Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2011, Az. VII R 30/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 4380

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Gegenstand

(Formunwirksamkeit einer Klageerhebung per E-Mail ohne qualifizierte Signatur - Geringfügige Überschreitung der Frist zur Übermittlung der Revisionsbegründung - Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis wegen Absturz der EDV-Anlage - "Unverzügliche Information" nach § 52a Abs. 2 Satz 3 FGO)


Leitsatz

1. Eine Regelung des hamburgischen Rechts, dass elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG zu versehen sind, "sofern für Einreichungen die elektronische Form vorgeschrieben ist", dahin auszulegen, dass eine formwirksame Klageerhebung per E-Mail die qualifizierte elektronische Signatur erfordert, verletzt Bundesrecht nicht .

2. Ist für den Rechtsverkehr per E-Mail die die Schriftform ersetzende qualifizierte elektronische Signatur vorgeschrieben, so reicht es bei deren Fehlen nicht aus, dass sich aus der E-Mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben. Die Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zum Computerfax ist auf solche Fälle nicht entsprechend anzuwenden .

Tatbestand

1

I. Gegen einen Haftungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) erhob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nach Reduzierung der Haftungssumme im ansonsten erfolglosen Einspruchsverfahren Klage per E-Mail, die unsigniert bei der elektronischen Poststelle des Finanzgerichts ([X.]) am Samstag, dem 17. Mai 2008 um 23:10 Uhr einging. Nachdem der Eingang am 5. Juni 2008 festgestellt worden war, wies das [X.] den Kläger am folgenden Tag darauf hin, dass die von ihm erhobene Klage nicht mit einer Signatur versehen und wegen dieses Formmangels nicht wirksam erhoben worden sei. Am 24. Juni 2008 übersandte der Kläger eine unterschriebene Klageschrift und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, er habe keine Kenntnis von den Anforderungen an eine elektronische Klageeinreichung gehabt. Insbesondere werde auf der Webseite des Gerichts eine E-Mail-Adresse ausdrücklich für Zwecke des elektronischen Gerichtsverkehrs angegeben, ohne dass zugleich auf das Erfordernis einer elektronischen Signatur hingewiesen werde. Durch diese Webseite habe er die E-Mail-Adresse des Gerichts bekommen und von der Möglichkeit der Klageerhebung per E-Mail erfahren. Als juristischer Laie sei ihm hinsichtlich der gesetzlichen Anforderungen an eine elektronische Klageerhebung kein Vorwurf zu machen. Zudem hätte das Gericht die Möglichkeit gehabt, ihn auf die mangelnde Form der Klageerhebung noch vor Ablauf der Klagefrist hinzuweisen. Die Mitteilung über die Fristversäumung sei ihm nicht vor dem 10. Juni 2008 zugegangen, so dass die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gewahrt sei.

2

Das [X.] wies die Klage als unzulässig ab, da sie verfristet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei. Der Kläger habe es schuldhaft unterlassen, der E-Mail, mit der er Klage erhoben hat, eine qualifizierte Signatur beizufügen, wie dies bei der gebotenen Auslegung in § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in [X.] vom 28. Januar 2008 ([X.]) i.V.m. § 52a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) vorgeschrieben sei. Während des Erörterungstermins habe er zugegeben, dass ihm die Anforderungen an eine elektronische Klageerhebung bekannt gewesen seien, insbesondere dass er sich bewusst gewesen sei, dass es sich bei der elektronischen Signatur um "eine komplexe Angelegenheit" handele. Er habe nicht erklären können, warum er seine Klage gleichwohl ohne elektronische Signatur abgeschickt hat. Die Entscheidung des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1333 veröffentlicht.

3

Das Urteil ist dem Kläger am 20. April 2010 zugestellt worden. Am 6. Mai 2010 hat er Revision eingelegt. Auf Antrag verlängerte der Vorsitzende des erkennenden Senats die Begründungsfrist bis zum 5. Juli 2010. Das Telefax-Empfangsgerät des Bundesfinanzhofs ([X.]) zeichnete die 5-seitige Revisionsbegründung auf. Die ersten drei Seiten gingen nach dem Aufdruck auf jeder Seite am 5. Juli 2010 in der [X.] zwischen 23:58 Uhr und 23:59 Uhr, Seite 4 und 5 am 6. Juli 2010 um 00:00 Uhr und 00:01 Uhr ein. Auf den Hinweis der [X.], dass Teile der Revisionsbegründung mit der Unterschrift verspätet eingegangen seien, beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist zur Revisionsbegründung.

