Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.12.2014, Az. II R 20/14

2. Senat | REWIS RS 2014, 676

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Gegenstand

(Wohnungsbegriff i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG)


Leitsatz

Eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG ist in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses gegeben, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2014  3 K 2428/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Anstalt öffentlichen Rechts, errichtete zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe, Einrichtungen des studentischen Wohnens zu schaffen und bereitzustellen, ein Studentenwohnheim im Erbbaurecht. In dem Wohnheim befinden sich mehrere jeweils 22,10 m

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) stellte für das Studentenwohnheim als Mietwohngrundstück durch Bescheid vom 4. November 2011 im Wege der [X.] auf den 1. Januar 2011 einen im Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert von 452.237 € fest. Der Ansicht der Klägerin, das Studentenwohnheim sei von der Grundsteuer befreit, folgte das [X.] nicht. Der Einspruch blieb insoweit erfolglos. Das [X.] erklärte die Feststellung des Einheitswerts in der Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2012 lediglich hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des [X.] verfassungsgemäß sind, gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung ([X.]) für vorläufig.

3

Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2014, 892 veröffentlicht.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. § 5 Abs. 2 des [X.] ([X.]) und des § 181 Abs. 9 des Bewertungsgesetzes ([X.]). Das Studentenwohnheim sei von der Grundsteuer befreit.

5

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2012 und den Einheitswertbescheid vom 4. November 2011 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass das Studentenwohnheim nicht von der Grundsteuer befreit ist und daher die Feststellung eines Einheitswerts i.S. des § 19 Abs. 4 [X.] für steuerliche Zwecke von Bedeutung ist.

8

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b i.V.m. § 7 GrStG ist Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird, von der Grundsteuer befreit.

9

a) Grundbesitz, der zugleich Wohnzwecken dient, ist nur unter den in § 5 Abs. 1 GrStG genannten Voraussetzungen von der Grundsteuer befreit. Wohnungen sind gemäß § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig, auch wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 GrStG vorliegen, also etwa wenn sie zur Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke überlassen werden. Der Gesetzgeber hat damit eine Entscheidung dahin getroffen, dass bei einer Mehrheit von Räumen, die den Begriff der Wohnung erfüllen, stets das Überwiegen des [X.] anzunehmen und [X.] gegeben ist. Dies verbietet es, Rechtsträgern i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b GrStG eine Grundsteuerbefreiung dann und insoweit zu gewähren, als sie Wohnungen in Verfolgung und in Verwirklichung eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecks [X.] überlassen. Diese Einschränkung der Befreiung von der Grundsteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 21. April 1999 II R 5/97, [X.], 434, [X.] 1999, 496; vom 15. März 2001 II R 38/99, [X.] 2001, 1449, und vom 11. April 2006 II R 77/04, [X.] 2006, 1707; Beschluss des [X.] vom 4. April 1984  1 BvR 1139/82, [X.] 1984, 436).

b) Die von der Rechtsprechung entwickelte typologische Umschreibung des [X.]en Begriffs der Wohnung gilt auch für den [X.] 2 GrStG ([X.]-Urteile in [X.], 434, [X.] 1999, 496, m.w.[X.], und in [X.] 2006, 1707).

Unter einer Wohnung im [X.]en Sinn ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist es u.a. erforderlich, dass die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet und die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie Küche oder zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sind. Für [X.] ab 1. Januar 1974 ist es zudem erforderlich, dass die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden ([X.]-Urteile vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, [X.], 505, [X.] 1985, 151; in [X.], 434, [X.] 1999, 496; in [X.] 2001, 1449, und in [X.] 2006, 1707).

Ist die Führung eines selbständigen Haushalts in einer solchen in sich abgeschlossenen Wohneinheit objektiv möglich, ist die Wohneinheit auch dann als Wohnung zu beurteilen, wenn sie baulich nicht auf die typischen Bedürfnisse einer Familie zugeschnitten ist oder mehrere Bewohner darin tatsächlich keinen gemeinsamen Haushalt führen ([X.]-Urteile vom 30. April 1982 III R 33/80, [X.]E 136, 293, [X.] 1982, 671; in [X.] 2001, 1449, und in [X.] 2006, 1707). Entscheidend ist, dass fremde Dritte keinen freien Zugang haben ([X.]-Urteile in [X.]E 136, 293, [X.] 1982, 671, und in [X.] 2006, 1707).

c) Eine Wohnung in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines [X.] liegt vor, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m

d) Aus § 181 Abs. 9 Satz 4 [X.], wonach das Vorhandensein einer Wohnung eine Wohnfläche von mindestens 23 m

2. Sowohl die [X.] als auch die größeren Raumeinheiten in dem Studentenwohnheim erfüllen somit die Voraussetzungen einer Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 [X.] Sie weisen die erforderlichen Räumlichkeiten und die notwendige Mindestgröße auf und haben den Zweck, Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Sie ermöglichen objektiv die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer. Bei den größeren Raumeinheiten kommt es unabhängig von der jeweiligen konkreten Belegung auf deren Gesamtwohnfläche und nicht auf die Fläche der einzelnen Wohnräume an ([X.]-Urteil in [X.] 1994, 410). Dass die Türen der jeweiligen Wohnräume gesondert abschließbar sind und jeder Wohnraum über eine eigene Klingel sowie einen eigenen Telefon- und Internetanschluss verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies schließt es nämlich objektiv nicht aus, dass in den größeren Raumeinheiten ein selbständiger Haushalt geführt wird, etwa durch ein [X.] Ehepaar mit Kindern.

Wie die Rechtsverhältnisse zwischen der Klägerin und den Personen, denen die Räume zu Wohnzwecken überlassen werden, geregelt sind, spielt [X.] keine Rolle; denn für die steuerliche Beurteilung ist allein die objektive Beschaffenheit der Raumeinheiten maßgebend ([X.]-Urteile in [X.] 1994, 410; in [X.] 2001, 1449, und in [X.] 2006, 1707). Die durch Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch abgesicherte Nutzungsbeschränkung steht dem Vorliegen von Wohnungen ebenfalls nicht entgegen; denn auch Studenten können in Wohnungen leben.

3. Das Verfahren braucht nicht bis zur Entscheidung des [X.] über den zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung ergangenen Vorlagebeschluss des [X.] vom 22. Oktober 2014 II R 16/13 ([X.], 2438) ausgesetzt zu werden. Da das [X.] die Feststellung des Einheitswerts in der Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des [X.] verfassungsgemäß sind, gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] für vorläufig erklärt hat, droht der Klägerin kein [X.] ([X.]-Urteil vom 3. Juni 2014 II R 45/12, [X.]E 245, 374, [X.] 2014, 806, Rz 27, m.w.[X.]). Sollte aufgrund einer Entscheidung des [X.] der [X.] in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben oder zu ändern sein, wäre dies aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks von Amts wegen vorzunehmen.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 20/14

04.12.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 27. Februar 2014, Az: 3 K 2428/12, Urteil

§ 181 Abs 9 S 4 BewG 1991, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 Buchst a GrStG, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 Buchst b GrStG, § 5 Abs 2 GrStG, § 7 GrStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.12.2014, Az. II R 20/14 (REWIS RS 2014, 676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 676

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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