsste das [X.] schließlich feststellen, dass die weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 [X.] gegeben sind. Die zeitliche Dauer des Anspruchs - abhängend von dem Zeitpunkt der Herstellung der Fruchtbarkeit und damit des Zeitraums der Lagerung - hätte sich in diesem Fall (nur) an der typischen Dauer der natürlichen Konzeptionsfähigkeit einer gesunden Frau zu orientieren. Die beantragte Lagerung des [X.] längstens bis zur Vollendung des 40. Lebensjahrs der Klägerin erscheint nicht unangemessen. Die Orientierung an der Altersgrenze, ab der ein Anspruch einer weiblichen Versicherten auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 27a Abs 3 Satz 1 [X.] ausgeschlossen sind, ist vielmehr sachgerecht. Bei der Festlegung dieser Grenze hat der Gesetzgeber sich auch an der höheren Konzeptionswahrscheinlichkeit bis zu diesem Alter orientiert ([X.] [X.] 4-2500 § 27a [X.] 7 Rd[X.]5 f).

4. In der abschließenden Entscheidung muss das [X.] auch über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden.

Meta

B 1 KR 10/09 R

17.02.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 26. Oktober 2007, Az: S 36 KR 842/07, Gerichtsbescheid

§ 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 11 Abs 1 Nr 4 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB 5, § 27 Abs 1 S 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 4 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 5, § 27a Abs 1 SGB 5, § 27a Abs 3 SGB 5, § 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 135 Abs 1 S 1 SGB 5, § 137c SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2010, Az. B 1 KR 10/09 R (REWIS RS 2010, 9296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9296

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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