Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. XI ZB 4/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7300

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 4/11

vom

17. April 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], Dr.
Grüneberg, [X.], Dr. Matthias
und Pamp

am 17. April 2012

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 17.
Zivilsenats des [X.]
[X.] vom 7.
Februar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert beträgt 47.946,70

.

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehler-hafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren in Anspruch.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Gegen das seinem Prozess-bevollmächtigten am 20.
September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger frist-gerecht Berufung eingelegt. Die vom 22.
November 2010, einem Montag, datie-1
2
-
3
-
rende zwölfseitige Berufungsbegründung übermittelte
der Klägervertreter vorab mittels Telefax an das Berufungsgericht. Der bei den Gerichtsakten befindliche Faxausdruck trägt Aufdrucke des [X.] mit dem Datum des 23.
November 2010 sowie [X.] von 00:49
Uhr (Seite 1) bis 00:51
Uhr (Seite
12). Datums-
und [X.]e des Empfangsgeräts des Berufungsgerichts weist die Faxkopie wegen einer ab dem 22.
November 2010 bestehenden mehrtägigen Störung dieses Geräts nicht auf. Das Original der Berufungsbegründung ging am 24.
November 2010 bei Gericht ein.
Mit Verfügung vom 24.
November 2010 hat das Berufungsgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung am 23.
November 2010 per Telefax eingegangen sei,
und mit Verfügung vom 13.
Dezember 2010 ergänzend mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu ver-werfen.
Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, die Berufungsbegrün-dung sei am 22.
November 2010 vor 24:00
Uhr und daher rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen. Hierzu hat er vorgetragen, der seinem Pro-zessbevollmächtigten vorliegende Sendebericht weise zwar als Eingang des [X.] bei dem Berufungsgericht ebenfalls den 23.
November 2010, 00:49
Uhr, aus. Sein Prozessbevollmächtigter sei sich aber
sicher, dass die Faxübertragung am 22.
November 2010 vor 24:00
Uhr
beendet gewesen
sei, weil ihm noch vor 24:00
Uhr der Sendebericht vorgelegen habe. Nach dem Ausdruck des Sendeberichtes habe der Prozessbevollmächtigte auf die schräg gegenüber dem Faxgerät in etwa 1,50
m Entfernung an der Wand hängende und bequem einzusehende Funkuhr geschaut; danach sei es deutlich vor 24:00
Uhr gewesen. Die Funkuhr habe seit Jahren
keine Ungenauigkeiten ge-zeigt und ein nach dem hier streitigen Vorfall über das [X.] durchgeführter Abgleich der Funkuhr mit der Atomuhr habe eine sekundengenaue Überein-3
4
-
4
-
stimmung beider Uhren ergeben. Um 00:49
Uhr sei der Prozessbevollmächtigte bereits zu Hause gewesen.
Nach Bekanntwerden des Vorgangs in der Kanzlei habe eine Mitarbeite-rin erklärt, am 24.
November 2010 festgestellt zu haben, dass das Faxgerät eine falsche Uhrzeit angebe. Sie habe daraufhin die Uhr des Faxgeräts -
in Ori-entierung an der Funkuhr
-
um 53 Minuten zurückgestellt. Die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax sei deshalb tatsächlich 53 Minuten früher erfolgt als Sendebericht und [X.] dies auswiesen. Die Vorlage eines entsprechenden Einzelverbindungsnachweises sei nach der -
zu den [X.] gereichten
-
schriftlichen Auskunft des zuständigen Providers für Verbin-dungen zu einer Festnetznummer wie derjenigen des Berufungsgerichts nicht möglich, weil bei der von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gewählten Flatrate solche Verbindungen nicht registriert würden. Als Erklärung der fal-schen Uhrzeitangabe
im Faxgerät könne nur darauf verwiesen werden, dass die Zeitumstellung am 31.
Oktober 2010 nicht mit vollzogen worden sei, so dass die Uhr am 22.
November 2010 noch immer die Sommerzeit angezeigt habe. Wegen der Differenz von 7
Minuten zum einstündigen Unterschied zwischen Sommer-
und Winterzeit sei auf die "normale" Ungenauigkeit, mit der bei
einer Faxuhr immer gerechnet werden müsse, zu verweisen.
Hilfsweise hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er sich auf die anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten
und
die eidesstattliche Versiche-rung einer Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei bezogen
sowie in verschiedener Hinsicht Zeugen-
bzw. Sachverständigenbeweis angetreten.
5
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-
5
-
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückwei-sung des [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fristwahrende Übermittlung der Berufungsbegründung lasse sich nicht feststellen. Der Vorgang könne nicht weiter aufgeklärt werden, da insbesondere ein Empfangsprotokoll des gerichtlichen Faxgeräts nicht [X.]. Dies müsse zu Lasten des für die Fristwahrung beweisbelasteten [X.] gehen, in dessen Sorgfalts-