4

Er versicherte an Eides statt, er habe die Revisionsbegründung im Wesentlichen am 4. Juli 2010 erstellt und die Arbeit am 5. Juli 2010 rechtzeitig abgeschlossen. Der rechtzeitige Telefaxversand an den [X.] sei daran gescheitert, dass sich bei dem Versuch, das fertige Word-Dokument um 23:20 Uhr zu speichern, herausgestellt habe, dass der Server nicht in Betrieb gewesen und auch nach mehreren [X.] nicht wieder in Gang gekommen sei. Um 23:45 Uhr habe er dann einen lokalen Drucker mit dem dafür erforderlichen Treiber auf seinem Arbeitsplatzrechner installiert. Das habe weitere zehn Minuten beansprucht, so dass der Schriftsatz erst wenige Minuten vor Mitternacht gedruckt, unterzeichnet und per Telefax an den [X.] habe gesendet werden können mit der Folge, dass die letzte Seite erst am 6. Juli 2010 dort eingegangen sei.

5

Zur weiteren Glaubhaftmachung übersandte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung des Netzwerkadministrators der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten.

6

Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, er habe form- und fristgerecht Klage beim [X.] erhoben, weshalb ihm auf die am 24. Juli 2010 nachgereichte schriftliche Klage Wiedereinsetzung zu gewähren gewesen sei, nachdem das [X.] ihm erst zwanzig Tage nach Zugang der E-Mail seine Bedenken gegen die Form der Klageschrift mitgeteilt habe. Das Urteil beruhe auf einer Verletzung der §§ 52a und 64 [X.]O und der zu ihrer Durchführung erlassenen landesrechtlichen Vorschriften. In Bezug auf die hamburgische Verordnung sei die Frage entscheidend, ob die Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] HA 2008 durch das [X.] mit § 52a [X.]O zu vereinbaren sei und bundesrechtlichen Auslegungsregeln entspreche.

7

Beides sei zu verneinen. Entgegen der Auffassung des [X.] sei eine qualifizierte elektronische Signatur der per E-Mail übermittelten Klage weder in § 52a [X.]O noch in § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] HA 2008 vorgeschrieben. Bei der Bestimmung in § 52a Abs. 3 Satz 1 [X.]O, wonach eine qualifizierte Signatur vorzuschreiben sei, handele es sich nach Auffassung des [X.] (Beschluss vom 30. März 2009 [X.]/08, [X.]E 224, 401, [X.], 670) um eine Vorgabe an den Verordnungsgeber, nicht aber um eine von den Verfahrensbeteiligten zu beachtende Vorschrift. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] HA 2008 bestehe eine Pflicht zur Verwendung einer qualifizierten Signatur nur, soweit für eine Einreichung die elektronische Form vorgeschrieben sei. Für die nach § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] HA 2008 ermöglichte weitere Form der Klageerhebung neben der schriftlichen oder zu Protokoll erhobenen Klage sei demnach die qualifizierte Signatur nicht zwingend angeordnet. Dass der landesrechtliche Verordnungsgeber damit hinter der [X.] der Ermächtigung [X.], erlaube dem [X.] nicht, § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] HA 2008 gegen seinen Wortlaut auch auf die elektronische Klageerhebung anzuwenden, die nur als weitere Option zur Verfügung gestellt sei. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob in [X.] ein rechtsförmliches Verfahren zur Signatur überhaupt existiere, da in [X.] nach § 3 [X.] HA 2008 entgegen der Verordnungsermächtigung nicht die zuständige oberste Landesbehörde, sondern die im Auftrag der Gerichte tätige Betreiberin der elektronischen Poststelle "[X.]" tätig geworden sei. Außerdem leite das [X.] die Notwendigkeit einer elektronischen Signatur für eine Klageerhebung per E-Mail auch deshalb zu Unrecht aus § 52a [X.]O i.V.m. § 2 Abs. 3 [X.] HA 2008 ab, weil das dabei zu beachtende Verfahren dort nur insoweit geregelt sei, als es auf Bekanntmachungen verweise, die es unter der angegebenen Internetadresse www.poststelle.[X.] nicht gebe, während auf die "[X.]", die sich in einem Untermenü der Webseite [X.] befänden, in der Verordnung nicht hingewiesen werde. Mangels verbindlicher Verfahrensvorschriften bleibe die elektronische Klageeinreichung zum [X.] daher ohne Signatur möglich.

