Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2016, Az. I ZB 90/15

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8587

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070716BIZB90.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]/15
vom

7. Juli 2016

in der Rechtsbeschwerdesache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 1063 Abs. 3 Satz 1, § 1065 Abs. 1 Satz 2
Die Anordnung und die Ablehnung vorläufiger Maßnahmen durch den [X.] gemäß § 1063 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind unanfechtbar.
[X.], Beschluss vom 7. Juli 2016 -
I [X.]/15 -
[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
Juli 2016 durch [X.] Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, [X.] und die Richterin Dr. Schwonke
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7.
[X.] des [X.] vom 27.
August 2015 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 30 Mio.

Gründe:
[X.] Die Parteien haben langjährig bei der Entwicklung von [X.] kooperiert. Nach Beendigung der
Zusammenarbeit
ist die Antragsgeg-nerin durch
ein
nach der Schiedsverfahrensordnung des [X.] [X.] ([X.]) gebildetes
Schiedsgericht
mit Schiedsspruch
vom 11.
Juni 2015 im Wesentlichen dazu verurteilt worden, an die Antragstellerin rückständige Lizenzgebühren und Schadensersatz in Höhe von insgesamt 115.378.465,33

ich Zinsen zu bezahlen,
das gesamte bei ihr vorhandene Keimplasma der Antragstellerin mit zugehörigen Unterlagen herauszugeben sowie die weitere Nutzung dieses
Keimplasmas zu unterlassen.
Die Antragstellerin hat beim [X.] beantragt, den Schiedsspruch vom 11.
Juni 2015 für vollstreckbar zu erklären. Die An-tragsgegnerin hat dagegen geltend gemacht, der Schiedsspruch verstoße ge-gen den [X.] im Sinne von Art.
V Abs.
1 Buchst.
b des [X.] vom 10.
Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländi-1
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-
3
-
scher Schiedssprüche ([X.]), weil er kartellrechtswidrige Bestimmungen des zwischen den Parteien am 29.
September 2006 abgeschlossenen [X.] umsetze.
Die Antragstellerin hat
zudem im vorliegenden Verfahren
beim Oberlan-desgericht Braunschweig nach §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO beantragt, ihr die [X.] und die Sicherungsvollstreckung aus dem Schiedsspruch zu gestatten. Sie
behauptet, es
bestehe die konkrete Gefahr, dass die
Antrags-gegnerin
die Zwangsvollstreckung vereiteln werde.
Die Antragstellerin
hat
beantragt,
ihr bis zur Entscheidung des [X.] über den Antrag auf Voll-streckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 11.
Juni 2015 die [X.] zum Zwecke der Sicherung ihrer Ansprüche aus dem Schiedsspruch zu erlauben.
Außerdem begehrt die Antragstellerin
im Wesentlichen, die Antragsgeg-nerin
im Wege der Sicherungsvollstreckung
zu verpflichten, bestimmte Auskünf-te zu erteilen, Herausgabe-
und Auskunftsansprüche der Antragsgegnerin
im Hinblick auf
Zuckerrübenkeimplasma zugunsten der Antragstellerin zu pfänden, der Antragsgegnerin zu verbieten, über das von ihr herauszugebende Zucker-rübenkeimplasma
und
Informationen darüber in bestimmter Weise zu verfügen,
sowie
notwendige Erhaltungsmaßnahmen für das Zuckerrübenkeimplasma zu ergreifen.
Die Vorsitzende des [X.] des
[X.]
hat den Antrag gemäß §
1063 Abs.
3 ZPO als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der Rechtsbeschwerde. Die Antragsgegnerin [X.], die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin als unstatthaft zu verwerfen.
I[X.] [X.] ist nicht statthaft. [X.] über Anordnungen gemäß §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO sind unanfechtbar (§
1065 Abs.
1 Satz
2 ZPO).
Dabei besteht kein Unterschied, ob sich ein An-3
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-
4
-
tragsteller gegen die Ablehnung oder ein Antragsgegner gegen die Anordnung vorläufiger Maßnahmen gemäß §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO wendet.
1. Die Frage, ob Anordnungen zur Durchführung der [X.] gemäß §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO, die in Verfahren zur Vollstreckbarer-klärung (§
1062 Abs.
1 Nr.
4 ZPO) ergehen, der Rechtsbeschwerde unterliegen, ist umstritten. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht
soll
die Unanfecht-barkeit
gemäß §
1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO
nur für Beschlüsse nach §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO gelten, die
sich
auf vorläufige oder sichernde Maßnahmen des Schiedsgerichts
beziehen

