Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2005, Az. 1 StR 91/04

1. Strafsenat | REWIS RS 2005, 5037

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 91/04
vom 15. Februar 2005 in der Strafsache gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung
- 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der am 25. Januar 2005 begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 15. Febru-ar 2005, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.]

und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], [X.]in am [X.] Elf,

Oberst[X.]tsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt in der Sitzung vom 25. Januar 2005, Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte , Justizangestellte in der Sitzung vom 15. Februar 2005

als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
- 3 - 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. September 2003 wird verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen ge-richtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und materiel-len Rechts beanstandet, bleibt ohne Erfolg.
[X.]
Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:

Am 27. Februar 2003 betrat der Angeklagte um 23.22 Uhr den Verkaufs-raum einer Tankstelle in M. , bedrohte die dort tätige Angestellte [X.] mit einer Pistole und forderte sie zur [X.]rausgabe des sich in der Kasse befindlichen Geldes auf. Die Zeugin glaubte zunächst an einen Scherz, sah dem Angeklagten aber mehrere Sekunden lang ins Gesicht und merkte, - 4 - daß er es [X.] meinte. Unter dem Eindruck der auf sie gerichteten Pistole, von der das [X.] zugunsten des Angeklagten davon ausging, daß es sich um eine Spielzeugpistole handelte, gab die Zeugin dem Angeklagten 1.340 Euro. Danach führte der Angeklagte die Zeugin in einen Bereich der [X.], von dem aus sie nicht beobachten konnte, in welche Richtung der [X.] das Tankstellengelände verließ. Der Überfall dauerte höchstens fünf Minuten.

Aufgrund des Fahndungsfotos in der örtlichen Zeitung am 4. März 2003 erkannten die in einer [X.] tätigen Zeuginnen

[X.]und [X.]. den Angeklagten als einen ihrer Stammgäste wieder. Bei dem Fahndungsfoto handelte es sich um den Abdruck eines der von den in der Tankstelle installierten Überwachungskameras gefertigten Fotos. Nach einem Hinweis der Zeugin [X.] erfolgte die Festnahme am 11. März 2003 in der [X.].

Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Er sei die ganze Nacht zuhause in der elterlichen Wohnung gewesen. Wegen seiner Drogenprobleme sei es ihm untersagt gewesen, abends die Wohnung zu verlassen.

Die [X.] hat ihre Überzeugung von der [X.]chaft des [X.]n vor allem auf die Zeugin [X.]gestützt. Die Zeugin habe ihn bei der am 12. März 2003 erfolgten [X.] wiedererkannt. Daß sie hierfür eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent angegeben habe, sei "vorsorg-lich" geschehen. In Wirklichkeit sei sie schon damals ziemlich sicher gewesen. [X.] habe sie den Angeklagten an dem dunkelbraunen Oberlippen- und Kinnbart und dem Drei-Tage-Bart an den Wangen sowie an der schlanken - 5 - Figur und der ungewöhnlich großen, vorne spitz zulaufenden Nase. Bereits in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 28. Februar 2003 habe sie den Täter als 25 bis 26 Jahre und 170 bis 180 cm groß beschrieben. Tatsächlich sei der Angeklagte zur Tatzeit 26 Jahre alt gewesen und 171 cm groß. Die Täterbe-schreibung stimme überdies mit den von den Überwachungskameras gefertig-ten Bildern überein. Auch die [X.] stellte eine sehr starke Ähnlichkeit des Angeklagten mit den Fotos fest. Ein weiteres Indiz sei das Wiedererkennen durch die Zeugin [X.] bei der sequentiellen [X.] am 23. Juli 2003. Der Angeklagte wurde nach Rücksprache mit dem [X.] als dritte von insgesamt sechs auf dem Videoband befindlichen [X.] bestimmt. Die Zeugin mußte sich nach Ansicht jeweils einer Person sofort entscheiden. Beim Anblick des Angeklagten sei sie deutlich sichtbar zusam-mengezuckt, aufgeregt, ängstlich und den Tränen nahe gewesen. Den [X.]n habe sie mit fast 100%iger Sicherheit als Täter wiedererkannt. Gering-fügige Zweifel hätten sich nur aufgrund der kürzeren Bartlänge auf den Video-aufnahmen ergeben. Daraufhin wurde die Videowahlgegenüberstellung ab-gebrochen. Das [X.] bemerkte, es sei sich der Problematik des wieder-holten Wiedererkennens durchaus bewußt ebenso wie bei der eindeutigen Identifizierung in der Hauptverhandlung. Diese [X.] gegenüber den bisheri-gen Identifizierungen auch nur eine unwesentliche Rolle. Daß die Zeugin den Angeklagten an der Stimme erkannt habe, spreche nur insoweit für die [X.], als Übereinstimmung bestehe mit der bei der ersten Vernehmung erfolgten Beschreibung, der Täter spreche gutes [X.] mit leichtem [X.] Akzent. Ein weiteres Indiz für die [X.]chaft ergebe sich aus dem Gutachten des [X.]en Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. vom [X.], der die Körpergröße des von den Über-wachungskameras aufgenommenen [X.] auf 170 cm bis 180 cm bestimmte. - 6 - Gewichtig komme hinzu, daß die Zeuginnen [X.]

