Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2001, Az. 4 StR 79/01

4. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3158

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[X.] StR 79/01vom20. März 2001in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung [X.] und des Beschwerdeführers am 20. März 2001gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 23. November 2000 mitden Feststellungen aufgehobena)in dem den [X.] der [X.],b)im [X.] Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuerVerhandlung und Entscheidung, auch über die [X.] Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des[X.]s zurückverwiesen.3.Die weiter gehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten "wegen sexueller Nötigung undwegen Vergewaltigung" unter Einbeziehung einer viermonatigen [X.] einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahrenverurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der erdie Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg; imübrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.- 3 -1. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruchkeinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das[X.] im [X.] der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung [X.] der Versicherungskauffrau [X.] zur (Einzel-)strafe von [X.] Freiheitsstrafe verurteilt hat. Insoweit erhebt der [X.] keine ausdrücklichen Einwendungen.2. Dagegen hält der Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand,soweit das [X.] den Angeklagten im [X.] wegen "Vergewaltigung"zum Nachteil von [X.] zu der Einsatzstrafe von fünf Jahren und [X.] Freiheitsstrafe verurteilt hat. Das [X.] hat die Strafe [X.] des qualifizierten Tatbestandes des § 177 Abs. 4 StGBentnommen. Das Vorliegen eines minder schweren Falles des Absatzes 52. Alt. der Vorschrift hat es verneint. Diese [X.] und [X.] im engeren Sinne begegnen durchgreifendenrechtlichen [X.]) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte [X.] mit der Geschädigten, die als Prostituierte tätig war, für den [X.] einen "Hausbesuch" in seiner Wohnung für die Dauer von zweiStunden und einen vereinbarten Preis von 500 DM verabredet. Da er jedochüber kein Geld verfügte, um sie "für ihre Dienste zu bezahlen", hatte er [X.] den Entschluß gefaßt, mit ihr "auch gegen ihren Willen sexuelleHandlungen durchzuführen" ([X.]). Nachdem [X.] erschienen war,verschloß er die Wohnungstür. Bald darauf zog er ein Messer und eineWäscheleine bzw. einen Strick hervor und forderte [X.] "im Befehlston auf,sich auszuziehen, wobei er ihr das Messer entgegenhielt", was sie aus Angst- 4 -tat. Nachdem er sich ebenfalls entkleidet hatte, mußte sie sich auf den [X.]. Sodann legte er sich auf sie und führte "geschlechtsverkehrsähnlicheBewegungen" aus, wobei er das Messer "in Reichweite" ablegte. [X.] die Geschädigte mit ihm den Oralverkehr ausüben. "Dabei hielt er dasMesser wieder in der Hand" ([X.]). Schließlich legte er sich wieder auf sie,steckte sein Glied zwischen ihre Brüste und gelangte so zum [X.]) Hiernach hat das [X.] den Angeklagten zu Recht nach § 177Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 StGB wegen [X.] (zur Bezeichnung [X.] im Schuldspruch vgl. [X.], 2987, 2988; [X.]/[X.] StGB23. Aufl. § 177 Rdn. 11) verurteilt. Daß es nicht auch die [X.] des Absatzes 1 Nr. 3 der Vorschrift (Ausnutzen derschutzlosen Lage) als verwirklicht angesehen hat, beschwert den [X.]. Die Feststellungen belegen auch, daß der Angeklagte das Messer [X.] des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB "verwendet" hat. Hierfür genügt, daß [X.] das gefährliche Werkzeug bei der Tat als Drohmittel einsetzt ([X.], 487; [X.], Beschluß vom 16. Mai 2000 - 4 StR 89/00, jeweils zu § 250Abs. 2 Nr. 1 StGB). