Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.01.2015, Az. IV R 62/11

4. Senat | REWIS RS 2015, 16764

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Gegenstand

Wegfall der Klagebefugnis einer Personengesellschaft mit deren Vollbeendigung


Leitsatz

1. NV: Mit der Vollbeendigung einer Personengesellschaft erlischt deren Befugnis, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid zu erheben. Insoweit lebt die bis zur Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf.

2. NV: Die Klagebefugnis einer Personengesellschaft gegen den Gewerbesteuermessbescheid geht im Fall der liquidationslosen Vollbeendigung durch Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf den Gesamtrechtsnachfolger über.

3. NV: Die rechtsschutzgewährende Auslegung einer vom Prozessbevollmächtigten ausdrücklich namens einer vollbeendeten Personengesellschaft erhobenen Klage, in eine solche der ehemaligen Gesellschafter bzw. des Rechtsnachfolgers der Personengesellschaft scheidet jedenfalls dann aus, wenn dem Prozessbevollmächtigten die zur Vollbeendigung führenden Umstände im Zeitpunkt der Klageerhebung bekannt waren und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, wonach die Klage durch die ehemaligen Gesellschafter oder Rechtsnachfolger erhoben werden sollte.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2010  4 [X.] wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im [[[[X.].].].] als Versicherungsvertreterin für die [[[X.].].] tätig. [[[X.].].]n der Klägerin, einer GbR, waren im Streitjahr die Gesellschafter [[[X.].].] und [[[X.].].] beteiligt.

2

In ihrem Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2004 berücksichtigte die Klägerin unter [[[X.].].]erufung auf das Urteil des [[[X.].].] ([[[X.].].]) vom 28. Juli 2004 [[[X.].].]I R 63/03 ([[[X.].].]E 207, 205, [[[X.].].], 866) eine Rückstellung für die [[[X.].].]estandsbetreuung der von ihr vermittelten Lebensversicherungsverträge in Höhe von 175.000 €.

3

Demgegenüber berücksichtigte der [[[X.].].]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[[[X.].].]--) die Rückstellung in dem [[[X.].].]escheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von [[[X.].].]esteuerungsgrundlagen für 2004 und in dem Gewerbesteuermessbescheid für 2004, beide datierend vom 13. Juli 2006, in voller Höhe nicht.

4

Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das [[[X.].].] mit Einspruchs-entscheidung vom 19. Dezember 2006 als unbegründet zurück.

5

Zum 31. Dezember 2006 schied [[[X.].].] aus der Klägerin aus. Die Versicherungsvertretung wurde ab diesem Zeitpunkt von [[[X.].].] unverändert am selben Standort und mit denselben Mitarbeitern fortgeführt. [[[X.].].] schloss sich sodann mit [[[X.].].], der ebenfalls als Versicherungsvertreter für die [[[X.].].] tätig war, zu einer neuen GbR zusammen, ohne allerdings die Tätigkeitsbereiche zu vermischen.

6

[[[X.].].]m 19. Januar 2007 hat die Prozessbevollmächtigte namens und [[[[X.].].].] beigefügter Vollmacht der Klägerin Klage erhoben.

7

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage als unbegründet ab. Zur [[[X.].].]egründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Klägerin ausweislich der vorliegenden Verträge mit der [[[X.].].] nicht zur [[[X.].].]estandsbetreuung der vermittelten Lebensversicherungsverträge verpflichtet gewesen sei. Die Klägerin habe daher keine Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand bilden können. Selbst wenn aber eine solche [[[X.].].]etreuungspflicht und damit ein Erfüllungsrückstand bejaht würde, sei eine Rückstellung nicht anzuerkennen, da die Klägerin den [[[X.].].]ufwand nicht substantiiert dargelegt habe. Das [X.] hat die Revision nicht zugelassen.

8

Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision im Hinblick auf die bei anderen Senaten anhängigen und dieselbe Rechtsfrage betreffenden Revisionsverfahren (u.a. [[[X.].].] R 25/11, [X.]) zugelassen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abzuweisen war. Das [X.] durfte über den Klageantrag der Klägerin nicht sachlich entscheiden.

1. Die Klägerin war zur Erhebung der Klage weder gegen den [X.] noch gegen den [X.] befugt.

a) Mit dem [X.]usscheiden der [X.] aus der Klägerin am 31. Dezember 2006 ist der [X.]nteil der [X.] am Gesamthandsvermögen auf den verbliebenen Gesellschafter [X.] im Wege der [X.]nwachsung gemäß § 738 [X.]bs. 1 Satz 1 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]G[X.]) ohne Liquidation übergegangen. Die Klägerin wurde damit sofort vollbeendet (vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, [X.]FH/NV 2014, 170).

b) Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne [X.]bwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.]FH ein [X.] nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die [X.] berührt, die der anzufechtende [X.] betrifft. Die [X.]efugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die [X.]e einzulegen (§ 48 [X.]bs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), ist mit deren Vollbeendigung erloschen ([X.]FH-Urteil vom 23. [X.]pril 2009 IV R 87/05, [X.]FH/NV 2009, 1650, und [X.]FH-[X.]eschluss in [X.]FH/NV 2014, 170). Insoweit lebt die bis zum [X.]punkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis geht deshalb auch nicht auf den [X.] der Personengesellschaft über ([X.]FH-[X.]eschluss in [X.]FH/NV 2014, 170, m.w.N. zur Rechtsprechung).

