Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2013, Az. 2 StR 355/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2098

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Gegenstand

Strafzumessung bei schwerem Kindesmissbrauch: Notwendige Trennung von Strafzumessungs- und Aussetzungsfragen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. April 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Wiederholungsfall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes in Form des [X.]" in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf den Strafausspruch beschränkte Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der [X.] Angeklagte im Jahre 2007 zwei Kinder über der Kleidung am Geschlechtsteil bzw. am Gesäß angefasst, im ersten Fall hatte er das Kind festgehalten. Deshalb war er wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Zurzeit der vorliegenden Taten war es dem Angeklagten bewusst, dass er noch unter Bewährung stand. Gleichwohl ging er mit der dreizehnjährigen, körperlich weit entwickelten und selbstbestimmt auftretenden Zeugin [X.]auf deren Initiative eine Liebesbeziehung ein. Er führte mit ihr im Zeitraum von Dezember 2011 bis April 2012 in einer Reihe von Fällen einvernehmlich den Geschlechtsverkehr durch. Innerhalb dieses Zeitraums wandte sich die Zeugin einem anderen Partner zu, weshalb sie die Beziehung zum Angeklagten beendete, die sie aber als "schön" in Erinnerung hat.

3

2. Das [X.] hat ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob die Schutzaltersgrenze des Straftatbestands gegen sexuellen Missbrauch von Kindern noch zeitgemäß ist. Bei der Strafzumessung hat es das umfassende Geständnis des Angeklagten, seine persönlichkeitsbedingte Willensschwäche, das Einvernehmen bei den sexuellen Handlungen "im Rahmen einer Paarbeziehung", den selbstbewussten Umgang seiner Partnerin mit Sexualität, das Fehlen negativer Tatfolgen sowie das - mit Ausnahme der Vorverurteilung - straffreie Vorleben des Angeklagten als strafmildernde Aspekte berücksichtigt. [X.] hat es die tateinheitliche Erfüllung zweier Qualifikationsmerkmale bewertet. Auf dieser Grundlage hat es [X.] von einem Jahr und sechs Monaten für die erste Tat, sowie einem Jahr und sechs Monaten für die zweite Tat verhängt und daraus die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gebildet.

4

Angefügt hat die [X.] die Überlegung, dass die Strafe knapp über der Grenze der noch für eine Strafaussetzung geeigneten Freiheitsstrafen liege, aber auch bei geringerer Strafhöhe eine Strafaussetzung nicht in Frage gekommen wäre. Daher erübrigten sich Überlegungen, die Strafhöhe weiter abzusenken, um dem Angeklagten die Chance einer Strafaussetzung zu eröffnen. Bei dem Angeklagten sei "keine rechte Unrechtseinsicht" zu erkennen. Zudem unterhalte er "bereits wieder eine Beziehung zu einer deutlich jüngeren Frau".

II.

5

Die Strafzumessungserwägungen des [X.]s sind rechtsfehlerhaft. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Rechtsfolgenentscheidung darauf beruht.

6

1. Die Verknüpfung von Überlegungen zur Strafaussetzung mit der Frage der Festlegung der Strafhöhe ist rechtlich zu beanstanden (vgl. für den umgekehrten Fall der Absenkung der Strafhöhe zur Ermöglichung einer Strafaussetzung [X.], Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321). Die [X.] lassen besorgen, dass sich das [X.] an der weiteren Absenkung der Strafhöhe innerhalb des Strafrahmens nach § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB gehindert gesehen hat, um die Gesamtstrafe nicht in einen Bereich zu bewegen, in dem eine Strafaussetzung rechtlich noch in Frage gekommen wäre, und aus diesem Grund schon eine "Überlegung" unterlassen hat, ob auch eine niedrigere Strafe angemessen wäre.

7

2. Die Hilfsüberlegungen der [X.] sind auch ihrem Inhalt nach rechtlich bedenklich.

8

Wenn die [X.] selbst Zweifel an der Berechtigung der Strafdrohung bei einer Schutzaltersgrenze von 14 Jahren in Fällen der frühen Reifung eines dreizehnjährigen Mädchens und der freiwilligen Aufnahme einer sexuellen Beziehung auf dessen Initiative hegt (zur Änderung der kindlichen Reifeentwicklung [X.] 2007, 260, 262), so wirkt es widersprüchlich, wenn sie zugleich dem Angeklagten anlastet, er habe "keine rechte Unrechtseinsicht" gezeigt. Dem Angeklagten kann im Übrigen nicht vorgeworfen werden, dass er nun eine - strafrechtlich irrelevante - Beziehung zu einer siebzehnjährigen Heranwachsenden unterhält.

Fischer     

     Schmitt     

Eschelbach

RinBGH Dr. Ott ist aus
tatsächlichen Gründen an
der Unterschrift gehindert.

Fischer

Zeng     

Meta

2 StR 355/13

10.10.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kassel, 15. April 2013, Az: 4853 Js 18267/12 - 10 KLs

§ 46 StGB, § 176 StGB, § 176a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2013, Az. 2 StR 355/13 (REWIS RS 2013, 2098)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2098

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 546/14

3 StR 546/14

2 StR 355/13

5 StR 110/22

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