und [X.]. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast in der [X.] wiedererkannt hätten.
Die Eltern und Geschwister hätten nicht dartun können, daß der [X.] zum Tatzeitpunkt zuhause gewesen sei. Die Überwachung des [X.]n wegen seiner Drogenproblematik sei keineswegs lückenlos gewesen. Er hätte die nur ca. zwei Kilometer von der Tankstelle entfernt liegende [X.] verlassen, den Raubüberfall begehen und wieder zurückkehren können, ohne daß dies von der Familie bemerkt worden wäre.

Die [X.] ist auch entgegen den Angaben des Angeklagten nicht davon ausgegangen, daß der Zeuge S. der Täter des [X.] war, nachdem die Zeugin [X.]diesen als Täter bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung mit Sicherheit ausgeschlossen hatte.

I[X.]
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den [X.] [X.] ergeben. Die Verfahrensrüge, die [X.] der Erörterung bedarf, ist unbegründet.

1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Vor Eröffnung des Hauptverfahrens hatte der Angeklagte die Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens beantragt. Zuvor schon hatte die Kriminalpolizeiinspektion M. das [X.] (zu-- 7 - künftig [X.]) mit einer anthropologischen Vergleichsuntersuchung beauftragt. Daraufhin hatte die [X.]e [X.]

der [X.] mitgeteilt, daß aufgrund der A[X.]ildungsunschärfe die Überwachungs-aufnahmen für anthropologische [X.] nicht geeignet [X.]. Anatomische Merkmale des Gesichts, die zur Feststellung der Identität o-der Nichtidentität mit einer Vergleichsperson herangezogen würden, seien auf den Aufnahmen nicht beurteilbar. Nachdem dem Verteidiger das Schreiben des [X.] zur Kenntnis gebracht worden war, nahm er in der Hauptverhandlung sei-nen Beweisantrag auf Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens zurück.

2. Mit der Aufklärungsrüge macht die Revision unter Bezugnahme auf ein von ihr vorgelegtes Schreiben von Prof. Dr. R.

vom 30. Januar 2004 geltend, die Auskunft der [X.]en zum Beweiswert der Fotos sei ob-jektiv unzutreffend gewesen. Das vorhandene Bildmaterial sei durchaus für sachverständige [X.] geeignet. Die [X.] wäre deshalb gehalten gewesen, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuho-len. Wenn die Lichtbilder so aussagekräftig seien, daß die Zeugin [X.]den Angeklagten sicher als den auf dem Fahndungsfoto abge-bildeten Täter erkannt habe, könne nicht zugleich die fachlich-wissenschaftliche Überprüfbarkeit der Lichtbilder in Abrede gestellt werden. Das Gutachten hätte zumindest zu dem Ergebnis geführt, daß eine Nichtidenti-tät wahrscheinlich sei. Der wahrscheinliche Ausschluß des Angeklagten als Täter wäre ein entlastendes Indiz gewesen. Auf dieser unterbliebenen Sach-aufklärung beruhe das Urteil.
- 8 - 3. Wären die Fotos für ein solches Gutachten geeignet gewesen, hätte die Erhebung eines weiteren Gutachtens - ungeachtet der Auskunft der Sach-verständigen - in Betracht kommen können (vgl. generell zu dem Gericht nicht bekannten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen [X.]St 39, 49, 53). [X.] hat der Senat in Übereinstimmung mit der Anregung des [X.], der zuvor eine Stellungnahme des [X.] eingeholt [X.], vorsorglich zu der Frage Beweis erhoben, ob die von den [X.] gefertigten [X.] als zureichende Anknüpfungstatsachen für ein anthropologisches Identitätsgutachten geeignet sind. Er hat dazu schriftliche Gutachten von den [X.]en Prof. Dr. R. und [X.]vom [X.] (zukünftig [X.]) eingeholt. Der [X.] hat am 14. Februar 2005 ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. H. vorgelegt.

