Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2012, Az. IX ZB 22/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8845

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 22/11

vom

23. Februar 2012

in dem Insolvenzverfahren

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und die Richterin
Möhring

am 23. Februar 2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der [X.] des [X.] vom 7. Dezember 2010 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wirt-gesetzt.

Gründe:

I.

Der weitere Beteiligte zu 1 wurde mit Eröffnung des Verbraucherinsol-venzverfahrens über das Vermögen des Schuldners am 4. Oktober 2006 zum Treuhänder bestellt. Nach Durchführung des [X.] hat das Insolvenz-gericht mit Beschluss vom 28. Mai 2010 dem Schuldner die Erteilung der Rest-schuldbefreiung angekündigt und für die Wohlverhaltensphase die weitere [X.] zu 2 zur Treuhänderin bestellt. Die damit verbundene Entlassung des weiteren Beteiligten zu 1 hat es damit begründet, dass der weitere Beteiligte zu 1 in zahlreichen anderen Verfahren erklärt habe, die ihm mit gesondertem Be-schluss übertragenen Zustellungen an die Verfahrensbeteiligten nur noch ge-1
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i-teren Beteiligten zu 1 wegen seiner Entlassung erhobene sofortige Beschwerde ist vom [X.] zurückgewiesen worden. Hiergegen wendet sich der [X.] zu 1 mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§
7, 6, 313 Abs.
1 Satz
3, §
59 Abs.
2 Satz
1 [X.] i.V.m. Art.
103f EG[X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§
574 Abs.
2, §
575 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob zwischen dem Treuhänder des vereinfachten Insolvenzverfahrens und dem des [X.]s Personenidentität bestehen müsse oder ob für das [X.] ohne weiteres ein neuer Treuhänder be-stellt werden könne. Selbst wenn man der ersten Auffassung folge, komme als [X.] neben einer Pflichtverletzung des Treuhänders auch eine Situation in Betracht, bei der das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder in einem Maße gestört oder zerrüt-tet sei, dass ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheine. Dies sei hier der Fall, weil zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder seit Jahren Streit über die Frage bestehe, ob der Treuhänder für die ihm nach §
8 Abs.
3 [X.] übertragenen Zustellungsaufgaben einen Zuschlag zur Vergü-tung entsprechend
§
3 Abs.
1 [X.] verlangen könne. Der Streit, der zu einer Vielzahl von Beschwerdeverfahren geführt habe, habe sich inzwischen auf die Frage ausgeweitet, ob der Treuhänder die Zustellungsaufgaben auf ein exter-2
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nes Unternehmen übertragen dürfe, das unter derselben Anschrift firmiere wie er selbst und dessen Vorstand seine Anwaltspartnerin sei, und ob er dafür [X.] verlangen könne. Schließlich habe das Insolvenzgericht den [X.] in zahlreichen anderen Verfahren entlassen.

2. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht mit der Störung des [X.] einen Gesichtspunkt herangezogen hat, auf den das Insolvenzgericht seine Entscheidung noch nicht gestützt hatte. Das Beschwerdegericht ist nicht auf die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt, sondern kann als vollwertige zweite Tatsacheninstanz eine eigene Ermessens-entscheidung treffen ([X.], Beschluss vom 9.
Oktober 2008 -
IX
ZB 60/07, juris Rn.
2; vom 17.
September 2009 -
IX
ZB 62/08, [X.], 864 Rn.
3; Münch-Komm-[X.]/Ganter, 2.
Aufl., §
6 Rn.
53a; HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
6 Rn.
33).

b) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats umfasst die Bestellung zum Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren auch das Restschuldbe-freiungsverfahren, sofern die Bestellung im Eröffnungsbeschluss -
wie hier
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keine Einschränkung enthält ([X.], Beschluss vom 24.
Juli 2003 -
IX
ZB 458/02, Z[X.] 2003, 750; vom 17.
Juni 2004 -
IX
ZB 92/03, [X.] 2004, 544; vom 15.
November 2007 -
IX
ZB 237/06, [X.], 35 Rn.
8; vom 15.
November 2007 -
IX
ZB 8/07, juris Rn.
2).

Bestellt das Insolvenzgericht für die Wohlverhaltensperiode einen neuen Treuhänder, liegt darin zugleich die schlüssige Entlassung des ursprünglich 4
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bestellten Treuhänders ([X.], Beschluss vom 15.
November 2007 -
IX
ZB 237/06, aaO Rn.
5; vom 15.
November 2007 -
IX
ZB 8/07, aaO).

c) Die Entlassung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren setzt wie die Entlassung eines Insolvenzverwalters einen wichtigen, die Entlas-sung rechtfertigenden Grund voraus (§
313 Abs.
1 Satz
3, §
59 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung lässt sich ein solcher nicht bejahen.

aa) Wie der Senat mit Beschluss vom 19. Januar 2012 ([X.], z.[X.].) entschieden hat, genügt eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwi-schen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder allein für dessen Entlassung selbst dann nicht, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheint. Eine Entlassung
des Treuhänders ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf freie Berufsaus-übung (Art. 12 GG) in der Regel nur dann als verhältnismäßig gerechtfertigt, wenn die Störung des Vertrauensverhältnisses ihre Grundlage in einem pflicht-widrigen Verhalten des Verwalters hat, welches objektiv geeignet ist, das Ver-trauen des Insolvenzgerichts in seine Amtsführung schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen. Dabei kommt auch
ein Fehlverhalten des Verwalters in einem anderen Insolvenzverfahren in Betracht, sofern aus diesem Verhalten zu schließen ist, dass die rechtmäßige und geordnete Abwicklung des laufenden Verfahrens bei einem Verbleiben des Verwalters im Amt nachhaltig beeinträch-tigt werden würde.

bb) Indem das Beschwerdegericht eine die gedeihliche Zusammenarbeit ausschließende Störung oder Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Gericht und dem Treuhänder als [X.] anerkennt, ohne dass 8
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es insoweit auf ein Verschulden des Treuhänders oder auf sonstige weitere sachliche Voraussetzungen ankäme, hat es diesen Maßstab verkannt.

