Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.09.2014, Az. 10 AZR 651/12

10. Senat | REWIS RS 2014, 3045

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Gegenstand

Vorsorgekur - Arbeitsunfähigkeit - Fortsetzungserkrankung


Leitsatz

Beim Zusammentreffen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nach § 9 Abs. 1 EFZG (juris: EntgFG) und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG sind die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Einheit des Verhinderungsfalls nicht anwendbar.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. April 2012 - 8 Sa 1460/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche für die Dauer einer [X.] nach § 24 SGB V.

2

Der Kläger war als [X.] bei der [X.] tätig. Die Busfahrer werden dort im Schichtdienst zwischen 04:00 Uhr morgens und 02:00 Uhr des Folgetags eingesetzt.

3

Im April 2010 beantragte der Kläger eine sog. Mutter-Vater-Kind-Kur nach § 24 SGB V, die ihm mit Schreiben seiner Krankenkasse vom 26. Mai 2010 für die [X.] vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 bewilligt wurde.

4

Am 4. Juni 2010 wurde der Kläger wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert und war im [X.] hieran wegen einer „hypertensiven Herzkrankheit“ bis zum 26. Juli 2010 arbeitsunfähig erkrankt. In diesem [X.]raum leistete die Beklagte für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Für die [X.] der sich anschließenden [X.] erbrachte die Beklagte keine weiteren Zahlungen. Die Krankenkasse des [X.] teilte der [X.] mit Schreiben vom 18. August 2010 mit, die [X.] habe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer Vorerkrankung gestanden.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe für die [X.] der [X.] vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 Entgeltfortzahlung zu leisten. Diese Maßnahme stehe in keinem Zusammenhang zu seiner vorangegangenen Herzerkrankung. Es liege auch kein einheitlicher Versicherungsfall vor, weil sich die [X.] nicht zeitlich unmittelbar an die [X.] der Arbeitsunfähigkeit angeschlossen habe. Zwar sei das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die Arbeitsunfähigkeit infolge der Herzkrankheit erst am 27. Juli 2010 um 02:00 Uhr morgens geendet habe. Die [X.] habe aber nicht am 27. Juli 2010 um 00:00 Uhr begonnen, sondern erst mit der frühestmöglichen Arbeitsaufnahme im Liniendienst um 04:00 Uhr morgens. Damit hätten jedenfalls zwei Stunden zwischen den beiden [X.]n gelegen.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.399,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, beide [X.] bildeten eine Einheit. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch sei deshalb nicht entstanden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass beide [X.] auf demselben Grundleiden beruhten.

8

Arbeitsgericht und [X.] haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.] ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der [X.] kann in der Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Anspruch des [X.] auf Entgeltfortzahlung für die [X.] der [X.] kann sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1 EFZG ergeben. Dem steht entgegen der Auffassung des [X.]s nicht die Rechtsprechung zur sog. Einheit des [X.] entgegen. Diese findet auf das Verhältnis zwischen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation und einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund Erkrankung keine Anwendung (zu I). Es steht aber noch nicht fest, ob die Arbeitsunfähigkeit und die Bewilligung der [X.] auf demselben Grundleiden beruhten und deshalb der Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG ausgeschlossen ist (zu II).

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG gelten die Vorschriften der §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 EFZG entsprechend für die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, die ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG liegen vor. Dem Kläger wurde mit Schreiben seiner Krankenkasse vom 26. Mai 2010 für die [X.] vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 eine Mutter-Vater-Kind-Kur nach § 24 SGB V bewilligt; hierdurch war er an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert.

2. Entgegen der Auffassung des [X.]s kommt in diesem Fall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch dann in Betracht, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zusammentrifft. Der für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der Einheit des [X.] findet insoweit keine Anwendung.

a) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des [X.] auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit führt. Der Arbeitnehmer kann auch in diesem Fall die [X.] nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des [X.]). Eine weitere Vergütungsfortzahlung kann er nur dann verlangen, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit bereits in dem [X.]punkt beendet war, in welchem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsunfähigkeit führt ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 4 der Gründe, [X.]E 115, 206).