c) Mit dem Erlöschen der Personengesellschaft im Wege der [X.]nwachsung geht deren [X.]efugnis zur Klageerhebung gegen einen [X.] ausschließlich auf den [X.] der Personengesellschaft über (vgl. [X.]FH-Urteil vom 15. [X.]pril 2010 IV R 67/07, [X.]FH/NV 2010, 1606). In diesem Fall gilt die Personengesellschaft auch nicht für die Dauer des Rechtsstreits über den [X.] weiter als steuerrechtlich existent. Zwar ist eine Personengesellschaft nach der Rechtsprechung des [X.]FH steuerrechtlich so lange als materiell-rechtlich existent anzusehen, wie noch [X.] gegen sie oder von ihr geltend gemacht werden und das Rechtsverhältnis zu den Finanzbehörden nicht endgültig abgewickelt ist ([X.]FH-Urteil vom 24. März 1987 [X.], [X.]FHE 150, 293, [X.]St[X.]l II 1988, 316, und [X.]FH-[X.]eschluss vom 12. [X.]pril 2007 IV [X.] 69/05, [X.]FH/NV 2007, 1923). Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf die Vollbeendigung einer Personengesellschaft durch Liquidation ohne den Eintritt einer Rechtsnachfolge. Denn nur in diesen Fällen erlischt die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft --und damit deren gewerbesteuerrechtliche Rechtsfähigkeit-- grundsätzlich nicht durch die zivilrechtliche Vollbeendigung der Personengesellschaft. Der [X.] ist in diesen Fällen weiterhin an die vollbeendete Personengesellschaft als Schuldnerin der Gewerbesteuer zu richten. Demgemäß steht auch die Klagebefugnis gegen den [X.] weiter dieser Personengesellschaft zu. [X.] das Vermögen der vollbeendeten Personengesellschaft hingegen beim [X.] an, so geht auch die Steuerschuldnerschaft betreffend die Gewerbesteuer auf den Rechtsnachfolger über. Ein [X.]edürfnis für eine weitere (fiktive) steuerliche Existenz der Personengesellschaft besteht in diesen Fällen daher nicht (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FH/NV 2010, 1606).

d) [X.]usgehend von diesen Grundsätzen war die Klagebefugnis der Klägerin im [X.]punkt der Klageerhebung entfallen.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] ist [X.] am 31. Dezember 2006 aus der Klägerin ausgeschieden und der [X.]etrieb der Klägerin von [X.] unverändert am gleichen Standort und mit dem gleichen Personal fortgeführt worden. Damit ist [X.] als verbleibender Gesellschafter durch [X.]nwachsung (§ 738 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]G[X.]) [X.] der Klägerin geworden. [X.]b dem 1. Januar 2007 stand daher [X.] und [X.] als ehemaligen Gesellschaftern der Klägerin die Klagebefugnis gegen den [X.] für das Streitjahr zu. Des Weiteren ist ab diesem [X.]punkt die Steuerschuldnerschaft betreffend die Gewerbesteuer und ihr folgend die Klagebefugnis gegen den [X.] des Streitjahres auf [X.] übergegangen.

bb) Die vorliegende Klage gegen den [X.] 2004 und den [X.] 2004, die von der Prozessbevollmächtigten ausdrücklich namens der Klägerin erhoben worden ist, ist am 19. Januar 2007 beim [X.] eingegangen. Zu diesem [X.]punkt war die Klägerin aber bezüglich beider [X.]escheide nicht mehr klagebefugt.

[X.]ngesichts des eindeutigen Wortlauts der Klageschrift und auch der Vollmacht sieht sich der Senat daran gehindert, die Klage rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass sie von [X.] und [X.] als ehemaligen Gesellschaftern der Klägerin betreffend den [X.] und von [X.] als [X.] der Klägerin betreffend den [X.] erhoben worden ist. So wird im Rubrum des [X.] vom 19. Januar 2007 nur die Klägerin aufgeführt. [X.]uch der nachfolgende Einleitungssatz lautet, dass die Klage namens der Klägerin erhoben wird. Ebenfalls wird in der zu den [X.]-[X.]kten gereichten Prozessvollmacht als Vollmachtgeberin nur die Klägerin genannt. Schließlich ist selbst in der nachfolgenden Klagebegründung vom 26. Februar 2007 und dem weiteren [X.]egründungsschriftsatz vom 28. Juni 2007 nur von der Klägerin die Rede. Dies ist umso verwunderlicher, als die Klägerin in dem letztgenannten Schriftsatz erstmals darlegt, dass [X.] zum 31. Dezember 2006 aus der Klägerin ausgeschieden ist, ohne jedoch daraus die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Zwar hat der erkennende Senat eine namens einer vollbeendeten Personengesellschaft erhobene Klage im Wege der [X.]uslegung als eine solche der ehemaligen Gesellschafter angesehen ([X.]FH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03, [X.]FH/NV 2005, 162). Die [X.]esonderheit des Falles lag seinerzeit aber darin, dass das Rubrum der Klage spiegelbildlich dem unzutreffenden Rubrum der Einspruchsentscheidung entsprach. Im Rubrum der Einspruchsentscheidung war die vollbeendete Personengesellschaft fehlerhaft als Inhaltsadressatin aufgeführt, obwohl dem Finanzamt bereits im [X.]punkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung die Vollbeendigung der Personengesellschaft bekannt gewesen sein musste. Im Streitfall war die Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2006 aber an den richtigen Inhaltsadressaten gerichtet worden, da die Klägerin zum [X.]punkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung noch existierte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

IV R 62/11

22.01.2015

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 17. Juni 2010, Az: 4 K 154/07, Urteil

§ 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 738 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.01.2015, Az. IV R 62/11 (REWIS RS 2015, 16764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16764

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