[X.] beraten gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß die [X.] hier nicht gedrängt war, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Im Hinblick auf die Qualität der Fotos der Überwachungskameras und die sowohl vom Angeklagten selbst eingestandene als auch vom [X.] festgestellte "verblüffende Ähnlichkeit" des Angeklagten mit dem Täter war durch ein weiteres [X.]engutachten keine beweisrelevante Identi-tätsaussage - auch nicht zum [X.] - zu erwarten.

a) Für ein anthropologisches Identitätsgutachten anhand von [X.] gilt allgemein:

[X.]) Beim anthropologischen Identitätsgutachten werden anhand von Lichtbildern der Raumüberwachungskamera eine bestimmbare Zahl [X.] - ver morphologischer Merkmale (z. B. Nasenfurche, Nasenkrümmung etc.) oder von Körpermaßen des [X.] herausgearbeitet und mit den entsprechenden Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen ([X.]R StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO Beweisergebnis 4 m.w.[X.]). An[X.] als bei Gutachten zur [X.] oder zur Bestimmung von Blutgruppen handelt es sich um kein standardi-siertes Verfahren ([X.] [X.]O; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 32). Die mor-phologischen Merkmale sind nicht eindeutig bestimmbar (Schwarzfischer in [X.], [X.], [X.] [Hrsg.], Kriminalistik [X.] 1992 S. 735, 743; [X.] in [X.] [Hrsg.], Anthropologie [X.] S. 368, 389; [X.]. [X.] 1983, 127, 128). Zwischen den Klassifizierungen von [X.]n besteht ein gleitender Übergang, weswegen in der Regel keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung, der die zu identifizierende Person angehört, gemacht werden können (Schwarzfischer [X.]O; [X.] [X.] 1991, 175, 176). Weitere Beeinträchtigungen des [X.] können u.a. durch [X.], Grimassierung oder Bartbildung erfolgen (Schwarzfischer [X.]O; [X.] in [X.] [X.]O S. 388 f.). Aufgrund dieser "weichen" Kriterien ist die Abschätzung der Beweiswertigkeit nach der persönlichen Erfahrung eines [X.]en subjektiv; graduelle Abweichungen sind zwischen verschie-denen [X.]en möglich (Schwarzfischer [X.]O S. 744; vgl. auch [X.] [X.] 1991, 175, 176). Dabei läßt sich der [X.] leichter als der Identitätsnachweis erreichen, weil dafür bereits ein beson[X.] prägnantes Gesichtsmerkmal ausreicht ([X.] in [X.] [X.]O S. 386 f.; [X.]. [X.] 1983, 127, 129; [X.]. [X.] 1991, 175).

