Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.12.2010, Az. VI R 23/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 517

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Steuerfreiheit von im Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers an eine Pensionskasse enthaltenen Finanzierungsanteilen der Arbeitnehmer - Beiträge des Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 63 EStG)


Leitsatz

1. NV: In dem Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers an eine Pensionskasse enthaltene Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer sind als Arbeitgeberbeiträge nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei .

2. NV: Für die Qualifizierung einer Zahlung als Beitrag des Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 63 EStG kommt es nicht darauf an, wer die Versicherungsbeiträge finanziert, d.h. wer durch sie wirtschaftlich belastet wird. Maßgebend ist allein die versicherungsvertragliche Außenverpflichtung .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob [X.] von Arbeitnehmern, die in dem Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers an eine Pensionskasse enthalten sind, nach § 3 Nr. 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein …. Der Kläger war als Mitglied im [X.] verpflichtet, für seine Arbeitnehmer eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei einer Zusatzversorgungskasse abzuschließen. Entsprechend war er der [X.] ([X.]) beigetreten. Der [X.] des Klägers betrug nach der Satzung der [X.] 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes. Nach … waren die Arbeitnehmer verpflichtet, sich mit einem Eigenbeitrag in Höhe von 0,75 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes an der monatlichen Umlage des Klägers zu der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu beteiligen.

3

Für das Kalenderjahr 2003 zahlte der Kläger 3,25 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes des jeweiligen Arbeitnehmers maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in die [X.] ein. Hinsichtlich des Eigenbeitrags seiner Arbeitnehmer kürzte er nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) die Gehaltsauszahlungen seiner Arbeitnehmer nicht um ihren Eigenbeitrag, sondern behandelte sowohl den Arbeitgeberbeitrag als auch den Arbeitnehmerbeitrag zur zusätzlichen Altersversorgung als nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei, indem der Eigenanteil des jeweiligen Arbeitnehmers nicht in dessen steuerpflichtigem Brutto ausgewiesen wurde, obwohl der Abzug in der Position der gesetzlichen Abzüge enthalten war.

4

Im Jahre 2005 wurde beim Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung für die [X.] vom 1. Juni 2002 bis 1. Januar 2005 durchgeführt. Die Eigenbeiträge der Arbeitnehmer in Höhe von 0,75 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts wurden von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) als steuerpflichtig angesehen, weil es sich insoweit nicht um Beiträge des Arbeitgebers handele. Mit Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 26. Oktober 2005 wurde der Kläger deshalb in Anspruch genommen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass der [X.] nicht lohnsteuerpflichtig sei, sondern dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG unterfalle. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob er Klage vor dem [X.]. Das [X.] wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1105 veröffentlichten Gründen ab, da es sich bei den [X.] zur Zusatzversorgung wirtschaftlich betrachtet um eigene Beiträge der Arbeitnehmer und damit nicht um Beiträge des Arbeitgebers i.S. von § 3 Nr. 63 EStG handele.

5

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.

6

Er beantragt,

das Urteil des [X.] Köln vom 19. März 2009  2 [X.]/07 aufzuheben und den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 26. Oktober 2005 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2007 insoweit abzuändern, als darin Lohnsteuer auf den Finanzierungsanteil der Arbeitnehmer am Gesamtversicherungsbeitrag des Klägers an die [X.] enthalten ist.

7

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] war nicht berechtigt, den Kläger nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG in Anspruch zu nehmen.

9

1. [X.] der Arbeitnehmer des [X.] am Gesamtversicherungsbeitrag des [X.] zur [X.] sind nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei. Der Kläger ist daher nicht verpflichtet, auf die Finanzierungsanteile seiner Arbeitnehmer Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das [X.] abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG).

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Demgemäß ist Arbeitslohn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist ([X.]-Urteile vom 15. Februar 2006 [X.], [X.]E 212, 445, [X.], 528; vom 26. Juni 2003 [X.], [X.]E 203, 53, [X.] 2003, 886; vom 30. Mai 2001 [X.], [X.]E 195, 364, [X.] 2001, 815; jeweils m.w.N.).

