Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2018, Az. IX ZB 8/17

9. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 108

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Gegenstand

Insolvenzverfahren: Zugehörigkeit der Ansprüche auf die Versicherungsleistung einer Lebensversicherung zur Insolvenzmasse; Nachtragsverwaltung bei Ansprüchen des Schuldners aus einer für die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherung


Leitsatz

1. Bei einer Lebensversicherung gehören Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall, die dem Schuldner als Versicherungsnehmer oder aufgrund eines unwiderruflichen Bezugsrechts zustehen, bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Insolvenzmasse.

2. Ansprüche des Schuldners auf die Todesfall- oder Erlebensfallleistung aus einer für die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherung unterliegen der Nachtragsverwaltung, soweit die Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 25. Januar 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 84.616 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der am 23. September 1960 geborene Schuldner war bis 1997 als Handelsvertreter für die [X.] (fortan: [X.]  ) tätig. Die [X.]  schloss zugunsten des Schuldners zwei Lebensversicherungen (fortan auch: Direktversicherungen) ab. Versicherungsnehmer war die [X.], versicherte Person der Schuldner. Dem Schuldner wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht im Erlebensfall eingeräumt. Die vereinbarte Versicherungsleistung besteht in einer Kapitalzahlung, die beim Tode des Versicherungsnehmers sofort, spätestens bei Vollendung des rechnungsmäßigen 65. Lebensjahres fällig ist. Nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Handelsvertreter für die [X.]  gingen die Lebensversicherungen auf den Schuldner als Versicherungsnehmer über. Seither sind die Versicherungen beitragsfrei gestellt.

2

Das [X.] eröffnete auf einen Eigenantrag des Schuldners mit Beschluss vom 3. Mai 2011 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen und bestellte die weitere Beteiligte zur Insolvenzverwalterin. Die weitere Beteiligte verwertete die Direktversicherungen nicht, weil sie nach ihrer Auffassung von § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] ([X.]) erfasst wurden. Mit ihrem Schlussbericht beantragte die weitere Beteiligte, hinsichtlich der zukünftig dem Schuldner zustehenden Ansprüche aus den Direktversicherungen die [X.] anzuordnen. Am 30. März 2016 fand der Schlusstermin statt. Mit Beschluss vom 25. Mai 2016 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners auf, nachdem die [X.] vollzogen war.

3

Mit Beschluss vom 9. September 2016 hat das Insolvenzgericht die [X.] hinsichtlich der zukünftig dem Schuldner zustehenden Ansprüche aus den Direktversicherungen angeordnet und die weitere Beteiligte zur Nachtragsinsolvenzverwalterin bestimmt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das [X.] diesen Beschluss aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die weitere Beteiligte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

B.

4

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

I.

5

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, bei den Ansprüchen auf Auszahlung der Versicherungssumme handele es sich um zukünftige Ansprüche, die nicht dem [X.] unterlägen. Das Anwartschaftsrecht selbst sei nicht pfändbar. Eine [X.] gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] könne nur angeordnet werden, wenn die zu verwertende Forderung zur Insolvenzmasse gehöre. Dem Schuldner stünden zwar [X.] hinsichtlich der Direktversicherungen zu. Diese seien jedoch nicht der Insolvenzmasse zuzurechnen, weil sie dem Pfändungsverbot des § 851 Abs. 1 ZPO unterlägen.

6

Bei einer der Altersversorgung dienenden Direktversicherung könne der vor Eintritt des [X.] aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] weder abtreten noch beleihen. Der [X.] solle möglichst lückenlos gesichert werden. Zwar sei die künftige Forderung auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall pfändbar. Sie gehöre jedoch nur dann zum [X.], wenn der Rechtsgrund definitiv und so weit verwirklicht worden sei, dass das betreffende Recht als sofort umsetzungsfähiger Bestandteil dem Vermögen des Erwerbers zuzurechnen sei und insbesondere kein Pfändungsverbot an der diesbezüglichen Anwartschaft bestehe. Daran fehle es, weil die [X.]en aus den Direktversicherungen von dem Pfändungsverbot des § 851 Abs. 1 ZPO insgesamt erfasst würden. Die Verwertung künftiger Forderungen im Rahmen der Nachtragsinsolvenz sei nur möglich, wenn bereits die [X.] selbst pfändbar seien.

[X.]

7

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des [X.] kann eine [X.] hinsichtlich der dem Schuldner aus den Direktversicherungen (§ 1b Abs. 2 Satz 1 [X.]) zustehenden Ansprüche im Todes- und Erlebensfall nicht abgelehnt werden.