[X.]) Nach der Rechtsprechung des [X.] müssen die
Lichtbilder eine gewisse Qualität aufweisen, um als Identifizierungsgrundlage dienen zu können (vgl. [X.] [X.] 1991, 596; [X.]R StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 - 10 - Ungeeignetheit 16). Das bestätigt auch die Fachwissenschaft. Eine fehlerhafte Beeinträchtigung des Bildmaterials könne durch Beleuchtung, Schattengebung, Tiefenschärfe, Retusche, Entwicklung und Filmmaterial bedingt sein (Schwarz-fischer [X.]O S. 745). So könnten [X.] verschwinden und damit [X.] vorgetäuscht werden, bei zu starker Vergrößerung und grober Körnung könnten Konturen unkenntlich werden. Aufnahmen von hoch [X.] Überwachungskameras seien oft wenig geeignet. Auch die Arbeitsgruppe für die anthropologische Identifikation lebender Personen aufgrund von Bil[X.]o-kumenten weist in ihren "Standards" darauf hin, daß Bil[X.]okumente, die mit starker Kameraüberhöhung gewonnen werden, die bildvergleichenden Unter-suchungen erschweren ([X.] 1999, 230, 231). Die Erkennbarkeit von Merkma-len werde durch schlechte Aufnahmen beeinträchtigt. Ebenso betont [X.] eine mögliche Beeinträchtigung durch fototechnische Umstände wie [X.] und perspektivische Verzerrungen ([X.] in [X.] [X.]O S. 390; [X.] [X.] 1983, 127, 128).

b) Die [X.]en kommen hinsichtlich der Frage, ob im [X.] Fall ein beweisrelevantes Identitätsgutachten möglich ist, und der zu beurteilenden Qualität der [X.] der Raumüberwachungsanlage, bei der ein digitales Aufzeichnungsverfahren eingesetzt wurde, zu unterschiedli-chen Ergebnissen:

[X.]) Der [X.]e [X.] hält bei einem großen Teil der [X.] keine Vergleichsarbeiten für möglich, weil aufgrund der ungenü-genden Bildqualität individuelle anatomische Merkmale des Gesichtsbereichs nicht oder nur schemenhaft erkennbar seien. Die Auflösung sei zu gering, die Bilder seien unscharf, der A[X.]ildungsmaßstab des Gesichts- und Kopfbereichs - 11 - sei zu klein. Einige [X.] wiesen aufgrund der sehr geringen Auflö-sung, des Konturenausrisses und der ungeeigneten Aufnahmeperspektive zwar keine ungenügende, aber eine sehr schlechte Bildqualität auf. Da individuelle anatomische [X.] auch auf diesen nicht klar erkennbar seien, könn-ten keine detaillierten, sondern allenfalls allgemeine Vergleichsarbeiten bezo-gen auf [X.] und [X.] in ihrer Grobstruktur (z.B. hohe oder niedrige Nase; breite oder schmale Gesichtspartie) durchgeführt werden. Deswegen sei auch keine Wahrscheinlichkeitsaussage in bezug auf einen Identitätsnachweis möglich, sondern lediglich eine tendenzielle Aussage. Das gleiche gelte für den [X.]. Eine Wahrscheinlichkeitsaussage komme nur in Betracht, wenn trotz der schlechten oder mangelhaften Bildquali-tät [X.] oder [X.] in ihrer Grobstruktur stark (eklatant) voneinander abwichen und diese Abweichungen nicht durch die bei den betref-fenden Aufnahmen vorliegenden [X.] erklärbar seien.

Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ausführungen des [X.]en Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. , der ein schriftliches Körpergrößengutachten vom 26. Mai 2003 erstellt hat und wegen der schlechten Auflösung die Körper-größe nicht genau ablesen konnte. Die Auflösung bei dem verwendeten digita-len Aufzeichnungsverfahren betrage 696 x 576 Pixel interpoliert. Bei Überwa-chungssystemen, die mit digitaler Technik direkt auf Festplatte speichern, wür-den Hal[X.]ilder mit 768 x 288 Bildpunkten (ca. 0,2 Mio. Pixel) gespeichert. [X.] komme im vorliegenden Fall die sehr starke Bil[X.]atenkompression.