und [X.] die Ungewissheit der [X.] Übermittlung falle.
Auf das [X.] könne der Kläger sich nicht beziehen, da das Telefaxgerät des [X.] an dem fraglichen Tag gestört gewesen sei. Der rechtzeitige Zugang könne auch nicht durch einen Einzelverbindungs-nachweis des gerichtlichen Telekommunikationsdienstleisters nachgewiesen werden. Das Berufungsgericht habe sich hierum bemüht, jedoch die Auskunft der zuständigen St[X.]tszentrale erhalten, dass ein [X.] für eingehende Nachrichten nicht möglich sei.
Der [X.] weise als Sendezeit Dienstag, den 23.
November 2010, 00:49
Uhr, aus. Demnach sei der Empfang der [X.] erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt.
Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, dass das Faxgerät seines Pro-zessbevollmächtigten zum maßgeblichen Zeitpunkt 53
Minuten vorgegangen sei. Der Berufungssenat vermöge
aus den eidesstattlichen Versicherungen des Prozessbevollmächtigten und der Kanzleimitarbeiterin nicht die vom Kläger ge-wünschte Schlussfolgerung zu ziehen. Der Nachweis des Eingangs bei Gericht noch am 22.
November 2010 sei damit nicht geführt.
Dass die Uhrzeitanzeige des Faxgeräts noch am 22.
November 2010 den Stand vor der am 31.
Oktober 2010 erfolgten Zeitumstellung ausgewiesen 8
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-
haben solle, setze voraus, dass das [X.] über drei Wochen die Zeitdifferenz nicht bemerkt habe. Das erscheine ausgeschlossen. Die auf dem Display ersichtliche falsche Uhrzeit müsse schon viel früher aufgefallen sein. Dabei könne durchaus davon ausgegangen werden, dass die betreffende Kanz-leimitarbeiterin am 24.
November 2010 die falsche Zeitangabe bemerkt und unverzüglich korrigiert habe. Die Möglichkeit einer Manipulation an der Uhrzeit-angabe des Sendegeräts sei nach dem Ablauf der Dinge nicht ausgeräumt. Nach den kanzleiinternen Vorgängen erscheine es möglich, dass ein Kanzlei-mitarbeiter im fraglichen Zeitraum in Kenntnis der Fristüberschreitung die Uhr im Faxgerät wieder vorgestellt habe und dies alsbald von der Mitarbeiterin [X.] worden sei.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er sich lediglich dagegen
wendet, dass das Berufungsgericht den Nachweis der Frist-wahrung nicht als geführt angesehen
hat.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die kraft Gesetzes (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1,
§
522
Abs.
1 Satz 4 ZPO)
statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.] (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO), weil der angefochtene Beschluss den Kläger
in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG
i.[X.]. dem Rechtsst[X.]tsprinzip) sowie in seinem verfas-13
14
15
16
-
7
-
sungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Jedenfalls aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen durfte das Berufungsgericht die Berufung des [X.] nicht mit der Begründung nach §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO
als [X.] verwerfen, die
Berufungsbegründung sei nicht bis zum Ablauf des 22.
November 2010 -
und damit verspätet
-
eingereicht worden.
a) Das Berufungsgericht hat nach §
522 Abs.
1 Satz
1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzli-chen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässig-keitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzei-tigkeit der Begründung geht, der so genannte Freibeweis. Danach ist das [X.] weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetz-lichen Beweismittel beschränkt. Im Rahmen des [X.] können deshalb grundsätzlich auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden. Eine eidesstattliche Versicherung reicht allerdings für sich genommen regelmäßig nicht zum Nachweis der Fristwahrung aus, da sie lediglich auf [X.] angelegt ist, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten [X.] genügt. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muss indessen -
wie auch die übrigen Zulässigkeitsvor-aussetzungen eines Rechtsmittels
-
zur vollen Überzeugung des Gerichts [X.] werden; an die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren Anforderungen gestellt als sonst ([X.], Beschlüsse vom 16.
Januar 2007 -
VIII
ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn.
8
ff. [X.] und vom 15.
September 2005
-
III
ZB 81/04, NJW 2005, 3501). Hiernach etwa verblei-bende Zweifel gehen zu Lasten des Rechtsmittelführers, der zu beweisen hat, dass er die Berufung rechtzeitig begründet hat ([X.], Beschluss vom 24.
Juli 17
18
-
8
-
2003 -
VII
ZB 8/03, [X.], 3487; Senatsbeschluss vom 15.
September 2009 -
XI
ZB 29/08, juris Rn.
12).
b) Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob
die gesendeten Signale bei
Ablauf des letzten Tages der Frist -
hier also am
22.
November 2010 bis 24:00
Uhr
-

vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen, d.h. gespeichert worden sind ([X.], Beschlüsse
vom 25.
April 2006 -
IV
ZB 20/05, [X.]Z 167, 214 Rn.
18, vom 8. Mai 2007 -
VI [X.], NJW 2007, 2045 Rn. 12, vom 15.
September 2009 -

XI
ZB
29/08, juris Rn.
16
und vom 18.
November 2010
-
I
ZB 62/10, juris Rn.
5). Die [X.] ist dabei nach der gesetzlichen Zeit gemäß §
4 i.[X.]. §
6 Abs.
2 Nr.
2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwe-sen und die Zeitbestimmung (Einheiten-
und [X.] -
EinhZeitG)
i.d.F. durch Art.
1 Nr.
1 des Gesetzes vom 3.
Juli 2008 ([X.]
I S.
1185), das mit Wirkung vom 12.
Juli 2008 an die Stelle des früheren Gesetzes über die Zeitbe-stimmung
([X.]) getreten ist, zu beurteilen, wofür grundsätzlich den Aus-künften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (Se-natsbeschluss vom 15.
September 2009 -
XI
ZB 29/08, juris Rn.
12).
c) Hiernach
erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, eine frist-wahrende Übermittlung der Berufungsbegründung vom
22.
November 2010 an das [X.] lasse sich nicht feststellen, zumindest
aufgrund der bis-lang erfolgten
Sachaufklärung als nicht tragfähig.
[X.]) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass
weder für das Absendegerät des Prozessbevollmächtigten
des [X.] noch für das gerichtliche Empfangsgerät Einzelverbindungsnachweise zur Verfügung stehen und wegen einer im fraglichen Zeitraum bestehenden Störung dieses 19
20
21
-
9
-
Geräts
auch kein automatischer [X.] der Empfangszeit auf dem
Faxausdruck erfolgt ist. Nicht zweifelsfrei geklärt erscheint hiernach freilich, ob die betreffende Störung des Empfangsgeräts lediglich den Aufdruck der Ein-gangsdaten auf dem [X.]
als solchen
oder auch schon die interne Speicherung dieser Daten im
Gerät
betraf, so dass auch deren "Auslesen"

