Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.01.2012, Az. 4 B 27/11

4. Senat | REWIS RS 2012, 10378

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Gegenstand

Mobilfunksendeanlage als fernmeldetechnische Nebenanlage


Leitsatz

Eine Mobilfunksendeanlage, die bezogen auf das gesamte infrastrukturelle Versorgungsnetz eine untergeordnete Funktion hat, ist eine fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

2

1. Die Beschwerde hält für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine Mobilfunksendeanlage eine fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1990 ist.

3

Diese Frage ist, soweit sie entscheidungserheblich wäre, nicht klärungsbedürftig. Der Verwaltungsgerichtshof hat als entscheidend für die Einordnung einer Mobilfunksendeanlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] angesehen, ob die in Rede stehende Anlage - wie hier - bezogen auf das gesamte infrastrukturelle Versorgungsnetz eine untergeordnete Funktion hat oder von ihrer Funktion und Bedeutung so gewichtig ist, dass sie als eigenständig und damit als Hauptnutzung anzusehen ist ([X.] Rn. 24). Dass eine Mobilfunksendeanlage, wenn sie bezogen auf das gesamte infrastrukturelle Versorgungsnetz eine untergeordnete Funktion hat, eine fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist, bedarf nicht der Bestätigung in einem Revisionsverfahren. Denn dies ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend dargelegt hat - in der obergerichtlichen Rechtsprechung inzwischen allgemein anerkannt ([X.], Beschluss vom 6. Dezember 2004 - 1 ME 256/04 - [X.]; [X.], Urteil vom 6. Dezember 2004 - 9 UE 2582/03 - [X.]; [X.], Beschluss vom 6. Mai 2005 - 10 [X.]/04 - [X.]; [X.], Urteil vom 1. Juli 2005 - 25 [X.] - [X.]; [X.], Beschluss vom 5. Februar 2010 - 1 B 11356/09 - [X.]; [X.], Beschluss vom 26. April 2010 - 8 S 33/10 - [X.]). Der 4. Senat des [X.], der die Einstufung einer Mobilfunksendeanlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne nähere Begründung abgelehnt hatte (Beschluss vom 29. Juli 1999 - 4 TG 2118/99 - [X.]), hat bei den anderen Obergerichten keine Gefolgschaft gefunden. Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das [X.], der die Frage in einem Beschluss vom 25. Februar 2003 - 10 [X.]/02 - ([X.] 2003, 377) noch offen gelassen hatte, hat sich inzwischen der dargelegten Auffassung der anderen Obergerichte angeschlossen ([X.], Beschluss vom 6. Mai 2005 a.a.[X.]). Im Hinblick auf diesen Stand der obergerichtlichen Rechtsprechung hat sich die Lage gegenüber dem für die stattgebende Kammerentscheidung des [X.] (Beschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - [X.]) maßgebenden Zeitpunkt des dort angefochtenen Beschlusses (2. Februar 2005), in dem eine grundsätzliche Bedeutung der Qualifizierung einer Mobilfunksendeanlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht hätte verneint werden dürfen, wesentlich geändert. Eine Entscheidung des [X.] zur Qualifizierung von [X.] ist in der Zwischenzeit zwar nicht ergangen; einen Hinweis zur Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] hat der Senat jedoch bereits in seinem Beschluss vom 1. November 1999 - BVerwG 4 B 3.99 - ([X.]) gegeben. Dort hat er die Anwendung des § 14 Abs. 2 [X.] 1962/1968/1977 auf [X.] abgelehnt. Er hat jedoch dargelegt, dass der Zweck der Ergänzung des § 14 Abs. 2 [X.] im Jahr 1990 durch den neuen Satz 2 darin bestanden habe, den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf fernmeldetechnische Nebenanlagen zu erweitern, weil auch sie der Versorgung der Baugebiete dienen könnten, jedoch vom Begriff der Elektrizität nicht erfasst würden. Er ist, ohne über die Voraussetzungen im Einzelnen entscheiden zu müssen, davon ausgegangen, dass [X.] seit der Änderung der [X.] Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] sein können.

4

Dass [X.] in aller Regel keine baugrundstücks- und baugebietsbezogenen Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind, weil sie regelmäßig nur in geringem Umfang dem Nutzungszweck eines Baugebiets oder Baugrundstücks dienend zu- und untergeordnet sind ([X.], Beschluss vom 6. Mai 2005 a.a.[X.]), steht ihrer Einstufung als Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend dargelegt, dass mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] eine Spezialregelung geschaffen werden sollte, welche dazu dient, diesen speziellen Infrastruktursystemen einen erleichterten Zugang zu allen Baugebieten zu verschaffen. In diesem Zusammenhang hat der Begriff der Nebenanlage somit in erster Linie einen instrumentell-rechtstechnischen Zweck, der mit dem Begriffsinhalt, der ihm sonst in der [X.] zukommt, nicht übereinstimmt. Welchen Einwänden dieses auch von den anderen Obergerichten geteilte Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausgesetzt sein sollte, hat die Beschwerde nicht dargelegt.