8

Sollte mit dem [X.] von der Formunwirksamkeit der elektronisch erhobenen Klage auszugehen sein, müsse ihm für seine später schriftlich vorgelegte Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Ohne das die 19 Tage verspätete Feststellung des [X.] auslösende Organisationsverschulden des [X.] hätte das Gericht ihn rechtzeitig auf den Formmangel hinweisen und ihm die Möglichkeit der formgerechten Klageerhebung vor Ablauf der Klagefrist geben können. Im Übrigen fehle es an seinem Verschulden schon deshalb, weil sich ihm die vom [X.] aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 52a und § 64 [X.]O mit der [X.] HA 2008 hergeleitete Notwendigkeit einer elektronischen Signatur nicht habe aufdrängen müssen. Das von der Landesjustizverwaltung und den Gerichten erwartete Verfahren sei ihm im Einzelnen nicht bekannt gewesen und mangels verbindlicher Verweisung auf eine funktionsfähige Internet-Fundstelle habe er es auch nicht kennen können. Dass er ausweislich des Protokolls des Erörterungstermins geahnt habe, dass es sich dabei um "eine komplexe Angelegenheit" handele, ersetze diese Kenntnis vom Verfahren nicht, da er sie auch bei größter Anstrengung auf dem Weg, den die [X.] weise, nicht habe erlangen können.

9

Das [X.] trägt vor, dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der [X.] nicht zu gewähren, da der Prozessbevollmächtigte geeignete Maßnahmen habe ergreifen müssen, um einem wahrscheinlich hitzebedingten Ausfall seiner EDV-Anlage vorzubeugen. Im Übrigen sei die Revision aber auch unbegründet, da die Klageerhebung mit unsignierter E-Mail aus den vom [X.] aufgezeigten Gründen unwirksam gewesen und dem Kläger Wiedereinsetzung wegen der daraus folgenden Versäumung der Klagefrist zu Recht nicht gewährt worden sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a [X.]O. Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

1. Die Revision ist zulässig.

a) Zwar hat der Kläger die (verlängerte) Begründungsfrist nicht eingehalten. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 [X.]O ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich zu begründen. Im Streitfall ist diese Frist vom Vorsitzenden des [X.]s gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 [X.]O bis zum 5. Juli 2010 verlängert worden. Die Revisionsbegründung hätte somit beim [X.] bis zum Ablauf dieses Tages eingehen müssen. Die vollständige [X.] des [X.] ist jedoch erst am 6. Juli 2010 eingegangen.

Ebenso wie für die Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) ist auch für die Revisionsbegründung Schriftform vorgeschrieben. Bei einem per Telefax dem Gericht übermittelten Schriftsatz wird die erforderliche Schriftform als gewahrt angesehen, wenn das Telefax nicht nur den Namen des Prozessbevollmächtigten, sondern auch dessen auf dem Original des per Telefax übersandten Schriftsatzes befindliche Unterschrift erkennen lässt. Ein fristgebundener bestimmender Schriftsatz, der dem Gericht per Telefax übermittelt wird, geht daher nur dann fristgerecht beim Gericht ein, wenn er innerhalb der Frist von dem Empfangsgerät vollständig, d.h. einschließlich der Seite, welche die Unterschrift trägt, aufgezeichnet worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]sbeschluss vom 25. November 2003 [X.], [X.]/NV 2004, 519, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da nach dem auf jeder Seite der [X.] befindlichen [X.] die Seite 5 mit der in Kopie wiedergegebenen Unterschrift des Prozessbevollmächtigten am 6. Juli 2010, 00:01 Uhr, also erst nach Fristablauf, von dem Telefaxgerät des [X.] empfangen worden ist. Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich nach diesem [X.] durch das Telefaxgerät des Gerichts (vgl. [X.]sbeschluss vom 2. März 2000 VII [X.]/99, [X.]/NV 2000, 1344, m.w.N.). Die Zeiteinstellung des Telefaxgerätes des [X.] wird regelmäßig kontrolliert. Anhaltspunkte, dass die Zeiteinstellung im hier maßgeblichen Zeitpunkt unzutreffend war, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch wenn die Fristüberschreitung im Streitfall äußerst geringfügig gewesen ist, kann sie gleichwohl nicht vernachlässigt werden, da ansonsten eine klare Entscheidung über die Rechtskraft eines Urteils nicht möglich wäre ([X.]-Beschluss vom 2. Dezember 1991 [X.]/91, [X.]/NV 1992, 532).

b) Dem Kläger ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sein Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden er sich wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsste (§ 155 [X.]O i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), ohne Verschulden verhindert war, die [X.] einzuhalten (§ 56 Abs. 1 [X.]O).