Im Streitfall ist der strittige Bestandteil des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitslohns, der auf die Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer an der Zusatzaltersversorgung entfiel, daher zunächst als Arbeitslohn zu erfassen. Denn die Arbeitnehmer des [X.] haben als Versorgungsberechtigte bei Eintritt des Versicherungsfalls einen Anspruch auf die Leistungen.

b) Entgegen der Ansicht des [X.] liegen jedoch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG für eine Steuerfreiheit vor.

aa) Nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG sind eigentlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassende Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, soweit sie insgesamt im Kalenderjahr 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der [X.] und Angestellten nicht übersteigen, steuerfrei.

Unter den Begriff "Beiträge des Arbeitgebers" fallen dabei alle Beiträge, die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer selbst geschuldet und an die Versorgungseinrichtung geleistet werden. Dies ergibt sich bereits aus der allgemeinen Wortbedeutung des Begriffs des "Beitrags", dem aufgrund der Bezugnahme des Gesetzes auf die genannten Versorgungseinrichtungen eine spezifisch zivilrechtliche/versicherungsrechtliche Bedeutung zukommt. Im Versicherungswesen ist danach der Beitrag als die Summe anzusehen, die der Versicherungsnehmer entrichtet, um Versicherungsleistungen zu erhalten (vgl. hierzu auch § 1 des Versicherungsvertragsgesetzes). Eigene Beiträge des Arbeitnehmers sind dagegen jedenfalls dann anzunehmen, wenn aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit der Versorgungseinrichtung eine originäre Beitragspflicht des Arbeitnehmers besteht.

bb) Im Streitfall handelt es sich danach bei den Finanzierungsanteilen der Arbeitnehmer am Gesamtversicherungsbeitrag des [X.] zur [X.] um Beiträge des Arbeitgebers, die nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sind.

[X.] der Arbeitnehmer des [X.] gründen auf …, wonach die Arbeitnehmer verpflichtet waren, eine "Eigenbeteiligung" in Höhe von 0,75 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes an der monatlichen Umlage des [X.] zu der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu leisten. Versicherungsnehmer und Beitragsschuldner für den Gesamtbeitrag an die [X.] ist jedoch ausschließlich der Kläger. Die vertraglichen Pflichten, insbesondere die Zahlungsverpflichtungen, treffen ausschließlich ihn und qualifizieren die an die [X.] geleisteten Zahlungen als --auch aus den Finanzierungsanteilen der Arbeitnehmer bestehenden-- Beiträge des [X.]. Zur weiteren Begründung verweist der [X.] insoweit auf sein Urteil vom 9. Dezember 2010 [X.]/08, [X.]E 232, 158.

2. Da das [X.] von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das vorinstanzliche Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und der Klage insoweit stattzugeben. Einer Entscheidung des [X.]s, ob der Haftungsbescheid formell rechtswidrig ist, weil ein Nachforderungsbescheid zu erlassen wäre, bedarf es insoweit nicht.

Meta

VI R 23/09

09.12.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 19. März 2009, Az: 2 K 659/07, Urteil

§ 3 Nr 63 EStG 2002, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.12.2010, Az. VI R 23/09 (REWIS RS 2010, 517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 517

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 57/08 (Bundesfinanzhof)

(Beiträge des Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 63 EStG)


VI R 36/09 (Bundesfinanzhof)

Steuerpflichtiger Arbeitslohn im Zeitpunkt der Umlagezahlungen des Arbeitgebers an die Versorgungsanstalt des Bundes und der …


VI R 20/17 (Bundesfinanzhof)

Beiträge des österreichischen Arbeitgebers an eine österreichische betriebliche Vorsorgekasse als Arbeitslohn


VI R 21/19 (Bundesfinanzhof)

Zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen bei Direktversicherungen zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung


VI R 37/16 (Bundesfinanzhof)

(Steuerfreiheit von Zinsvergünstigungen nach § 3 Nr. 58 EStG)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.