aa) Den Grundsatz der Einheit des [X.] hat das [X.] zunächst für Gehaltsansprüche der technischen Angestellten während einer Erkrankung nach § 133c [X.] aF entwickelt ([X.] 12. September 1967 - 1 [X.] - [X.]E 20, 90). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelungen über die Vergütungsfortzahlung bei unverschuldeter Krankheit wichen aus [X.] Gründen von den ansonsten anwendbaren §§ 320 ff. BGB ab und strebten einen billigen Ausgleich zwischen den Belangen des Arbeitnehmers einerseits und denen des Arbeitgebers andererseits an. Dem - nach der damaligen Begrifflichkeit - durch ein „unverschuldetes Unglück“ an der Dienstleistung verhinderten Arbeitnehmer stehe deshalb ein Anspruch auf Vergütungsfortzahlung nur für die Dauer von sechs Wochen zu. Dies gelte selbst dann, wenn innerhalb dieses [X.]raums während der noch bestehenden Arbeitsunfähigkeit den Arbeitnehmer ein neues Unglück treffe, das seinerseits zu einer Arbeitsverhinderung geführt hätte, wenn eine solche nicht bereits aufgrund des früheren Unglücks eingetreten wäre. Ein solches neues Unglück mit der Wirkung einer Arbeitsverhinderung könne zwar je nach seinem Eintritt dazu führen, dass der [X.] noch ausgeschöpft werde, wenn die Arbeitsverhinderung infolge des ersten Unglücks schon früher geendet hätte. Die Interessenabwägung zwischen der Lage des Arbeitnehmers und der des Arbeitgebers, die im Hinblick auf die Bindungen aus dem Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer aus [X.] Gründen seinen Anspruch gebe, müsse jedoch auch die Belange des Arbeitgebers berücksichtigen, die auf die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers gingen. Deshalb sei nicht das Unglück allein als solches, sondern die hierdurch ausgelöste Arbeitsverhinderung für die [X.] maßgeblich. Ein Arbeitnehmer, der während noch andauernder Arbeitsverhinderung von einem neuen Unglück betroffen werde, werde nicht erst durch dieses neue Unglück an seiner Dienstleistung verhindert, wenn er bereits aufgrund des früheren Unglücks verhindert gewesen sei. In einem solchen Fall handele es sich vielmehr um eine Fortdauer der bereits bestehenden Arbeitsverhinderung, weshalb die Vergütungsfortzahlung insgesamt auf sechs Wochen begrenzt sei ([X.] 12. September 1967 - 1 [X.] - [X.]E 20, 90, 92 ff.).

bb) Nach dem Inkrafttreten des [X.] zum 1. Januar 1970 ist dieser Grundsatz mit der Begründung einheitlich auf Arbeiter und Angestellte angewandt worden, alle Regelungen über die Lohn- oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall stellten auf die Arbeitsverhinderung und nicht auf die Krankheit ab ([X.] 2. Dezember 1981 - 5 [X.] - zu II 1 der Gründe, [X.]E 37, 172). Aus § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] ergebe sich nichts anderes. Zwar knüpfe diese Vorschrift im Fall einer Wiederholungserkrankung an die Erkrankung selbst an; diese Regelung sei jedoch eine Ausnahmevorschrift, die einer unangemessenen und nicht mehr vertretbaren Belastung des Arbeitgebers bei Wiederholungserkrankungen vorbeugen wolle. Durch ein und dieselbe Krankheit des Arbeiters solle der Arbeitgeber nur in den gesetzlich festgelegten Grenzen belastet werden. Für den Fall der [X.] enthalte das Lohnfortzahlungsgesetz einen abgewandelten Zumutbarkeitsmaßstab.

cc) Durch das am 26. Mai 1994 in [X.] getretene Entgeltfortzahlungsgesetz sollte ein einheitlicher gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Weiterzahlung des Arbeitsentgelts für einen [X.]raum von bis zu sechs Wochen festgelegt werden, wenn der Arbeitnehmer wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit die vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen kann. Die damalige Regelung des § 2 Abs. 1 EFZG, die im Wesentlichen dem heutigen § 3 Abs. 1 EFZG entspricht, lehnte sich dabei an § 1 Abs. 1 [X.] an und unterschied sich hiervon lediglich durch eine sprachliche Neugestaltung ([X.]. 12/5263 S. 12).

dd) Ist ein Arbeitnehmer unverschuldet durch Arbeitsunfähigkeit infolge mehrerer nacheinander eintretenden Krankheiten an seiner Arbeitsleistung verhindert, hat er daher unter Zugrundelegung dieser Grundsätze - vorbehaltlich § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG - nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem [X.]punkt beendet war, in dem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsverhinderung führt ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 4 der Gründe, [X.]E 115, 206). Hiervon ist das [X.] in der Vergangenheit ausgegangen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden ([X.] 12. Juli 1989 - 5 [X.] - zu II 2 der Gründe mwN). Auf den zufälligen nahen zeitlichen Zusammenhang kam es dabei nicht an ([X.] 14. September 1983 - 5 [X.] - zu 2 a der Gründe, [X.]E 43, 291). Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des [X.] ist die Entscheidung des Arztes. Dabei hat das [X.] angenommen, dass dann, wenn die ärztliche Bescheinigung lediglich einen Kalendertag angibt, in der Regel Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der (betriebs-)üblichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers an diesem Kalendertag bescheinigt werde ([X.] 12. Juli 1989 - 5 [X.] - zu III 1 der Gründe mwN). Möglich sei danach aber auch die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende eines (auch arbeitsfreien) Kalendertags oder die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zu einem näher bestimmten anderen [X.]punkt ([X.] 14. September 1983 - 5 [X.] - [X.]E 43, 291; 11. Oktober 1966 - 2 [X.] -).

b) Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der Einheit des [X.] findet keine Anwendung, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zusammentrifft.

aa) Für eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation eintritt, finden gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG die §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 EFZG „entsprechend“ Anwendung. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich eine Arbeitsverhinderung wegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und eine Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht unerheblich unterscheiden (vgl. zu den Unterschieden schon [X.] 6. Mai 1965 - 2 [X.] -).

bb) Voraussetzung für die Bewilligung einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ist gerade nicht das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit. An die Stelle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung für die Entgeltfortzahlung tritt deshalb die Arbeitsverhinderung infolge einer solchen Maßnahme nach Bewilligung durch einen öffentlich-rechtlichen Sozialleistungsträger (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG) oder - soweit keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung besteht - durch eine entsprechende ärztliche Verordnung (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Krankheit kann zwar den Anlass für die Bewilligung einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme iSd. § 9 Abs. 1 EFZG bilden, dies ist aber keineswegs zwingend. Gerade im Bereich der medizinischen Vorsorge wird dies zumeist nicht der Fall sein. Vielmehr richtet sich die Bewilligung einer solchen Maßnahme nach sozialrechtlichen Kriterien, die von denen der Arbeitsunfähigkeit deutlich zu unterscheiden sind und auch - wie bei einer Mutter-Vater-Kind-Maßnahme nach § 24 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SGB V - in der gesundheitlichen Entwicklung Dritter begründet sein können. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auf schicksalhaften Einflüssen beruht und regelmäßig hinsichtlich des [X.]punkts ihres Eintretens - abgesehen vom Fall geplanter medizinischer Eingriffe - und ihrer Dauer nicht voraussehbar ist. Demgegenüber setzt eine Arbeitsverhinderung wegen einer Maßnahme nach § 9 Abs. 1 EFZG einen Antrag des Versicherten und eine Bewilligung des Sozialleistungsträgers oder eine ärztliche Verordnung voraus, weshalb die zeitliche Lage und Dauer der Arbeitsverhinderung vor ihrem Beginn feststeht. Eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes kommt daher nur insoweit in Betracht, als ihr Besonderheiten der Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nicht entgegenstehen.

cc) Die zur Begründung der Rechtsprechung zur Einheit des [X.] bei mehreren krankheitsbedingten [X.] herangezogenen Erwägungen können auf das Verhältnis zwischen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und einer Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nicht übertragen werden. Zwar stellt auch § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG zur Begründung des Entgeltfortzahlungsanspruchs zunächst auf die Arbeitsverhinderung ab. Diese Arbeitsverhinderung beruht aber regelmäßig gerade nicht auf einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Die [X.], die maßgeblich zur Begründung der Rechtsprechung der Einheit des [X.] herangezogen wurden, begründen eine derartige Einschränkung der Entgeltfortzahlung in den Fällen des § 9 Abs. 1 EFZG nicht. Hiergegen spricht, dass die Arbeitsverhinderung infolge Krankheit und die infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation typischerweise auf ganz unterschiedlichen Ursachen beruhen und sich in den wirtschaftlichen Folgen für den Arbeitgeber unterscheiden. Insoweit ist von Bedeutung, dass es sich bei den Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation, anders als bei [X.]en der Arbeitsunfähigkeit, in der Regel um Einzelmaßnahmen handelt, die einer Bewilligung durch den Sozialleistungsträger bedürfen und weit weniger häufig auftreten als krankheitsbedingte [X.]. Die [X.], die Anlass für die Rechtsprechung zur Einheit des [X.] bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit waren, kommen deshalb hier nicht zum Tragen. Eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung der Arbeitgeber wird durch die in § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG angeordnete Geltung des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG verhindert.

dd) Soweit der Erste [X.] in seiner Entscheidung vom 12. September 1967 (- 1 [X.] - [X.]E 20, 90) unter der Geltung des § 133c [X.] aF den Grundsatz der Einheit des [X.] in einem Fall angewandt hat, in dem während einer laufenden Schonzeit nach einer Kur eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit hinzugetreten ist, kann dahinstehen, ob der Charakter der nach heutigem Recht nicht mehr vorgesehenen Schonzeit eine solche Annahme rechtfertigte. Sollte die Entscheidung so verstanden werden können, dass auch Kurmaßnahmen mit einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eine Einheit des [X.] bilden können, hält der nunmehr ausschließlich für Fragen der Entgeltfortzahlung zuständige Zehnte [X.] daran nicht mehr fest.

c) Nach diesen Grundsätzen kommt es für die Begründetheit der Klage auf die vom [X.] erörterte Frage, welche Schicht der Kläger am 26. Juli 2010 geleistet hätte und ob seine Arbeitsunfähigkeit vor, um oder erst nach 24:00 Uhr endete, ebenso wenig an, wie darauf, wann die Arbeitsverhinderung wegen der [X.] begann und ob dazwischen ein [X.]raum lag, in dem der Kläger arbeitsfähig war.

