Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.08.2021, Az. 3 StR 173/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 10307

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Gegenstand

Außenwirtschaftsrecht: Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot bei Transfer von Geldern an den IS


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Januar 2021 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.]er Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.], in einem weiteren Fall in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden [X.], der der Durchführung einer vom [X.] im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

2

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift dargelegten Erwägungen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf allein die Frage, ob der Angeklagte gegen das Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] verstieß.

3

1. Soweit hierfür von Belang, hat das [X.] folgende Feststellungen getroffen:

4

Der Angeklagte gründete mit weiteren Beschuldigten in [X.] eine Zelle der außereuropäischen terroristischen [X.] "Islamischer Staat" ([X.]). Die Gruppe verfolgte, angetrieben von ihrer radikalislamischen Gesinnung, das Ziel, auf Seiten des [X.] den Dschihad mit Mitteln des bewaffneten Kampfes zu führen. Der Angeklagte gliederte sich [X.] in den [X.] ein, indem er unter anderem über Telekommunikation steten Kontakt zu zwei Führungspersonen der Organisation hielt, denen gegenüber er seine Treue versicherte, darunter einem in [X.] aufhältigen "Emir". Jener rekrutierte Attentäter für den [X.] und warb Spenden für die [X.] ein. Auch den Angeklagten forderte er auf, mit seiner Gruppe für den [X.] in [X.] Anschläge zu verüben und die Organisation in den von ihr gehaltenen Gebieten finanziell zu unterstützen. Der Angeklagte sammelte auftragsgemäß bei den Gruppenmitgliedern 400 € ein, steuerte 150 € aus seinem eigenen Privatvermögen bei und transferierte die insgesamt 550 € über Mittelsmänner an [X.]" nach [X.]. Mit dem Geld wollte er den [X.] unterstützen. Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen die [X.] und die innerhalb des [X.] herausgehobene Stellung des "[X.]" waren ihm bekannt.

5

2. Das [X.] hat diese Tat rechtsfehlerfrei nicht nur als [X.]e Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland, sondern auch als tateinheitlich hierzu begangene Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 [X.] gewürdigt. Das Verbot ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 der im [X.] veröffentlichten ([X.]. L 139 S. 9) Verordnung ([X.]) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 in Verbindung mit der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 632/2013 der [X.] vom 28. Juni 2013 ([X.]. [X.]). Der [X.] ist eine gelistete [X.], die dem Verbot unterfällt (s. insgesamt im Einzelnen [X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 [X.], juris Rn. 9 f. [X.]; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 16 [X.]). Der Angeklagte stellte der Organisation die 550 € im Sinne der genannten Verordnung zur Verfügung. Hierzu gilt:

6

a) Das von dem Bereitstellungsverbot untersagte "Zur-Verfügung-Stellen" von [X.] und wirtschaftlichen Ressourcenist jeder tatsächliche Vorgang, der dazu führt, dass der gelisteten Person, Organisation, Einrichtung oder [X.] der betreffende wirtschaftliche Vorteil zugutekommt, sie also die Verfügungsgewalt über den Vermögenswert erlangt (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.], Slg. 2011, [X.] Rn. 40; [X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 [X.], juris Rn. 12; Beschlüsse vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 18; vom 23. April 2010 - AK 2/10, [X.]St 55, 94 Rn. 19; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 18 [X.] Rn. 32). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich anhand einer konkreten Betrachtung des Einzelfalls. Bei [X.] wie dem [X.] ist der verschobene Vermögensgegenstand wegen des weiten Schutzzwecks der Norm jedenfalls dann der [X.] selbst zur Verfügung gestellt, wenn er einem im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation befindlichen und agierenden Mitglied, das in die dortigen [X.]sstrukturen eingebunden ist, zur Verwendung für die Ziele und Zwecke der [X.] zufließt ([X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 [X.], juris Rn. 11 ff.; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 18 ff. [X.]).

7

Hier war der Adressat des Geldtransfers ein [X.]smitglied mit Führungsverantwortung. [X.]" war nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen mit dem Einwerben von Finanzmitteln für die Organisation betraut. Bei einem solchen Empfänger besteht ohne Weiteres die Gefahr, dass er den Vermögensgegenstand für die terroristischen Zwecke der gelisteten Gruppe verwendet. Da es schon ausreicht, ein niederrangiges Mitglied finanziell für eine vereinigungsbezogene Tätigkeit im Kerngebiet auszustatten ([X.], Beschluss vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 20), genügt es erst recht, wenn das Geld an die dortige Führungsebene der gelisteten Gruppe gelangt. In einem solchen Fall sind regelmäßig keine näheren - objektiven oder subjektiven - Feststellungen zur konkreten Zweckbestimmung des übermittelten Vermögensgegenstands erforderlich.