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter aufgrund der [X.] Opfer diesem jederzeit ohne weiteres mit dem Messer Verletzungenbeibringen kann.c) Dagegen ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, daßder Angeklagte auch das Regelbeispiel des besonders schweren Falles der"Vergewaltigung" (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) verwirklicht hat. Zwar hatder Angeklagte mit dem Oralverkehr eine sexuelle Handlung erzwungen, die- wie in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 beschrieben - "mit dem Eindringen in [X.] verbunden" war. Jedoch ist - wie die Revision zu Recht geltend macht -- 5 -die weitere Voraussetzung des Regelbeispiels, nämlich der "besonderserniedrigende" Charakter der abgenötigten sexuellen Handlung, nichtgenügend dargetan.Zwar ist nach der Legaldefinition in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB jedeerzwungene sexuelle Handlung, die "mit einem Eindringen in den [X.]" ist, auch dann, wenn sie keinen Beischlaf darstellt, [X.] nicht als "sexuelle Nötigung", sondern als "Vergewaltigung" zubezeichnen ([X.], Urteil vom 23. März 1999 - 1 StR 25/99, bei [X.] NStZ-RR1999, 353 Nr. 32; [X.]/[X.] aaO). Doch genügt für die Annahme [X.] abgesehen von dem erzwungenen Beischlaf nicht jede anderemit einer Penetration verbundene sexuelle Handlung. Vielmehr ist dies nurdann der Fall, wenn die dem Beischlaf "ähnliche" sexuelle Handlung das Opfer"besonders erniedrigt". Zwar kommt diesem einschränkenden Merkmal der"besonderen Erniedrigung" in Fällen des Oral- und Analverkehrs regelmäßigkeine eigenständige Bedeutung zu (vgl. [X.] NStZ 2000, 254), weil sich dererniedrigende Charakter dieser sexuellen Handlungen im allgemeinen vonselbst versteht. Grundsätzlich bedarf es aber, wie der Senat in derEntscheidung [X.] NJW 2000, 672 f. = [X.], 198 ff. (m.krit.[X.].[X.] NStZ 2000, 367 f.) näher ausgeführt hat, jeweils der positivenFeststellung der Umstände des Einzelfalls, die in wertender Betrachtung [X.] der "besonderen Erniedrigung" des [X.] stützen (so [X.]/[X.] StGB 50. Aufl. § 177 Rdn. 23 d; [X.]/[X.]/[X.] StGB 26. Aufl. § 177 Rdn. 20; a.A. [X.] aaO).Daran fehlt es [X.] -Die Feststellungen lassen die Möglichkeit offen, daß die [X.] erzwungenen sexuellen Handlungen einschließlich [X.] ihrer Art nach von der von ihm zuvor mit der [X.] Verabredung zum entgeltlichen Sexualverkehr umfaßt waren. Unterdiesen Umständen könnte der Senat die Auffassung des [X.]s, "dieseArt des Sexualverkehrs (habe) eine besondere Erniedrigung der Geschädigtendargestellt" ([X.]), nicht bestätigen. § 177 StGB schützt in erster Linie [X.] auf sexuelle Selbstbestimmung (vgl. [X.]. 13/7324 [X.]). Deshalbist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die grundsätzliche Bereitschaftdes [X.] zu sexuellen Handlungen regelmäßig ein für die Beurteilung [X.] der nach § 177 StGB qualifizierten Tat bestimmender Umstand([X.] StV 1995, 635 (nur [X.]); 1996, 26; [X.], Beschluß vom 21. [X.] - 4 StR 489/00; wie hier auch der 5. Strafsenat des [X.], [X.], 29;dagegen Bedenken des 2. Strafsenats des [X.], bei [X.] NStZ-RR 1998,326 Nr. 30 und Urteil vom 16. August 2000 [X.] 2 StR 159/00). Der [X.] dafür, in Fällen der vorliegenden Art das Verhalten des Täters milder zubeurteilen, liegt darin, daß das Schwergewicht des Tatunrechts nicht in derVerletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des [X.] liegt,sondern in den weiter verwirklichten Straftatbeständen, mit deren Hilfe [X.] zum Vollzug