5

2. Die Beschwerde möchte weiter geklärt wissen, ob es für den [X.] eines Nachbarn, der sich gegen eine Mobilfunksendeanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] wendet, auf die Tatsache ankommen kann, dass eine solche Nebenanlage auch den Charakter eines Teils einer gewerblichen Hauptanlage aufweist. Sie knüpft damit an die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs an, dass eine [X.] bauplanungsrechtlich nicht nur Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] sei, sondern als Bestandteil eines gewerblich betriebenen Mobilfunknetzes auch eine - nicht störende - gewerbliche Nutzung im Sinne der [X.] darstelle und insoweit einen Teil einer Hauptanlage bilde ([X.] Rn. 24). Im Hinblick auf den geltend gemachten [X.] war der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass die nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausnahmsweise mögliche Zulassung einer der dort genannten Nebenanlagen diesen Anspruch im Ergebnis nicht verletzen könne, auch wenn im vorliegenden Fall durch den bereits vorhandenen Gewerbebetrieb am nördlichen Rand des Gebiets von einer Vorschädigung des Gebiets ausgegangen werde; auf die Tatsache, dass diese Nebenanlage auch den Charakter eines Teils einer gewerblichen Hauptanlage aufweise, komme es insoweit nicht an ([X.] Rn. 30).

6

Ob es zutreffend ist, dass der [X.] durch die Zulassung einer Mobilfunksendeanlage in einem faktischen reinen Wohngebiet selbst dann nicht verletzt wäre, wenn die Bauaufsichtsbehörde das ihr in § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB eingeräumte Ausnahmeermessen im Hinblick auf eine Vorschädigung des Gebiets fehlerhaft ausgeübt hätte, kann dahingestellt bleiben. Denn das angefochtene Urteil beruht nicht auf dieser Rechtsauffassung; die von der Beschwerde aufgeworfene Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht offen gelassen, ob die Bauaufsichtsbehörde ihr Ausnahmeermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, sondern festgestellt, dass dies der Fall ist ([X.] Rn. 36). Insoweit ist er davon ausgegangen, dass ausnahmsweise zugelassene Anlagen keine prägende Wirkung auf das Baugebiet haben dürfen ([X.] Rn. 37). Eine solche prägende Wirkung durch die in Rede stehende Mobilfunksendeanlage hat er verneint ([X.] Rn. 38): Es handele sich um die erste und einzige [X.] im faktischen reinen Wohngebiet. Eine prägende Wirkung insoweit scheide daher aus. Eine Mitprägung des Baugebiets durch eine [X.] wäre denkbar bei einer Massierung solcher Anlagen innerhalb eines Baugebiets, was hier gerade nicht der Fall sei. Nur dann könne der Gebietscharakter des faktischen reinen Wohngebiets geändert oder verfälscht werden. Die ausnahmsweise zugelassene Anlage bleibe auch quantitativ hinter der Regelbebauung zurück. Zwar handele es sich hier um den Teil einer weiteren gewerblichen Hauptanlage neben der bereits vorhandenen Kfz-Werkstatt. Letztere befinde sich allerdings ohnehin am Rand des Baugebiets und zudem in einer immissionsträchtigen Umgebung, nämlich direkt südlich des [X.] zweier [X.]. Zudem handele es sich bei der [X.] lediglich um eine gewerbliche "Nebennutzung" auf dem Baugrundstück, das in der Hauptnutzung weiter der Wohnnutzung vorbehalten bleibe. Die gewerbliche Nutzung nehme sowohl in Hinsicht auf den Platzverbrauch auf dem Grundstück als auch im Hinblick auf die Nutzungsintensität nur eine untergeordnete Rolle ein. Daher liege auch insoweit keine Prägung des Gebiets durch das Bauvorhaben vor, die zu einem Umkippen führen könnte. Im Ergebnis hat der Verwaltungsgerichtshof damit eine Prägung des Baugebiets nicht nur im Hinblick auf eine - hier nicht gegebene - Massierung von [X.], sondern auch im Hinblick auf die angenommene gewerbliche Hauptnutzung unter Berücksichtigung der Vorschädigung des Gebiets durch die bereits vorhandene Kfz-Werkstatt verneint. Im Hinblick auf diese Begründung hat die Beschwerde einen Grund für die Zulassung der Revision nicht geltend gemacht. Wenn aber die Zulassung der Mobilfunksendeanlage in dem faktischen reinen Wohngebiet im Wege der Ausnahme objektiv rechtmäßig ist, kann der [X.] des Klägers bereits aus diesem Grund nicht verletzt sein.

Meta

4 B 27/11

03.01.2012

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 19. Mai 2011, Az: 2 B 11.397, Urteil

§ 31 Abs 1 BauGB, § 34 Abs 2 BauGB, § 14 Abs 2 S 2 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.01.2012, Az. 4 B 27/11 (REWIS RS 2012, 10378)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10378

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