8

b) Der Tatbestandserfüllung steht hier nicht entgegen, dass der Angeklagte selbst Mitglied des [X.] war und als solches das Geld an "seine" Organisation transferierte. Dies ergibt sich aus Folgendem:

9

Die in Art. 2 Abs. 2 VO ([X.]) Nr. 881/2002 genutzte Wendung "zur Verfügung gestellt werden" ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Bei der Auslegung sind Wortlaut und Ziel der Resolution 1390 (2002) des [X.] zu berücksichtigen, die letztlich durch einen Gemeinsamen Standpunkt und eine unionsrechtliche Verordnung durchgeführt werden soll. Das mit der Verordnung verfolgte Ziel und die Notwendigkeit, ihre praktische Wirksamkeit zu gewährleisten, legen es nahe, den Geltungsbereich des Verbots auf alle Personen zu erstrecken, die an untersagten Handlungen beteiligt sind. Immer ist jedoch eine konkrete Betrachtung des Einzelfalls erforderlich (s. insgesamt [X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 [X.], juris Rn. 12 ff. [X.], insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Angeklagte nach entsprechender Aufforderung durch [X.]" als Geldsammler für den [X.] betätigte. Seine Aufgabe bestand insoweit darin, der Organisation wirtschaftliche Ressourcen für terroristische Zwecke zu verschaffen. Damit übte er eine Tätigkeit aus, die das Bereitstellungsverbot gerade unterbinden will.

Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen stand zu keinem Zeitpunkt in Rede, dass der Angeklagte die eingesammelten Gelder selbst für terroristische Aktivitäten in [X.] einsetzen sollte. Vielmehr wurden die 550 € von vornherein mit der Zweckbestimmung zusammengetragen, die [X.] in den von ihr beherrschten Gebieten finanziell zu unterstützen. Es handelte sich somit um Geld, das der Organisation erstmalig zur Verwendung in [X.] zugutekam.

Damit liegt eine Konstellation vor, in der ein Mitglied einer gelisteten [X.] finanzielle Ressourcen, die im Wesentlichen bei Außenstehenden gesammelt oder von ihnen erlangt wurden, an die Organisation weiterleitet und sie dieser erst dadurch zur Verfügung stellt. Dieser Fall ist vom Bereitstellungsverbot erfasst ([X.], Urteil vom 29. Juni 2010 - [X.]/09, NJW 2010, 2413 Rn. 65 ff. [X.]; [X.], Beschlüsse vom 14. Mai 2020 - AK 8/20, juris Rn. 32; vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 29; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40).

Gleiches gilt hinsichtlich der aus dem Vermögen des Angeklagten stammenden 150 €. Diesen Betrag brachte er ebenso ein, um ihn der Organisation zur Verwirklichung ihrer Ziele zufließen zu lassen. Auch dieses Geld transferierte er aus dem privaten Bereich in die Zugriffssphäre des [X.] und verschaffte der [X.] damit erstmalig die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 2010 - [X.]/09, NJW 2010, 2413 Rn. 65 ff.).

Die Frage der bloß vereinigungsinternen Verschiebung von in der Organisation bereits vorhandenen Finanzwerten von einem [X.]smitglied an ein anderes stellt sich nach alldem hier nicht (s. auch [X.], Beschluss vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 23 [X.]). Ob eine solche Umschichtung ebenfalls als ein Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot zu beurteilen ist, ist anlässlich dieses Falls nicht zu entscheiden.

3. Die Strafbarkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] steht, wie das [X.] zutreffend angenommen hat, in Tateinheit mit der [X.]en Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] ([X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 [X.], juris Rn. 25; Beschluss vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 46 [X.]).

Schäfer     

      

Anstötz     

      

Erbguth

      

Kreicker     

      

Voigt     

      

Meta

3 StR 173/21

11.08.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend OLG Düsseldorf, 26. Januar 2021, Az: 6 StS 4/20, Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 1 Buchst a AWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.08.2021, Az. 3 StR 173/21 (REWIS RS 2021, 10307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10307

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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