-
etwa durch Ausdruck eines sämtliche Eingangsdaten eines bestimmten [X.] zusammenfassenden Faxjournals oder auf andere Weise
-
nicht erfolgte bzw. nicht möglich war. Insbesondere die bei den Gerichtsakten
befindliche
E-Mail betreffend eine telefonische Auskunft der St[X.]tszentrale enthält hierzu keine Erkenntnisse.
bb) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die auf eine mögliche Manipu-lation der Uhrzeitanzeige des Sendegeräts abstellende Schlussfolgerung des Berufungsgerichts -
das seiner Entscheidung zufolge von einer
zwischen dem 31.
Oktober und dem 22.
November 2010 bereits erfolgten Umstellung von Sommer-
auf Winterzeit an dem Sendegerät ausgegangen sei
-
sei derart spe-kulativ und verwickelt, dass sie nicht Grundlage einer ordnungsgemäßen Wür-digung des klägerischen Sachvortrags sein könne. Das Berufungsgericht habe bereits übersehen, dass bei einer unterstellten Absendung des [X.] nach Mitternacht die "einfachste"
Manipulation darin bestanden habe, die Uhrzeitan-zeige des [X.] vor der Übermittlung des Schriftsatzes an das Gericht um eine Stunde zurückzusetzen, so dass in der Kopfzeile des Ausdrucks das Datum des 22.
November 2010 erschienen wäre. Gegen die stattdessen vom Berufungsgericht für möglich gehaltene Manipulation erst im Nachhinein spre-che
entscheidend, dass der Absender zu diesem Zeitpunkt
nicht habe wissen können, dass das Empfangsgerät
die [X.] nicht aufdruckte und von den beteiligten [X.] auch keine Einzelverbin-dungsnachweise zu erlangen waren. Ein Vorstellen der Sendezeit nach Absen-dung des [X.], damit der betreffende Fehler am übernächsten Morgen
22
-
10
-
-
nach dem Klägervortrag am 24.
November 2010
-
einer Sekretärin auffalle, die sodann eine bislang unterbliebene Zeitumstellung auf die Winterzeit bezeugen solle, erscheine ex [X.] nicht als erfolgversprechender [X.].
Zudem habe das Berufungsgericht im Rahmen der von Amts wegen ge-botenen Prüfung den Inhalt der Gerichtsakten nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Insbesondere habe es übersehen, dass bei der gleichfalls mittels Telefax erfolgten Übersendung der Berufungsschrift am 20.
Oktober 2010 (Sendezeit: 17:25
Uhr, Empfangszeit: 17:30
Uhr) die Sommerzeit annähernd richtig eingestellt gewesen sei und sich hieran bei der [X.] ei-nes Empfangsbekenntnisses an das [X.] am 2.
November 2010 ([X.]: 16:53
Uhr, Empfangszeit: 16:02
Uhr)
fehlerhafter Weise noch nichts ge-ändert gehabt habe.
cc) Ob diese Ausführungen -
einschließlich der im [X.] ergänzend vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen aller in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des [X.] tätigen Rechtsanwälte und Mitarbeiterinnen zur Frage einer etwa vor dem 24.
November 2010 erfolgten Umstellung des Faxgeräts von Sommer-
auf Winterzeit
-
geeignet sind, die in tatrichterlicher Würdigung des Streitstoffs gewonnene Annahme des [X.], eine (nachträgliche) Manipulation des [X.] sei nicht auszuschließen, durchgreifend in Zweifel zu ziehen, kann im Ergebnis auf sich beruhen. Denn die betreffende Annahme vermag die Verwerfung der Berufung
jedenfalls aus einem anderen Grunde zumindest derzeit nicht
zu rechtfertigen:
(1) Der Kläger hat
auf die Hinweise des Berufungsgerichts zur Verfris-tung der Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 20.
Dezember 2010 auch vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter sei sich "ganz sicher", dass die Te-lefax-Übertragung noch am 22.
November 2010 vor 24:00
Uhr beendet gewe-23
24
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-
11
-
sen sei,
weil vor diesem Zeitpunkt bereits der Sendebericht vorgelegen habe. Nach dem Ausdruck des Sendeberichtes habe der Prozessbevollmächtigte auf die in dem betreffenden Büroraum befindliche Funkuhr geschaut, wonach es "deutlich"
vor 24:00
Uhr gewesen sei.
Ein
aufgrund der gerichtlichen Hinweise in dieser Sache erfolgter
Abgleich der Funkuhr mit der Atomuhr
habe eine se-kundengenaue Übereinstimmung ergeben. Die Richtigkeit dieser Sachdarstel-lung hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] anwaltlich versichert.
(2) Dieser Sachverhalt
ist auf der Grundlage der bisherigen [X.] mit der vom Berufungsgericht für nicht ausgeräumt erachteten Möglichkeit einer nachträglichen Manipulation der Uhrzeitanzeige des Sendegeräts nicht in Einklang zu bringen. Wenn bei Ausdruck des Sendeberichts, d.h. also nach Ab-schluss des Sendevorgangs,
die Funkuhr
die
-
mangels gegenteiliger Anhalts-punkte
-
zutreffende tatsächliche Uhrzeit "deutlich"
vor 24:00
Uhr anzeigte, dann kann jedenfalls nach derzeitigem Sach-
und Streitstand nicht ausge-schlossen werden, dass die vom Sendegerät der Prozessbevollmächtigten des [X.] versendeten Signale auch bereits vor 24:00
Uhr
vom Empfangsgerät des Berufungsgerichts vollständig empfangen (gespeichert) waren.
In diesem Falle wäre für die vom Berufungsgericht auf der Grundlage des übrigen [X.] für möglich erachtete nachträgliche Manipulation der Zeitangabe kein Raum.
Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung
meint, steht dem nicht von vornherein entgegen, dass die von der Rechtsbeschwerde
an anderer Stelle
in Bezug genommene [X.] eines Empfangsbekenntnisses von der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des [X.] an das [X.] für den 2.
November 2010 einen Zeitunterschied von lediglich 51
Minuten
(Sende-zeit: 16:53
Uhr, Empfangszeit: 16:02
Uhr) belegt, so dass -
da der Faxausdruck der letzten Seite der Berufungsbegründung vom 22.
November 2010 die Sen-26
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-
12
-
dezeit "00:51
Uhr"
ausweist
-
die vollständige Begründungsschrift nicht vor dem 23.
November 2010, 0:00
Uhr, bei
Gericht eingegangen sein könne, was schon
verspätet sei (vgl. insoweit [X.], Beschluss vom 8.
Mai 2007 -
VI
[X.], NJW 2007, 2045 Rn.
12).
Denn nach dem durch das Zeugnis einer Kanzleimit-arbeiterin unter Beweis gestellten Vortrag des [X.] ging die Uhr des Sende-geräts an dem auf den 22.
November 2010 folgenden übernächsten Tag, am 24.
November 2010,
im Abgleich mit der Funkuhr um 53
Minuten vor.
Bei einer solchen Zeitdifferenz ist die noch fristgerechte Übermittlung grundsätzlich mög-lich.
(3) Die angefochtene Entscheidung lässt -
wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt
-
nicht erkennen, dass das Berufungsgericht den vorstehenden Sachvortrag in seine Erwägungen einbezogen bzw. aus welchen Gründen es ihn ggf. für unbeachtlich gehalten hat
(Art.
103 Abs.
1 GG). Sofern
die [X.] in der angefochtenen Entscheidung, das Berufungsgericht vermöge "aus den eidesstattlich versicherten Darstellungen des Prozessbevollmächtigten und der Mitarbeiterin H.