Grundsätzlich darf eine Frist im Interesse des Rechtsschutz suchenden Bürgers bis zuletzt ausgeschöpft werden (vgl. [X.]-Beschluss vom 28. September 2000 [X.]/00, [X.]E 193, 40, [X.] 2001, 32, m.w.N.). Jedoch ist beim vollen Ausnutzen der Frist besondere Sorgfalt auf die Fristwahrung zu verwenden. Wird ein fristwahrender Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf per Telefax an das Gericht übermittelt und geht er dort verspätet ein, so ist die Fristversäumung nur dann unverschuldet, wenn der Absender mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen konnte (Beschluss des [X.] vom 19. November 1999  2 BvR 565/98, [X.] 2000, 574; [X.]sbeschluss in [X.]/NV 2004, 519).

Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat glaubhaft dargelegt, dass er mit der Übermittlung der Revisionsbegründung am 5. Juli 2010 um 23:20 Uhr beginnen wollte und die rechtzeitige Übermittlung allein an dem bis dahin nicht festgestellten Systemabsturz seiner EDV-Anlage scheiterte. Sein durch die Angaben des Netzwerkadministrators unterstütztes Vorbringen, dass es aus unvorhersehbaren technischen Gründen zu dem Zeitverzug gekommen sei, ist nachvollziehbar. Insbesondere ist dem Prozessbevollmächtigten nicht vorzuwerfen, dass er zu spät mit der Übermittlung begonnen hat. Zum einen reicht ein Zeitraum von 40 Minuten auch unter Einberechnung möglicher Besetztzeiten des Empfangsgeräts beim [X.] regelmäßig aus, einen 5-seitigen Schriftsatz per Telefax zu versenden. Zum anderen hatte der Prozessbevollmächtigte bei einer bis dahin fehlerfrei funktionierenden und fachgerecht gewarteten EDV-Anlage keine Veranlassung, einen Ausfall einzukalkulieren, den er nicht aus [X.] rechtzeitig würde beheben können. Letztlich zeigt sich das gerade daran, dass die vom Prozessbevollmächtigten selbst gefundene Lösung des Problems nur zu einer Verzögerung des Telefaxzugangs beim [X.] um eine Minute geführt hat.

2. Die Revision ist unbegründet.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von [X.]recht beruht. Das Urteil des [X.] verletzt entgegen der Auffassung des [X.] [X.]recht nicht.

a) Das [X.] hat seine Entscheidung, dass die vom Kläger per E-Mail übermittelte Klage mangels einer qualifizierten Signatur nicht wirksam erhoben worden sei, auf § 52a Abs. 1 Satz 3 [X.]O i.V.m. § 2 Abs. 3 ERVV HA 2008 gestützt.

In § 52a Abs. 1 [X.]O werden die [X.]regierung und die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass und auf welche Art und Weise elektronische Dokumente dem Gericht übermittelt werden können. In § 52a Abs. 1 Satz 3 [X.]O heißt es: "Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben." Die konkreten Anforderungen an die formwirksame Übermittlung eines elektronischen Dokuments an das Gericht ergeben sich danach unmittelbar aus der Durchführungsverordnung. Denn wie der [X.] bereits entschieden hat, ergibt sich allein aus § 52a Abs. 1 [X.]O keine Pflicht zur Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur. Bei der in § 52a Abs. 1 Satz 3 [X.]O vorgesehenen Regelung, wonach für die dort genannten Dokumente eine qualifizierte elektronische Signatur vorzuschreiben ist, handelt es sich nach dem klaren Wortlaut um eine Vorgabe an den Verordnungsgeber ([X.]-Beschluss in [X.]E 224, 401, [X.] 2009, 670).