3. Die Entscheidung des [X.] stellt sich aber aus ande-ren Gründen als richtig dar (§
577 Abs.
3 ZPO). Nach dem vom [X.] festgestellten Sachverhalt und den von ihm in Bezug genommenen Fest-stellungen des Insolvenzgerichts ist die festgestellte schwere Störung des [X.] auf ein pflichtwidriges Verhalten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückzuführen, das objektiv geeignet war, eine solche Störung zu bewir-ken.

a) Das Beschwerdegericht leitet den schweren Vertrauensverlust unter anderem daraus ab, dass zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder seit Jahren Streit über die Frage bestehe, ob der Treuhänder für die ihm über-tragenen Zustellungsaufgaben einen Zuschlag zur Vergütung verlangen kann. Eine solche Meinungsverschiedenheit in einer Rechtsfrage stellt für sich ge-nommen noch kein pflichtwidriges Verhalten des Treuhänders dar, auch dann nicht, wenn sie zu zahlreichen Beschwerdeverfahren führt.

b) Das Insolvenzgericht hat aber festgestellt, der weitere Beteiligte zu 1 habe in zahlreichen Insolvenzverfahren erklärt, er werde die ihm nach §
8 Abs.
3 [X.] übertragenen Zustellungen an die Verfahrensbeteiligten künftig nur noch ausführen, wenn ihm für die Vornahme dieser Zustellungen ein Zuschlag zur Vergütung in Höhe von 10

e-richt gezahlt werde.

aa) Mit diesem Verhalten hat der weitere Beteiligte zu 1 die ihm oblie-genden Pflichten grob verletzt. Die Vergütung des Treuhänders im vereinfach-11
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ten Insolvenzverfahren ist in § 13 [X.] geregelt. Nach dessen Absatz 2 findet die Regelung des § 3 [X.] über Zuschläge zur Vergütung im vereinfachten Insolvenzverfahren keine Anwendung. In besonders gelagerten Ausnahmefäl-len kann die Vergütung des Treuhänders gleichwohl erhöht werden, wenn die tatsächliche Tätigkeit von dem [X.], wie es typischerweise bei einem Treuhänder gegeben ist und dem Verordnungsgeber vorschwebte, erheblich abweicht ([X.], Beschluss vom 24. Mai 2005 -
IX ZB 6/03, [X.], 1663, 1664). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Insolvenzgericht im Ver-fahren über den Vergütungsantrag des Treuhänders zu entscheiden. Lehnt es eine zusätzliche Vergütung ab, ist der Treuhänder darauf verwiesen, die ge-setzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Bleiben sie ohne Erfolg, be-rührt dies seine Pflicht, die ihm nach dem Gesetz obliegenden oder vom Insol-venzgericht auf gesetzlicher Grundlage übertragenen Aufgaben zu erfüllen, nicht. Diese Pflicht entfällt nur, wenn das Insolvenzgericht ihn entweder von einzelnen Aufgaben entbindet oder ihn aus seinem Amt als Treuhänder ganz entlässt. Macht der Treuhänder die Erledigung einer ihm übertragenen Aufgabe von der Gewährung einer erhöhten Vergütung abhängig, missachtet er bewusst diese gesetzliche Regelung.

bb) Die in einem solchen Verhalten liegende Pflichtverletzung ist objektiv geeignet, das Vertrauensverhältnis zum Insolvenzgericht schwer und nachhaltig zu stören, weil sie den Versuch
beinhaltet, die Entscheidung des [X.] über die Vergütung des Treuhänders in unzulässiger Weise zu beeinflus-sen, und dazu führt, dass sich das Insolvenzgericht auf eine von der Vergü-tungsentscheidung unabhängige Aufgabenerfüllung nicht mehr verlassen kann. Eine ordnungsgemäße Verfahrensführung wäre in höchstem Maße gefährdet, wenn der Insolvenzverwalter ihm obliegende Mitwirkungshandlungen von der Gewährung dem Gesetz fremder Sondervorteile abhängig machen dürfte. Dies 15
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gilt auch dann, wenn der Treuhänder -
wie hier -
Pflichtverletzungen der in [X.] stehenden Art in zahlreichen anderen beim nämlichen Insolvenzgericht an-hängigen Verfahren begangen hat. Denn die Entlassung setzt nicht zwingend voraus, dass die Pflichtverletzung im Rahmen des konkreten Verfahrens erfolg-te. Vielmehr kann es genügen, wenn in anderen Verfahren verübte Pflichtver-letzungen das Vertrauen in den Verwalter entfallen lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
März 2011 -
IX
ZB 192/10, [X.], 663 Rn.
20).

Kayser
Raebel
Gehrlein

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.05.2010 -
34 IK 184/06 -

LG Berlin, Entscheidung vom 07.12.2010 -
85 T 307/10 -

Meta

IX ZB 22/11

23.02.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2012, Az. IX ZB 22/11 (REWIS RS 2012, 8845)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8845

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