II. Dem Klagebegehren kann jedoch die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG anwendbare Einwendung aus § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG entgegenstehen. Ob der Anspruch des [X.] auf Entgeltfortzahlung hiernach ausgeschlossen ist, kann der [X.] nicht selbst beurteilen. Das [X.] hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Es wird daher zu prüfen haben, ob der zur Bewilligung der [X.] führende Tatbestand nach § 24 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SGB V auf demselben Grundleiden wie die Arbeitsunfähigkeit des [X.] vom 4. Juni bis zum 26. Juli 2010 beruhte (sog. Fortsetzungserkrankung).

1. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren [X.]raum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Frist entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen daher nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht.

2. Diese, auf einer besonderen Zumutbarkeitserwägung des Gesetzgebers beruhende Regelung, die den Arbeitgeber entlasten soll, gilt auch im Verhältnis einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nach § 9 Abs. 1 EFZG zu einer vorausgegangenen oder nachfolgenden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG (vgl. zu § 7 Abs. 1 aF [X.]: [X.] 18. Januar 1995 - 5 [X.] - zu 2 der Gründe mwN, [X.]E 79, 122; Bericht des [X.] zu [X.]. 5/4285 S. 3). [X.] zwischen beiden bildet dasselbe Grundleiden. Beruhen beide Maßnahmen auf einem gemeinsamen Grundleiden, wird dem Arbeitgeber insgesamt nur eine Entgeltfortzahlungspflicht für die Dauer von sechs Wochen zugemutet. Ist ein solches Grundleiden maßgeblicher Anlass für die Bewilligung einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (vgl. dazu [X.] 26. Februar 1992 - 5 [X.] - zu 2 der Gründe) und führt es später zu einer Arbeitsunfähigkeit oder umgekehrt, ist die Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG auf sechs Wochen begrenzt, außer der [X.] ist nach Ablauf der Fristen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG als gelöst anzusehen (vgl. dazu [X.] 18. Januar 1995 - 5 [X.] - [X.]E 79, 122).

3. Ist der Arbeitnehmer innerhalb der [X.]räume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Zunächst muss der Arbeitnehmer - soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen - darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Hierzu hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 6 der Gründe, [X.]E 115, 206). Gleiches gilt, wenn eine Arbeitsverhinderung wegen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit innerhalb der [X.]räume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG zusammentreffen. Auch insoweit ist für den Arbeitgeber regelmäßig mangels Kenntnis von den Ursachen der Arbeitsunfähigkeit und dem Anlass der Bewilligung der Kur nicht erkennbar, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Die Schweigepflichtsentbindung hat sich deshalb auf den Träger der Maßnahme zu erstrecken.

4. Dieser Darlegungslast ist der Kläger bisher nicht nachgekommen. Aus den Schreiben seiner Krankenkasse vom 18. August 2010 und vom 6. Mai 2014 lässt sich zwar deren wertende Einschätzung erkennen, dass die stationäre [X.] „in keinem Zusammenhang mit einer Vorerkrankung“ stehe bzw. „aufgrund einer anderen Erkrankung“ durchgeführt worden sei. Tatsächliche Angaben zu dem Anlass für die Bewilligung der Maßnahme enthalten diese Schreiben aber nicht. Die Beklagte ist deshalb auch nicht in der Lage, diese Wertung der Krankenkasse zu überprüfen ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 5 der Gründe, [X.]E 115, 206). Das [X.] wird dem Kläger deshalb Gelegenheit geben müssen, nach den oben genannten Grundsätzen näher zu den Ursachen für die Bewilligung der Kur vorzutragen. Sodann obliegt der Nachweis, dass beide [X.] auf einem gemeinsamen Grundleiden beruhen, der [X.] ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 6 der Gründe, aaO).

        

    Linck    

        

    [X.]    

        

    Klose    

        

        

        

    Zielke     

        

    Simon    

                 

Meta

10 AZR 651/12

10.09.2014

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Aachen, 8. November 2011, Az: 4 Ca 1844/11, Urteil

§ 3 Abs 1 EntgFG, § 9 Abs 1 EntgFG, § 23 Abs 1 SGB 5, § 24 Abs 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.09.2014, Az. 10 AZR 651/12 (REWIS RS 2014, 3045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3045

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