nicht die vom Kläger gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen",
auch in dem Sinne gemeint sein sollte, dass allein die bloße anwaltli-che Versicherung des betreffenden Geschehens nicht geeignet sei, um den vollen Beweis für die fristgerechte Einreichung der Berufungsbegründung zu erbringen, hätte das Berufungsgericht
darin auch ein Angebot zur Vernehmung des Anwalts als Zeugen sehen (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Dezember 2011
-
VII
ZB 35/11 Rn.
10 [X.], zur [X.] vorgesehen), jedenfalls die Parteien darauf hinweisen und ihnen Gelegenheit geben müssen, Zeugenbe-weis anzutreten oder auf andere Beweismittel zurückzugreifen (st. Rspr., vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Januar 2007 -
VIII
ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn.
11 [X.]). Im vorliegenden Falle wäre nach Lage der Dinge vor allem eine zeugen-schaftliche Benennung des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. [X.] [X.]O), den der Kläger -
wie die 28
-
13
-
Rechtsbeschwerde ausdrücklich
geltend macht
-
im Falle eines gerichtlichen Hinweises auch zu den in Rede stehenden Umständen benannt hätte.
(4) Entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung
war ein entsprechender Hinweis hier nicht allein schon deshalb entbehrlich, weil das Berufungsgericht dem Kläger mit Verfügung vom 12.
Januar 2011 aufgegeben hatte, "durch Vor-lage eines Einzelverbindungsnachweises
bezüglich des in Rede stehenden Faxschreibens seinen Vortrag weiter zu belegen und zum Grund des falschen [X.]s (Uhrzeit des Sendegeräts) näher vorzutragen". Der Kläger
-
der der gerichtlichen Auflage durch Vorlage des Schreibens der