1062 Abs.
1 Nr.
3 ZPO). Hingegen soll
gegen Anordnungen zur Durchführung der Zwangsvollstreckung gemäß §
1063 Abs.
3 Satz
1
Fall 1
ZPO, die vor einer Entscheidung nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergehen,
die Rechtsbeschwerde
statthaft sein
([X.] in Musielak/[X.], ZPO, 13.
Aufl., §
1065 Rn.
3). Nach überwiegender Ansicht sind
derartige Anordnun-gen
dagegen nicht anfechtbar ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 74.
Aufl., §
1063 Rn.
4; [X.]Komm.ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
1063 Rn.
27;
[X.], ZPO, 6.
Aufl., §
1063 Rn.
3; Schlosser in [X.], ZPO, 23.
Aufl., §
1065 Rn.
2; [X.]/[X.], Schiedsgerichtsbarkeit, 7.
Aufl., Kap.
28 Rn.
13
dd; [X.]/[X.], [X.] 2006, 119, 124; wohl auch [X.]/
Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 1065 Rn. 7).

2. Der
im Schrifttum überwiegend vertretenen
Auffassung gebührt der Vorzug.

a) Gemäß §
1065 Abs.
1 ZPO
findet die Rechtsbeschwerde gegen die in §
1062 Abs.
1 Nr.
2 und 4 ZPO genannten Entscheidungen statt; im Übrigen sind die Entscheidungen in den
in §
1062 Abs.
1 ZPO bezeichneten Verfahren unanfechtbar. Die vom Vorsitzenden des [X.] gemäß §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO zu treffenden Entscheidungen über die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen sind keine Entscheidungen über Anträge gemäß §
1062 Abs.
1 Nr.
2 oder Nr.
4 ZPO. Der Rechtsbeschwerde unterliegen damit 8
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5
-
nur die
Entscheidungen
über Anträge gemäß §
1062 Abs.
1 Nr.
2 oder Nr.
4 ZPO, die der zuständige Zivilsenat des [X.] trifft.
Vorläufige An-ordnungen
des
Vorsitzenden
des [X.] gemäß §
1063 Abs.
3 ZPO zählen dazu auch dann nicht, wenn sie in einem Verfahren auf Aufhebung oder Voll-streckbarerklärung des Schiedsspruchs (§
1062 Abs.
1 Nr.
4 ZPO) ergehen.
b) Diese
auf den Wortlaut
der Norm des § 1065 Abs. 1 ZPO
gestützte Auslegung
ergibt
sich
weiter aus der
Systematik des Gesetzes und der
Funk-tion des § 1063 Abs. 3 ZPO als
Mittel vorläufigen Rechtsschutzes im Schieds-verfahrensrecht.
[X.]) Gemäß §
1065 Abs.
1 Satz
2, §
1062 Abs.
1 Nr.
3
ZPO ist eine Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des [X.] über [X.] betreffend die Vollziehung, Aufhebung oder Änderung
der Anordnung vor-läufiger oder sichernder Maßnahmen des Schiedsgerichts (§
1041 ZPO) aus-drücklich ausgeschlossen. Die
Anordnungsbefugnis des Vorsitzenden des Zivil-senats
nach
§
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO
bezieht sich gleichermaßen auf die
Vollziehung dieser
Maßnahmen
des Schiedsgerichts
nach §
1041 ZPO
wie auf
vorläufige Entscheidungen
im gerichtlichen Verfahren
über die Vollstreckbarer-klärung des Schiedsspruchs. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, diese beiden Wege, vorläufigen Rechtsschutz im Schiedsverfahren zu erlangen, im Hinblick auf die Anfechtungsmöglichkeit mit der Rechtsbeschwerde unterschiedlich zu behandeln, und
eine Rechtsbeschwerde bei originär vom [X.] angeordneten Sicherungsmaßnahmen zu gestatten, sie aber gegenüber
An-ordnungen auszuschließen, die sich auf vorläufige oder sichernde Maßnahmen des Schiedsgerichts beziehen. Es wäre
nicht überzeugend, Entscheidungen des
[X.]
über vom Schiedsgericht angeordnete, vorläufige Maßnahmen nach §
1041 Abs.
1 ZPO, die in Unkenntnis des erst später [X.] Schiedsspruchs zu treffen sind, durch Ausschluss der Rechtsbe-schwerde einer weniger weitgehenden st[X.]tlichen Kontrolle zu unterwerfen als 11
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-
6
-
Entscheidungen über vorläufige Maßnahmen, die in Kenntnis des Schieds-spruchs
originär vom
[X.]
getroffen werden (vgl. [X.]/
[X.], [X.] 2006, 119, 124).
[X.]) Gegen eine [X.] der Rechtsbeschwerde spricht
weiter
die Funktion von Anordnungen nach §
1063 Abs.
3 Satz
1 ZPO als Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, die in einem beschleunigten Verfahren durch den Vorsitzenden des zuständigen [X.] allein getroffen werden können. Die Bestimmung des §
1063 Abs.
3 ZPO ist eine Sonderregelung
im Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen für den vorläufigen Rechtsschutz
in den §§
916
ff. ZPO
(vgl. Schlosser in [X.]
[X.]O
§
1063 Rn.
35; Wilske/
[X.] in [X.]/ZPO, 21.
Edition, Stand 1.
Juli 2016, §
1063 Rn.
11). In
Eil-verfahren sind Revision und Rechtsbeschwerde schon im Hinblick auf den Zeit-faktor wenig geeignet (vgl. [X.], Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.
Aufl.,
Rn.
2781). Dementsprechend bestimmt §
542 Abs.
2 ZPO, dass gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Ar-restes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, die Revision nicht stattfindet. Der Gesetzgeber hat diese Regelung wegen des provisori-schen Charakters und der vorläufigen Bedeutung des Arrest-
und Verfügungs-verfahrens für notwendig gehalten. Entscheidet das Berufungsgericht nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss, ist eine Rechtsbeschwerde im Arrest-
und Verfügungsverfahren
deshalb ebenfalls
unstatthaft (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Oktober 2002