[X.]) Demgegenüber bejaht der [X.]e Prof. Dr. R. die [X.], ob die Fotos für ein Identitätsgutachten geeignet seien, uneingeschränkt. Wegen der Größe der Bilder von 696 x 576 Pixeln sei eine Verzerrung zu ver-- 12 - muten. Diese sei jedoch nicht ausgeglichen worden, weil es nicht um die Reali-tätsnähe von Merkmalen und Formen gehe, sondern um deren Zahl und Er-kennbarkeit. Die Bilder seien für die sehr große abgedeckte Fläche noch gut. Die Qualität der Bilder reiche zwar für eine sichere Identifizierung nicht aus, wohl aber für ein Wahrscheinlichkeitsprädikat auf niedrigerer Stufe. Beim Iden-titätsausschluß sei bei Wi[X.]prüchen ein starkes negatives Wahrscheinlich-keitsprädikat zu erwarten. Prof. Dr. R. hat aus einer Gesamtliste von etwa 160 Merkmalen auf den [X.] 57 Merkmale erkannt.

cc) Prof. Dr. H. kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die [X.] trotz erkennbarer Mängel für einen morphognostischen [X.] für Zwecke der Identifizierung durch einen erfahrenen [X.]en uneinge-schränkt geeignet seien. Die Ausführungen des [X.] bezeichnet er als irrefüh-rend und falsch. Die offensichtlichen Qualitätsmängel hinsichtlich Bildschärfe und Bildauflösung eines Teils der Bilder würden dadurch wettgemacht, daß der Täter in zahlreichen unterschiedlichen Positionen abgebildet sei. Aus den von den zwei Überwachungskameras gefertigten 27 Bildern hatte Prof. Dr. H. 16 Motive ausgewählt und die gefertigten Ausschnittvergrößerungen hinsicht-lich [X.]lligkeit und Kontrast bearbeitet sowie die querverlaufenden [X.] durch Anwendung eines Weichzeichners abgeschwächt.

c) Die Stellungnahme der [X.]en [X.]

deckt sich im wesentlichen mit dem Gutachten des [X.]en [X.] . Die [X.]e Dr. S. hat allerdings zwischen dem Identitätsnach-weis und dem -ausschluß insofern nicht differenziert, als daß bei starker Ab-weichung von [X.] oder [X.]n in ihrer Grobstruktur ei-ne Wahrscheinlichkeitsaussage dennoch getroffen werden könne. Deswegen - 13 - sind die Feststellungen aber nicht unzulänglich. Denn an der Beurteilung der Qualität der Lichtbilder als schlecht oder gar mangelhaft bezogen auf die feh-lende klare Erkennbarkeit von [X.]n ändert dies nichts.

d) Es ist Sache des Tatgerichts zu beurteilen, ob eklatante Abweichun-gen von [X.] und [X.]n in ihrer Grobstruktur vorliegen. Wenn es dabei zu dem Ergebnis kommt, eine derartige Abweichung liege nicht vor, bindet dies grundsätzlich das Revisionsgericht. Eine eigene Überprüfung durch den Senat liefe auf eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinaus (vgl. [X.]St 29, 18, 22; 41, 376, 380; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 337 Rdn. 107; [X.], StPO 47. Aufl. § 337 Rdn. 15). [X.] brauchte auch dem in der [X.] am 25. Januar 2005 gestellten Antrag der Verteidigung nicht nachgegangen zu werden, den [X.]en [X.] ergänzend dazu zu hören, daß unter "Einzel-merkmalen in ihrer Grobstruktur" auch eine im vorderen Bereich "sprungschan-zenähnlich" ganz leicht nach oben gebogene Nase zu verstehen sei, zumal gerade hinsichtlich der Nase der [X.]e [X.]

aufgrund der un-terschiedlichen Perspektiven der Überwachungskameras scheinbar gänzlich andere Ausformungen feststellte. Schließlich hat der Verteidiger nach [X.], auf dem der Angeklagte abgebildet ist, eingeräumt, daß eine derart ausgeformte Nase nicht zu erkennen sei. Auch Prof. Dr. H. betont, daß eklatante Abweichungen bei der Einschätzung einer verblüffenden Ähn-lichkeit selbstverständlich nicht zu erwarten seien.