8

1. Eine [X.] gemäß § 203 [X.] kann nur angeordnet werden, wenn der Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört. Die Zugehörigkeit eines nachträglich ermittelten Gegenstands zur Masse des noch laufenden (§ 203 Abs. 1 [X.]) oder bereits aufgehobenen (§ 203 Abs. 2 [X.]) Insolvenzverfahrens ist tatbestandliche Voraussetzung der Anordnung einer [X.] nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ([X.], Beschluss vom 27. April 2017 - [X.], [X.], 1169 Rn. 16). Sie kann deshalb nicht vom Insolvenzgericht offen gelassen und entsprechend § 47 Satz 2 [X.] der Klärung im ordentlichen Verfahren überlassen werden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und kann dazu auch Beweise erheben (§ 5 Abs. 1 [X.]).

9

2. Die Annahme des [X.], der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Todes- und Erlebensfall gehöre nicht zur Insolvenzmasse, hält auf der Grundlage seiner Feststellungen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Insolvenzmasse erfasst gemäß § 35 Abs. 1 [X.] das Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erwirbt. Diese Voraussetzungen können auch bei Ansprüchen des Schuldners aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 1 [X.] erfüllt sein.

aa) Ein Vermögensrecht gehört dann zur Masse, wenn sein Erwerbstatbestand im [X.]punkt der Verfahrenseröffnung vollendet ist (MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 35 Rn. 71). "Gehören" bedeutet dem Rechte nach zustehen (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 68 [X.]). Ob Forderungen zur Insolvenzmasse gehören, richtet sich danach, ob sie bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden sind. [X.] ist eine Forderung daher, wenn der Rechtsgrund so weit und endgültig verwirklicht worden ist, dass das betreffende Recht sofort als umsetzungsfähiger Bestandteil zum Vermögen des Schuldners zu rechnen ist. Entscheidend ist, ob vom [X.] bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass die Vollendung nicht mehr von einem willensgesteuerten Verhalten des Schuldners abhängt (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 71 [X.]). Dies kann auch der Fall sein, wenn dem Schuldner eine bedingte Forderung zusteht. Hier muss der Vermögensgegenstand insbesondere so in das Vermögen des Schuldners gelangt sein, dass weder für den Drittschuldner noch für einen [X.] eine Möglichkeit besteht, diesen aufgrund alleiniger Entscheidung zurückzuerhalten (vgl. auch für den umgekehrten Fall des [X.] des Schuldners [X.], Urteil vom 27. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 87, 93 zur Abtretung einer bedingten Forderung; vom 17. November 2005 - [X.], [X.], 87 Rn. 13 zum Erwerb von Nutzungsrechten).

bb) Ob diese Voraussetzungen bei Ansprüchen des Schuldners aus einer Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 1 [X.] erfüllt sind, richtet sich nach den versicherungsvertraglichen Regelungen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Dezember 2014 - [X.], [X.], 138 Rn. 14; ebenso [X.], Urteil vom 9. Oktober 2014 - [X.], [X.], 2183 Rn. 12 zum Aussonderungsrecht des Arbeitnehmers in der Insolvenz des Arbeitgebers). Diese bestimmen über den [X.]punkt des Entstehens der jeweiligen Forderung. Ergibt sich aus den versicherungsvertraglichen Bestimmungen der Lebensversicherung bereits eine ausreichend gesicherte Rechtsposition des Schuldners, ist der Anspruch zu dem [X.]punkt im Sinne des § 35 [X.] entstanden, zu dem diese Voraussetzungen erfüllt sind. Liegt dieser [X.]punkt vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens, fällt der Anspruch auf die Versicherungsleistung in die Masse, sofern keine vorrangigen, wirksamen Rechte Dritter bestehen.

(1) Ist der Schuldner Versicherungsnehmer der Lebensversicherung, fällt der Anspruch auf die Versicherungsleistung regelmäßig in die Insolvenzmasse. Bei einer Lebensversicherung ist der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung bereits mit Abschluss des [X.] begründet, jedoch aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalls ([X.], Urteil vom 28. April 2010 - [X.], [X.]Z 185, 252 Rn. 35; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - [X.], [X.], 251 Rn. 14 für eine Risikolebensversicherung auf das Leben eines [X.]). Der Versicherer schuldet die vertragliche Leistung im Versicherungsfall mit Abschluss des [X.]. Deshalb besteht hinsichtlich dieses Anspruchs ein Anwartschaftsrecht, das grundsätzlich zur Masse gehört ([X.], Beschluss vom 9. Oktober 2014 - [X.] 20/14, [X.], 2235 Rn. 7 mwN; vom 18. Dezember 2014, aaO). Mit der Entstehung des in dem aufschiebend bedingten Anspruch auf die Versicherungsleistung liegenden Anwartschaftsrechts ist der nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen maßgebliche Rechtsgrund für den Anspruch gelegt ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014, aaO mwN). Handelt es sich um eine gemischte Lebensversicherung, bei der zwei unterschiedliche Versicherungsfälle vereinbart sind (Todesfall während der versicherten [X.] sowie Erleben eines vereinbarten Endalters), gilt dies sowohl für den Anspruch auf die Todesfallleistung als auch für den Anspruch auf die Erlebensfallleistung (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2010, aaO). In diesen Fällen ist unerheblich, ob der Versicherungsfall erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eintritt.