VII
ZB
11/02, [X.]Z 152, 195, 197).
Die Bestimmung des §
1063 Abs.
3 ZPO tritt
für Schiedsgerichtsverfahren an die Stelle der §§
916
ff. ZPO. Es wäre daher
nicht
einleuchtend, gegen vorläufige Entschei-dungen nach §
1063 Abs.
3 ZPO einen
Zugang zum [X.] zu [X.], der für Entscheidungen nach §§
916
ff. ZPO gemäß §
542 Abs.
2 ZPO verschlossen ist.

13
-
7
-
c) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, lässt sich eine [X.] eines Rechtsmittels
gegen Anordnungen nach § 1063 Abs. 3 ZPO nicht damit begründen, dass bestimmte, in ihrem Regelungsumfang abschließende Zwi-schenentscheidungen anfechtbar sind.
[X.]) Für Kostenentscheidungen im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs folgt die [X.] der Rechtsbeschwerde unmittelbar aus §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 in Verbindung mit §
1065 Abs.
1 Satz
1, §
1062 Abs.
1 Nr.
4 Fall
2
ZPO (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2008

III
ZB
33/07, [X.] 2008, 664).
[X.]) Entsprechend §
280 Abs.
2 Satz
1 ZPO
selbständig
mit der Rechts-beschwerde anfechtbar
sind
ferner
Beschlüsse, die
nach abgesonderter Ver-handlung über die Zulässigkeit eines Aufhebungsantrags gemäß §
1059 ZPO
ergehen
([X.], Beschluss vom 20.
September 2001
III
ZB
57/00, NJW 2001, 3787).
Die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit führt entweder ohne
weiteres zur Ablehnung des Antrags nach §
1062 Abs.
1 Nr.
4 ZPO we-gen Unzulässigkeit oder mit die Instanz abschließender Wirkung zur Feststel-lung der Zulässigkeit des Antrags.
[X.]) Demgegenüber handelt es sich bei Anordnungen nach §
1063 Abs.
3 ZPO um vorläufige Maßnahmen, die für die Entscheidung des [X.] über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs weder vorgreiflich noch bindend sind. Sie
können jederzeit geändert oder aufgehoben und so der jeweiligen Prozesslage angepasst werden (vgl. [X.]Komm.ZPO/
[X.] [X.]O §
1063 Rn.
31). Dementsprechend hat auch das [X.] in seinem Hinweisbeschluss vom 1.
Oktober 2015 seine
vorherige
ablehnende Entscheidung über eine Anordnung nach §
1063 Abs.
3 ZPO nicht als abschlie-ßend angesehen, sondern ausdrücklich ausgeführt, dass von
der Verweisung der Sache an den
Kartellsenat des [X.] Celle auch die Zustän-14
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17
-
8
-
digkeit für etwaige Eil-
oder Aussetzungsanträge innerhalb des vorliegenden Verfahrens betroffen sei.
d) Die
[X.]
der Rechtsbeschwerde
der Antragstellerin ist
schließlich
nicht
aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Eine Einschrän-kung des Grundrechts auf rechtliches Gehör kommt von vornherein allenfalls für den vor Erlass einer Anordnung nach §
1063 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht angehör-ten Antragsgegner in Betracht, nicht aber für den erfolglosen Antragsteller.
II[X.] [X.] beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 27.08.2015 -
7 Sch 3/15 -

18
19

Meta

I ZB 90/15

07.07.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2016, Az. I ZB 90/15 (REWIS RS 2016, 8587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8587

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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