der sexuellen Handlung gelangen will ([X.] StV 1996, 26,27). Das läßt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, das auchProstituierten uneingeschränkt zusteht (so der 2. Strafsenat des [X.] bei[X.] NStZ-RR 1998, 326 Nr. 30), unberührt. Davon zu trennen ist aber die [X.] der Strafzumessungsregel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB zuerörternde Frage, ob die sexuellen Handlungen das Opfer "besonderserniedrigen". [X.] deshalb der Täter nur diejenigen sexuellen Handlungen,zu deren Durchführung sich das [X.] gegen Entgelt freiwillig bereit erklärt- 7 -hatte, so fehlt es regelmäßig an dem [X.], daß das Opfer [X.] worauf esankommt [X.] gerade die sexuellen Handlungen als entwürdigend empfindet (vgl.[X.]/[X.] aaO). Daß sich der Täter dabei der Nötigungsmittel des § 177StGB in der Absicht bedient, seine sexuellen Ziele ohne Zahlung desvereinbarten [X.] zu erreichen, führt für sich allein nicht zu eineranderen Bewertung, sofern nicht weitere entwürdigende Umstände hinzutreten.Anders verhält es sich dagegen, wenn der Täter das [X.] zu anderen alsden vereinbarten Sexualpraktiken zwingt.d) Der aufgezeigte Rechtsfehler läßt den Schuldspruch in diesem Fallwegen [X.] unberührt; soweit nach der [X.], 672 bei Nichtannahme fibesonderer Erniedrigungfl in diesen Fällen dieTat im Schuldspruch nur als fisexuelle Nötigungfl zu bezeichnen ist, hält [X.] daran nicht fest. Auf dem Rechtsfehler beruht aber der Strafausspruch.Zwar ist der vom [X.] angewandte Strafrahmen des § 177 Abs. 4 StGBunabhängig von der Annahme eines besonders schweren Falles [X.] 2 der Vorschrift eröffnet. Jedoch liegt es nahe, daß diese Annahmedie Erwägungen zum minder schweren Fall nach Absatz 5 2. Alt. der [X.] Nachteil des Angeklagten beeinflußt [X.]) Davon abgesehen kann der Strafausspruch auch deshalb nichtbestehen bleiben, weil die Strafzumessungserwägungen im engeren Sinneebenfalls durchgreifende Rechtsfehler aufweisen. Das [X.] wertet zuLasten des Angeklagten, "daß er - obwohl sich Täter und Opfer ausvorangegangenen Sexualkontakten kannten - nunmehr den Geschlechts-verkehr erzwingen wollte" ([X.]). Damit wertet das [X.] zu Ungunstendes Angeklagten letztlich, daß er die Tat begangen hat. Dies verstößt gegen- 8 -das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB ([X.], Beschluß [X.] März 2001 - 4 StR 36/01). Aus dem gleichen Grund begegnet auch dieweitere straferschwerende Erwägung rechtlichen Bedenken, "der Angeklagte(habe) sich auch nicht von seinen Handlungen dadurch abbringen lassen, daßoffensichtlich zwischen der Geschädigten und per [X.] bestand" ([X.] den Einzelstrafausspruch im [X.] der Urteilsgründe ist [X.] zu befinden.3. Die Aufhebung der Einzelstrafe im [X.] der Urteilsgründe entziehtauch dem [X.] die Grundlage.[X.] Athing[X.]St: nein[X.]R: jaVeröffentlichung: jaStGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1Erzwingt der Täter nur solche dem Beischlaf ähnliche, mit einemEindringen in den Körper verbundene sexuelle Handlungen(Vergewaltigung), zu deren Durchführung sich das [X.] zuvorgegen Entgelt freiwillig bereit erklärt hatte, ist das [X.] schweren Falles der sexuellen Nötigung nur erfüllt, wennweitere entwürdigende Umstände die fibesondere Erniedrigungfl des- [X.] durch die sexuellen Handlungen ergeben (im Anschluß an [X.]NJW 2000, 672).[X.], Beschluß vom 20. März 2001 [X.] 4 StR 79/01 [X.] [X.]

Meta

4 StR 79/01

20.03.2001

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2001, Az. 4 StR 79/01 (REWIS RS 2001, 3158)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3158

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