Kundenbetreuung vom 15.
Januar 2011
sowie durch den Vortrag, die Zeitdiffe-renz sei nur durch den unterbliebenen Vollzug der Zeitumstellung zu erklären, nachgekommen ist
-
musste
aufgrund dieses Hinweises, in dem ausdrücklich von einem "falschen [X.][s]"
die Rede war, nicht damit rechnen, das Berufungsgericht werde sodann seiner Entscheidung -
gerade umgekehrt
-
zu-grunde legen, der [X.] sei zutreffend.
Er hatte deshalb keine Veranlassung, seinen zum Zeitpunkt des gerichtlichen Hinweises vom 12.
Januar 2011 bereits erfolgten Sachvortrag betreffend den Blick auf die Funkuhr und deren späteren Abgleich mit der Atomuhr, dessen Richtigkeit sein Prozessbevollmächtigter ebenfalls schon
anwaltlich versichert hatte, für [X.], geschweige denn insoweit über diese Versicherung hinaus den Antritt des Zeugenbeweises für erforderlich zu halten.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
577
Abs.
4 Satz
1 ZPO).
29
30
-
14
-
Die weitere Sachaufklärung gibt insbesondere auch Gelegenheit, der Frage nachzugehen, ob in anderen Verfahren als dem vorliegenden unmittelbar vor dem 22.
November 2010 -
als die Störung des gerichtlichen Empfangsge-räts betreffend den Aufdruck der [X.] noch nicht bestand
-
bei dem Berufungsgericht Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des [X.] einge-gangen sind, die
die
hier in Rede stehende zeitliche Divergenz zum
Sendezeit-punkt aufweisen; auf der Grundlage des [X.] müsste dies der Fall sein.
Da die Prozessbevollmächtigten des [X.] in L.

ansässig sind, liegt die Annahme zumindest
nicht fern, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt auch in weiteren Verfahren bei dem Berufungsgericht tätig waren und Schrift-sätze (mittels Telefax) eingereicht haben.
In seine abschließende Würdigung wird das Berufungsgericht auch den erklärungsbedürftigen Umstand einzubeziehen haben, dass der Prozessbe-vollmächtigte des [X.], der nach dem Klägervortrag einerseits einen -
bis-lang nicht bei den Gerichtsakten befindlichen
-
Sendebericht erhalten hat, wo-nach der Eingang des [X.] bei dem Berufungsgericht eindeutig verspätet erfolgte, andererseits bei Ausdruck eben dieses Berichts gesehen haben will, dass die Funkuhr eine hiervon abweichende Uhrzeit "deutlich" vor Mitternacht anzeigte, dieser Divergenz offenbar seinerzeit keinerlei Bedeutung [X.] hat.
Die umfassende Ausschöpfung der dem Berufungsgericht zu Gebote
stehenden Erkenntnismöglichkeiten erscheint hier nicht zuletzt auch deshalb

31
32
33
-
15
-

unerlässlich, weil -
ungeachtet der grundsätzlich den Kläger treffenden Beweis-last
-
die bestehende Unsicherheit hinsichtlich der zutreffenden Eingangsdaten zumindest auch
auf einem Defekt des gerichtlichen Empfangsgeräts beruht.

Joeres

Grüneberg

[X.]

Matthias

Pamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.09.2010 -
11 O 339/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.02.2011 -
17 [X.] -

Meta

XI ZB 4/11

17.04.2012

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. XI ZB 4/11 (REWIS RS 2012, 7300)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7300

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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