Von der Verordnungsermächtigung hat das [X.] durch Erlass der [X.] 2008 Gebrauch gemacht und dort in § 2 Abs. 3 Satz 1 die Regelung getroffen, dass elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes zu versehen sind, "sofern für Einreichungen die elektronische Form vorgeschrieben ist".

aa) Die Bedenken des [X.] gegen die Wirksamkeit der Regelung, dass nämlich nach § 3 ERVV HA 2008 entgegen der Verordnungsermächtigung nicht die zuständige oberste Landesbehörde, sondern die im Auftrag der Gerichte tätige Betreiberin der elektronischen Poststelle "[X.]" tätig geworden sei, sind unbegründet. Die [X.] 2008 ist von der Justizbehörde erlassen worden, auf die gemäß § 1 Nr. 11 der Weiterübertragungsverordnung vom 1. August 2006 ([X.], 455) die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 52a Abs. 1 [X.]O übertragen worden ist. In § 3 ERVV HA 2008 hat die Justizbehörde lediglich --in zulässiger [X.] den Betreiber der elektronischen Poststelle der Gerichte und Staatsanwaltschaften mit der "Bekanntgabe der [X.]", die in dieser Verordnung in allgemeiner Form vorgegeben werden, beauftragt.

Ob diese Bekanntmachungen unter der angegebenen Internetadresse www.poststelle.justiz.hamburg.de für den Kläger auffindbar waren, ist nicht entscheidungserheblich. Denn entgegen der Darstellung des [X.] handelt es sich nicht um verbindliche Verfahrensvorschriften für die elektronische Klageeinreichung zum [X.], sondern --wie sich bereits aus § 3 ERVV HA 2008 ergibt-- es werden lediglich technische Einzelheiten zu den [X.] erläutert. Die nach § 52a Abs. 1 Satz 2 [X.]O durch Rechtsverordnung zu bestimmende "Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind", ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 3 Satz 1 ERVV HA 2008.

bb) Entgegen der Auffassung des [X.] ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Unzulässigkeit einer ohne qualifizierte Signatur per E-Mail übermittelten Klage aus § 2 Abs. 3 Satz 1 ERVV HA 2008 ableitet. Bei der Auslegung von Landesrecht durch das [X.] hat der [X.] lediglich zu überprüfen, ob diese Auslegung mit (höherrangigem) [X.]recht übereinstimmt und ob die Auslegung durch das [X.] bundesrechtlichen Auslegungsregeln entspricht (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 19. Januar 2000 II R 1/98, [X.]/NV 2000, 859; vom 18. März 2003 [X.], [X.]/NV 2003, 1190, m.w.N.).

Dies ist vorliegend zu bejahen. Es begegnet keinen Bedenken, wenn das [X.] den Wortlaut "sofern für Einreichungen die elektronische Form vorgeschrieben ist" für auslegungsbedürftig ansieht. Es stützt sich insoweit zutreffend auf den systematischen Zusammenhang der [X.] 2008 mit den Regelungen in den §§ 52a und 64 [X.]O. Aus diesen Vorschriften ergibt sich zweifelsfrei, dass Klagen nur auf dreierlei Art und Weise erhoben werden können: schriftlich, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder aber elektronisch. Wenn das [X.] auf dieser Grundlage zu der Auslegung gelangt, dass die elektronische Form für die Erhebung einer Klage im finanzgerichtlichen Verfahren demnach als eine von drei Möglichkeiten i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 ERVV HA 2008 "vorgeschrieben" sei, vermag der [X.] darin keinen Anhaltspunkt für die Verletzung bundesrechtlicher Auslegungsregeln zu erkennen. Darauf, ob die Auslegung durch das [X.] zwingend ist, kommt es nicht an. Dem erkennenden [X.] ist es daher verwehrt, diese Auslegung seinerseits zu überprüfen.

b) Das [X.] hat --abgesehen davon, dass der Kläger insoweit nichts vorgetragen [X.] auch zu Recht nicht weiter geprüft, ob sich aus der E-Mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt. Zwar kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Beschluss des Gemeinsamen [X.]s der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98, [X.], 160) bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auf eine eigenhändige Unterschrift selbst bei bestimmenden Schriftsätzen verzichtet werden, wenn diese mittels [X.] bei Gericht eingehen. Ausdrücklich gründet sich diese Auffassung aber darauf, dass beim [X.] --wie schon bei der von der Rechtsprechung gebilligten und zum Gewohnheitsrecht erstarkten Übung der telefonischen [X.] eine eigenhändige Unterzeichnung nicht möglich ist. Für den Rechtsverkehr per E-Mail ist aber gerade eine die Schriftform ersetzende elektronische Signatur eingeführt worden. Für eine erweiternde Anwendung der o.g. Rechtsprechungsgrundsätze auf die Übermittlung bestimmender Schriftsätze per E-Mail besteht mithin keine Veranlassung (a.A. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 52a Rz 6; gl.[X.] in [X.]/[X.]/Spittaler, § 52a [X.]O [X.]; vgl. auch [X.]sbeschluss vom 14. September 2005 [X.], [X.]/NV 2006, 104).