Hier hat die [X.] eine sehr starke Ähnlichkeit des Angeklagten mit den von den Überwachungskameras aufgezeichneten Fotos und eine Übereinstimmung mit der Täterbeschreibung durch die Zeugin [X.] fest-- 14 - gestellt. Sogar der Angeklagte hat zugegeben, daß ihm die Bilder verblüffend ähnlich sähen. Diese Feststellungen sowie der Umstand, daß das Gericht ein wichtiges Indiz darin gesehen hat, daß die Zeuginnen K.

und [X.]. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast wieder-erkannt haben, sind auch kein Wi[X.]pruch zu der Aussage des [X.] [X.] , daß die Fotos für [X.] nicht geeignet sind. Es gibt zwei Wege der Erkenntnis der Personenidentität. Die verglei-chende morphologische Analyse von A[X.]ildern des [X.] und des [X.] ist eine Möglichkeit, die Identität nachzuweisen oder auszuschlie-ßen. Das Wiedererkennen aufgrund einer komplexen Erinnerung ist der andere Weg ([X.] in Anthropologie [X.]O. S. 386; [X.]. [X.] 1983, 127; Standards [X.] 1999, 230). Diese Identifikation erfolgt ganzheitlich und rasch mit einer Tendenz zur Prägnanz zwischen Identität und Nichtidentität (Standards [X.] 1999, 230). Zwar haben die Zeuginnen [X.]

und [X.]. den [X.]n nicht in der [X.] beobachtet, beiden ist er aber als nahezu täg-licher Besucher der [X.] seit vielen Jahren bestens bekannt.

e) Die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachten zeigen, daß von ei-nem gesicherten Stand der Wissenschaft im Bereich der anthropologischen Identitätsgutachten nicht die Rede sein kann. Der von [X.] vom [X.] angewandte Maßstab der klaren Erkennbarkeit von individuellen anatomischen [X.] und die sich daran anknüpfende Beurteilung der Tatauf-nahmen ist nachvollziehbar und plausibel. Das auf dieser Grundlage von der [X.]en Dr. St0. vom [X.] erstattete Gutachten ist nicht falsch. Die Gutachten von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. H. lassen nicht erkennen, daß sie über bessere wissenschaftlich anerkannte Verfahren verfü-gen. - 15 -

Ausgangspunkt sämtlicher [X.] sind die während der Tatbegehung gefertigten Aufnahmen des [X.]. Diese gilt es auszuwerten und mit dem Tatverdächtigen zu vergleichen.

[X.]) [X.] berücksichtigt ausschließlich diejenigen individuellen anatomischen [X.], die klar erkennbar sind. Ließen sich solche [X.] nicht erkennen, seien die [X.] nicht für [X.]sar-beiten geeignet. Der Lichtbildqualität der [X.] mißt er eine zentrale Rolle bei. Die Fähigkeit eines Gutachters, die Bildqualität und deren Verbesse-rungsmöglichkeiten und -grenzen zu analysieren, sei neben der Fähigkeit, Körpermerkmale auszuwerten, von entscheidender Bedeutung.

[X.]) Prof. Dr. R. geht davon aus, daß grundsätzlich unabhängig von der Bildqualität der [X.]e die Bewertung vorzunehmen hat. Gutach-ten sollten auch auf der Grundlage von schlechten Bildern erstattet werden. Auch eine nur kleine oder mittlere Zahl schwer erkennbarer Merkmale könne im Gesamtgefüge der Beweiswürdigung eine gewisse Rolle [X.]n. Das [X.] von [X.] diene nicht dem Ausschluß der Beurteilungsmög-lichkeit, sondern werde benannt und in seiner Wirkung diskutiert. Die Behaup-tung, die Bilder seien für eine Identifikation nicht geeignet, sei eine vorwegge-griffene Beurteilung darüber, ob das Identitätsgutachten im Verfahren nütze oder nicht. Die Bewertung der Beweiskraft solle der [X.]e dem [X.] überlassen.

cc) Prof. Dr. H. hält qualitativ schlechte Lichtbilder als Anknüp-fungspunkte - gegebenenfalls nach einer entsprechenden Bearbeitung - für - 16 - Zwecke des Identitätsnachweises und des [X.] für ausreichend, wenn der Täter in verschiedenen Positionen dargestellt ist.