(2) Soweit der Schuldner nicht Versicherungsnehmer des [X.] ist, kommt es auf seine versicherungsrechtliche Stellung an. Der einem als bezugsberechtigt benannten [X.] zustehende Anspruch auf die Leistung des Versicherers entsteht grundsätzlich erst mit Eintritt des Versicherungsfalls (§ 159 Abs. 2 [X.]). Hier erwirbt der Dritte nur eine Hoffnung auf eine später fällig werdende Leistung ([X.], Urteil vom 27. September 2012 - [X.], [X.], 2294 Rn. 8 zu § 140 [X.]; Prölss/[X.], [X.], 30. Aufl., § 159 Rn. 15); ein solcher Anspruch des Schuldners als einfach bezugsberechtigter Dritter ist damit noch nicht im Sinne des § 35 [X.] entstanden. Ist der Schuldner jedoch unwiderruflich als bezugsberechtigt benannt, steht ihm der Anspruch auf die Leistung des Versicherers bereits mit der wirksamen Bezeichnung als bezugsberechtigt zu (§ 159 Abs. 3 [X.]). In diesem Fall ist der Anspruch mangels anderslautender Vereinbarung bereits mit Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts erworben ([X.], aaO mwN; Prölss/[X.], aaO Rn. 18) und damit im Sinne des § 35 [X.] entstanden.

(3) Ist der Schuldner Versicherungsnehmer der Lebensversicherung, können Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall gleichwohl nicht zum Vermögen des Schuldners im Sinne des § 35 [X.] gehören. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner einen [X.] unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichnet hat. In diesem Fall erwirbt der Dritte die Ansprüche aus der Versicherung - soweit die unwiderrufliche Bezugsberechtigung reicht - regelmäßig sofort ([X.], aaO mwN). In gleicher Weise ist die Pfändung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 [X.] insolvenzfest, wenn der Pfandrechtsgläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der gepfändeten Forderung erlangt hat ([X.], Beschluss vom 11. Dezember 2014 - [X.], [X.], 138 Rn. 10).

Hat der Schuldner einen [X.] nur widerruflich als bezugsberechtigt bezeichnet, erwirbt der Dritte die Rechte erst mit Eintritt des Versicherungsfalls ([X.], Urteil vom 26. Januar 2012 - [X.], [X.], 517 Rn. 8 mwN). Im Falle einer widerruflichen Bezugsberechtigung des [X.] gehören die Ansprüche aus einer Lebensversicherung daher nur dann nicht zur Insolvenzmasse, wenn der Versicherungsfall vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrat (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2010 - [X.], [X.]Z 185, 252 Rn. 39; vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 2251 Rn. 10 mwN). Tritt der Versicherungsfall bei einem widerruflichen Bezugsrecht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, erwirbt der Begünstigte des [X.] den Anspruch auf die Versicherungssumme mit Eintritt des Versicherungsfalls originär selbst ([X.], Urteil vom 28. April 2010, aaO; vom 9. Oktober 2014 - [X.], [X.], 2183 Rn. 24 mwN); bis dahin gehören die Ansprüche jedoch zur Insolvenzmasse, so dass insbesondere ein Widerruf des Bezugsrechts möglich ist ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2014, aaO Rn. 13).

cc) Nachdem das Beschwerdegericht keine näheren Feststellungen zur versicherungsrechtlichen Lage zur [X.] des Insolvenzverfahrens getroffen hat, ist in der [X.] zugunsten der Rechtsbeschwerdeführerin zu unterstellen, dass der Schuldner uneingeschränkt Versicherungsnehmer ist und kein unwiderrufliches Bezugsrecht eines [X.] besteht.