c) [X.] ist auch nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 [X.]O) verneint hat. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Entscheidung insoweit auf der Verletzung von [X.]recht i.S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O beruht.

aa) Wiedereinsetzung kann der Kläger nicht schon deshalb beanspruchen, weil ihn das [X.] nicht unverzüglich nach Eingang der E-Mail über die Formunwirksamkeit der Klage wegen Fehlens der qualifizierten elektronischen Signatur informiert hat, wie dies § 52a Abs. 2 Satz 3 [X.]O grundsätzlich gebietet.

Die E-Mail des [X.] ist am 17. Mai 2008, einem Samstag, um 23:10 Uhr im elektronischen Postfach des [X.] eingegangen. Da die Einspruchsentscheidung dem Kläger am 17. April 2008 zugestellt worden war, ist die Klagefrist am Montag, dem 19. Mai 2008, dem ersten Werktag nach dem letzten Tag der Klagefrist, abgelaufen. Frühestens an diesem Tag hätte das Gericht von der E-Mail Kenntnis nehmen können. Selbst bei strengster Auslegung kann unter "unverzüglicher Information" aber nicht verstanden werden, dass noch am Tag der frühestmöglichen Kenntnisnahme von der E-Mail bereits die Mitteilung des Formfehlers an den Absender herausgehen muss. Ausgehend von einer geordneten Bearbeitung eingehender E-Mail-Schriftsätze bedarf es keiner näheren Begründung, dass weder die zuständige Geschäftsstelle, geschweige denn [X.] verpflichtet sind, noch am Tag des Eingangs einen Schriftsatz auf Formfehler zu überprüfen und ggf. eine Fehlerinformation an den Kläger herauszugeben.

Da der Kläger auch bei unverzüglicher Mitteilung über das Fehlen der Signatur die Klagefrist nicht hätte wahren können, kommt es nicht darauf an, dass das [X.] den Eingang der E-Mail erst am 5. Juni 2008 festgestellt und den Kläger dementsprechend erst am 6. Juni 2008 informiert hat. Wiedereinsetzung wegen Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Information nach § 52a Abs. 2 Satz 3 [X.]O scheidet daher aus.

bb) Soweit der Kläger sich darauf beruft, ihn treffe kein eigenes Verschulden an der ungenügenden Form der elektronischen Klage, weil er der Regelung des § 2 Abs. 3 ERVV HA 2008 --selbst wenn er sie gekannt hätte-- die erst durch Auslegung des [X.] gefundene Notwendigkeit der elektronischen Signatur nicht hätte entnehmen können und es auf die sonstigen Veröffentlichungen der Justizverwaltung mangels rechtlicher Grundlage nicht ankomme, verkennt er, dass das [X.] sein Verschulden bejaht hat, weil er während des Erörterungstermins eingeräumt hat, dass ihm die Anforderungen an eine elektronische Klageerhebung bekannt gewesen seien, insbesondere dass er sich bewusst gewesen sei, dass es sich bei der elektronischen Signatur um "eine komplexe Angelegenheit" handele, und er nicht hat erklären können, warum er seine Klage gleichwohl ohne elektronische Signatur abgeschickt hat. Angesichts dieses vom Kläger nicht in Frage gestellten Sachverhalts kommt es nicht darauf an, ob der Kläger § 2 Abs. 3 Satz 1 ERVV HA 2008 hätte entnehmen müssen, dass eine elektronisch erhobene Klage mit einer elektronischen Signatur zu versehen ist.

Das Verschulden des [X.] sieht das [X.] damit zu Recht letztlich darin, dass er trotz der ihm bekannten Problematik der elektronischen Klageerhebung nichts unternommen hat, die zu gewärtigende Fristversäumnis durch geeignete Maßnahmen --wie etwa persönliches Einwerfen der Klageschrift in den Postbriefkasten des [X.] zu verhindern.

Meta

VII R 30/10

26.07.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 30. März 2010, Az: 6 K 93/08, Urteil

§ 52a FGO, § 64 FGO, § 2 ERVV HA 2008, § 3 ERVV HA 2008, § 120 FGO, § 56 Abs 1 FGO, § 2 Nr 3 SigG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2011, Az. VII R 30/10 (REWIS RS 2011, 4380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4380

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