[X.]) Werden Gutachten unabhängig von der klaren Erkennbarkeit der individuellen anatomischen Merkmale erstellt, besagt dies nichts über deren Beweiswert. Wie Prof. Dr. R. selbst ausführt, hat dies eine breitere Vertei-lung von [X.] zur Folge auch in Richtung der [X.]. Im vorliegenden Fall sind von den 57 auf den [X.] von ihm erkannten Merkmalen noch nicht einmal die Hälfte von sehr guter bis noch guter Erkennbarkeit. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob ein Gutach-ten wegen der mangelhaften Bildqualität nicht erstattet wird oder ob das Er-gebnis des Gutachtens nicht aussagekräftig ist. In diesen Fällen wird der [X.] grundsätzlich keinen Anlaß sehen, ein anthropologisches Identitätsgut-achten in Auftrag zu geben. Denn in der Regel kann er selbst beurteilen, ob die [X.] als Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung geeignet sind (vgl. [X.]R StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; [X.] [X.] 1991, 596). Die Behauptung, die Gefahr bei der von [X.]

angewandten [X.] bestehe darin, daß leicht ein Entlastungsindiz übersehen werde, ist nicht belegt. Der von Prof. Dr. H. betonte Umstand, daß durch eine Viel-zahl von [X.] der Qualitätsmangel wettgemacht werden könne, ändert nichts an der mangelnden oder schlechten Erkennbarkeit von [X.], und diese wird dadurch auch nicht ausgeglichen. Details unterhalb der Pi-xelgröße werden von vornherein nicht aufgenommen und können somit auf [X.] unabhängig von deren Anzahl nicht sichtbar gemacht werden. Bei einer verlustbehafteten Bil[X.]atenkompression werden auf sämtlichen Bildern Details in Form von Strukturen, Li[X.] und Mustern dargestellt, die in [X.] 17 - keit gar nicht vorhanden sind. Diese Artefakte können auch bei einer De-komprimierung nicht wieder beseitigt werden, weil diese auf der Basis der Kompressionsdaten erfolgt. Mit der in der Regel bei Raumüberwachungskame-ras verwendeten höheren Kameraposition ist eine Perspektive verbunden, die die Person ebenfalls auf allen Bildern von oben zeigt, wodurch individuelle [X.] verloren gehen. Mit der Möglichkeit, mittels tri-gonometrischer Berechnungen die Perspektive zu verändern (vgl. [X.] in [X.] [X.]O S. 396), können fehlende [X.] nicht sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis von Prof. Dr. H. , daß eine beträchtliche Anzahl der im vorliegenden Fall erfaßbaren Merkmale es dem erfahrenen [X.]en erlauben dürfte, eine sichere Aussage zur Identität oder Nichtidentität des [X.] mit dem Angeklagten zu machen, wird durch die [X.] im Gutachten nicht gestützt.

4. Der Senat weist auf folgendes hin:

Um den Beweiswert von anthropologischen Identitätsgutachten zu erhö-hen, bedarf es einer verbesserten Qualität der [X.]. Der Senat ent-nimmt der Literatur (vgl. Schwarzfischer [X.]O S. 745; [X.] in [X.] [X.]O S. 390; [X.] [X.] 1983, 127, 128), daß bestimmte technische Anfor-derungen an die Qualität der Lichtbilder beachtet werden sollten, ohne damit Mindeststandards aufzustellen.

Je höher die Auflösung der [X.] ist, desto detailreicher ist die Wiedergabe. Diese wird durch die Kameraoptik bestimmt. Ebenso sind die Brennweite und das Objektiv von Bedeutung. Durch die verlustbehaftete [X.] werden Bildartefakte wie tatsächlich nicht vorhandene [X.] - [X.] und Muster erzeugt. Je stärker die Bil[X.]aten komprimiert werden, um möglichst viele Bilder auf der Festplatte archivieren zu können, desto geringer ist die Erkennbarkeit. Die Perspektive bei Raumüberwachungskameras von oben ist von - 19 - vornherein wenig geeignet für [X.], weil wesentliche In-formationen durch die Verzerrung verloren gehen. Allgemein gilt: Je mehr die-ser Kriterien beachtet werden, desto höher ist die Qualität der Bilder und desto größer die Chance auf ein aussagekräftiges Gutachten. [X.]
Wahl Boetticher

Kolz

Elf

Meta

1 StR 91/04

15.02.2005

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2005, Az. 1 StR 91/04 (REWIS RS 2005, 5037)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5037

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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