b) Die Pfändungsschutzvorschriften stehen der Anordnung der [X.] entgegen der Auffassung des [X.] nicht entgegen. Allerdings nimmt § 36 Abs. 1 [X.] Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, von der Insolvenzmasse aus. Ist eine Forderung des Schuldners bereits vor Insolvenzeröffnung oder während des Insolvenzverfahrens entstanden, gehört sie nur insoweit zur Insolvenzmasse, als die Forderung pfändbar ist. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Ansprüche im Todes- oder Erlebensfall bei einer Lebensversicherung dann erfüllt, wenn es sich um eine von § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] erfasste Lebensversicherung handelt.

aa) Zugunsten des Schuldners kann unterstellt werden, dass § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] anwendbar ist. Allerdings gilt diese Bestimmung nur für Arbeitnehmer (§ 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und ihnen gleich gestellte Personen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Das Beschwerdegericht hat hierzu bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Nach den bisherigen Feststellungen kommt in Betracht, dass der Schuldner als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen ist. Dann kann der Schuldner nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] in den Genuss der Pfändungsschutzvorschriften kommen, wonach die §§ 1 bis 16 [X.] entsprechend für Personen gelten, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Der Wortlaut des Gesetzes erfasst auch Selbständige, die nicht wirtschaftlich abhängig sind, allerdings nur dann, wenn sie nicht für sich, sondern für einen "anderen" tätig sind oder waren und von diesem eine Versorgungszusage erhalten ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 17 Rn. 77). Dies kann auf selbständig tätige Handelsvertreter zutreffen ([X.], Urteil vom 21. Mai 2003 - [X.], NJW 2003, 3350 unter [X.] 1.).

bb) Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass Ansprüche des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen [X.] oder, soweit die Berechnung des [X.] nicht zum Geschäftsplan gehört, des nach § 169 Abs. 3 und 4 [X.] berechneten Wertes gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar sind. Diese Ansprüche sind nicht übertragbar, weil der Schuldner sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] weder abtreten noch beleihen kann. Hieraus ergibt sich aber nur, dass die Verfügungsmacht des Arbeitnehmers, wenn die Versicherung auf ihn übergeht, in ihrem sachlichen Umfang in bestimmter Hinsicht beschränkt ist ([X.], Urteil vom 22. Juli 2015 - [X.], [X.], 1611 Rn. 23 mwN). Nur im Umfang dieser Beschränkung ist die Forderung unpfändbar.

Demgemäß erfasst die Vorschrift Forderungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig werden. Hingegen erstreckt sich die Vorschrift nicht auf die Ansprüche, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fällig werden ([X.], Beschluss vom 11. November 2010 - [X.], [X.], 2366 Rn. 11). Der Gesetzeszweck des § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] hindert nicht, einen Gläubiger des Arbeitnehmers im Wege der Pfändung auf die mit Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche als zukünftige Forderungen zugreifen zu lassen ([X.], aaO). Der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall und der Anspruch auf den Rückkaufswert nach Kündigung sind keine Teile eines einheitlichen Anspruchs, sondern zwei getrennte Ansprüche ([X.], Urteil vom 28. April 2010 - [X.], [X.]Z 185, 252 Rn. 37).

cc) Das Pfändungsverbot des § 851 Abs. 1 ZPO, § 2 Abs. 2 Satz 4[X.] gibt auch keinen Grund dafür, dass die im Versicherungsfall bestehenden Ansprüche des Schuldners nicht in die Insolvenzmasse fallen. Das Beschwerdegericht folgert zu Unrecht aus dem Begriff des Anwartschaftsrechts, dass die Unpfändbarkeit hinsichtlich der vor dem Versicherungsfall bestehenden Ansprüche auch die Ansprüche auf die Erlebensfall- oder Todesfallleistung im Versicherungsfall erfasst.

§ 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] will nach der gesetzgeberischen Zielsetzung verhindern, dass ein zur Alterssicherung gedachtes Vermögen diesem Zweck vor Eintritt des Versicherungsfalls wieder entzogen wird. Es soll für den [X.] erhalten bleiben (BT-Drucks. 7/1281 S. 26). Die Bestimmung enthält Regelungen hinsichtlich der von dem vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer erworbenen [X.], also für die [X.] vor Eintritt des Versicherungsfalls, und will verhindern, dass der Arbeitnehmer vor diesem [X.]punkt die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet ([X.], Beschluss vom 11. November 2010 - [X.], [X.], 2366 Rn. 11; vom 5. Dezember 2013 - [X.], [X.], 86 Rn. 2). Damit dient die Norm dazu, dem Schuldner eine Alterssicherung zu ermöglichen; die mit dem Abschluss der Direktversicherung angestrebte Vorsorge soll nicht dadurch unterlaufen werden, dass die angesparten Beträge verwertet werden, bevor der Versicherungsfall eingetreten ist. Hingegen enthält die Norm keine gesetzgeberische Entscheidung darüber, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bei Eintritt des [X.] tatsächlich in den Genuss der Alterssicherung kommen soll. Ist der Versorgungsfall eingetreten, richtet sich der Schutz des Schuldners nicht mehr nach § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.], sondern nach den allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2008 - [X.], [X.], 2265 Rn. 9 mwN; vom 11. November 2010, aaO Rn. 13). Dementsprechend hindert § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] einen Gläubiger des Arbeitnehmers nicht, im Wege der Pfändung auf die mit Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche zuzugreifen ([X.], Beschluss vom 11. November 2010, aaO Rn. 11).

Aus den gleichen Gründen kann aus der Pfändungsschutzvorschrift des § 2 [X.] nichts für die Frage entnommen werden, ob der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall dem [X.] unterfällt. Sind bestimmte Ansprüche pfändbar, kann die Zugehörigkeit der Ansprüche zur Insolvenzmasse nicht deshalb verneint werden, weil die Verwertung erst zukünftig möglich sein wird. Die uneingeschränkte, sofortige Verwertbarkeit ist keine Voraussetzung der Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zur Masse ([X.], Beschluss vom 2. Dezember 2010 - [X.], [X.], 135 Rn. 9). Die Auffassung des [X.] führt dazu, dass pfändbare Ansprüche auch dann aus der Insolvenzmasse ausscheiden, wenn sie vor Beendigung des Insolvenzverfahrens entstanden waren. Richtig ist vielmehr, dass ein pfändbarer Anspruch zur Masse gehört, wenn der Anspruch bereits entstanden ist, mag dies auch nur unter einer aufschiebenden Bedingung der Fall sein. Erst recht kommt es nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs an.

I[X.]

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1. § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erfasst auch Gegenstände, die der Verwalter zunächst nicht für verwertbar hielt und deswegen nicht zur Masse gezogen hat. Zur Masse gehörende, vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verwertete Gegenstände sind gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] der [X.] zuzuführen ([X.], Beschluss vom 27. April 2017 - [X.], [X.], 1169 Rn. 18). Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens steht der Anordnung der [X.] nicht entgegen (§ 203 Abs. 2 [X.]). Daher kommt es nicht darauf an, dass die Direktversicherungen bereits bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens bekannt waren und dass eine Verwertung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls möglich sein wird.

2. Wird eine [X.] angeordnet, weil nachträglich Gegenstände der Masse ermittelt worden sind (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.]), müssen die betroffenen Gegenstände im Anordnungsbeschluss selbst ausreichend bestimmt bezeichnet werden ([X.], Beschluss vom 26. Januar 2012 - [X.], [X.], 366 Rn. 9; vom 12. Februar 2015 - [X.], Z[X.] 2015, 634 Rn. 2). Das Beschwerdegericht wird daher bei einer Anordnung einer [X.] die erfassten Ansprüche aus den Direktversicherungen anhand der dargelegten Maßstäbe bestimmt zu bezeichnen haben.

Dabei wird das Beschwerdegericht weiter zu beachten haben, dass die Ansprüche aus den Direktversicherungen nach Eintritt des Versicherungsfalls nur insoweit zur Masse gehören, als sie aus Mitteln bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlangt sind. Tritt die aufschiebende Bedingung für den Anspruch auf die Todesfallleistung oder Erlebensfallleistung erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ein, führt dies nicht dazu, dass die gesamte Versicherungsleistung Bestandteil der Masse ist. Wirtschaftlich ist bei einem solchen Anwartschaftsrecht nur das Bestandteil der Masse, was bereits bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens - sei es als Versicherungsleistung, sei es als Rückkaufswert - erlöst worden wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014 - [X.], [X.], 251 Rn. 15). Auch insoweit wird das Beschwerdegericht den erfassten Umfang der Ansprüche so bestimmt wie möglich zu bezeichnen haben.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Pape   

      

Schoppmeyer     

      

Röhl     

      

Meta

IX ZB 8/17

20.12.2018

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Lüneburg, 25. Januar 2017, Az: 3 T 62/16

§ 35 InsO, § 36 Abs 1 InsO, § 203 Abs 1 Nr 3 InsO, § 1b Abs 2 S 1 BetrAVG, § 2 Abs 2 S 4 BetrAVG, § 159 Abs 3 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2018, Az. IX ZB 8/17 (REWIS RS 2018, 108)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 313-315 WM2019,217 NJW 2019, 999 REWIS RS 2018, 108

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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