Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.07.2019, Az. X ZB 8/19

10. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 5229

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Gegenstand

Ablehnende Entscheidung zur Verlängerung einer aufschiebenden Wirkung durch Vergabesenat bindend


Leitsatz

Personenverkehrsdienste

Der Bundesgerichtshof kann auf eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB aF hin jedenfalls dann nicht (erneut) über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF entscheiden, wenn das Beschwerdegericht bereits eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.

Tenor

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine vom Antragsgegner am 15. März 2016 im Supplement zum [X.] angekündigte Direktvergabe von öffentlichen Personenverkehrsdiensten.

2

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 11. November 2016 dem Antragsgegner aufgegeben, die Einhaltung der Anforderungen aus Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 Buchst. e der Verordnung ([X.]) Nr. 1370/2007 sicherzustellen und den Nachprüfungsantrag im Übrigen abgelehnt. Dagegen haben sich beide Beteiligten mit der sofortigen Beschwerde gewandt.

3

Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 8. Dezember 2016 gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB in der für den Streitfall maßgeblichen, bis 17. April 2016 geltenden Fassung (nachfolgend: [X.]) die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verlängert. Mit Beschluss vom 3. Mai 2017 hat es dem [X.] einige Fragen zur Auslegung der Verordnung ([X.]) Nr. 1370/2007 vorgelegt. Der Gerichtshof hat darüber mit Urteil vom 21. März 2019 entschieden. Nach einer weiteren mündlichen Verhandlung hat das Beschwerdegericht am 3. Juli 2019 beschlossen, die Sache gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB aF dem [X.] vorzulegen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat es den erwähnten Beschluss vom 8. Dezember 2016 aufgehoben und den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zurückgewiesen.

4

Die Antragstellerin beantragt, den zuletzt genannten Beschluss aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde erneut bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern.

5

II. Der Antrag ist nicht zulässig. Eine Entscheidung des [X.]s im Verfahren gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF (jetzt: § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB) kommt nicht in Betracht.

6

1. Gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB aF (jetzt: § 179 Abs. 2 Satz 2 GWB) hat der [X.] aufgrund der Vorlage anstelle des [X.] zu entscheiden.

7

Diese Befugnis bezieht sich auf die Entscheidung über die Beschwerde und grundsätzlich auch auf zu treffende Nebenentscheidungen ([X.], Beschluss vom 23. September 2008 - [X.], [X.], 782 Rn. 5 - Geschäftsgebühr im Nachprüfungsverfahren; Beschluss vom 29. September 2009 - [X.], NJW 2010, 76 Rn. 4 f. - Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren).

8

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der [X.] demgegenüber jedenfalls in der Konstellation des Streitfalls nicht berufen, über eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zu entscheiden.

9

Nach § 124 Abs. 2 Satz 4 GWB aF (jetzt: § 179 Abs. 2 Satz 4 GWB) gilt die Vorlagepflicht nicht im Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 und nach § 121 GWB aF. In diesen Eilverfahren nimmt der Gesetzgeber Divergenzen im Interesse der Beschleunigung hin. Dahinter steht die Erwägung, dass Divergenzen die Ausnahme bleiben werden und sich durch nachfolgende gerichtliche Entscheidungen in der Hauptsache oder in [X.] auflösen (BT-Drucks. 13/9340 [X.]).

Aus dieser Regelung ergibt sich, dass eine Vorlage im Vorfeld einer Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF ausgeschlossen ist (BT-Drucks. 13/9340 [X.]). Sie hat des Weiteren zur Folge, dass der [X.] auch auf eine zulässige Vorlage hin jedenfalls dann nicht (erneut) über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF entscheiden kann, wenn das Beschwerdegericht bereits eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.

Der Gesetzgeber hat für das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF dem Gesichtspunkt der Eilbedürftigkeit den Vorrang eingeräumt. Dementsprechend wird das Beschwerdegericht typischerweise bereits eine Entscheidung über einen auf diese Vorschrift gestützten Antrag getroffen haben, bevor es dem [X.] die Sache vorlegt. Hat es die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt oder - wie im Streitfall - einen Beschluss über die Verlängerung wieder aufgehoben, widerspräche es dem Zweck von § 124 Abs. 2 Satz 4 GWB aF, wenn die Beteiligten den [X.] um eine erneute Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF angehen und so den Ausgang des Eilverfahrens verzögern könnten. Im Übrigen wäre dies wegen des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist rechtlich ohnehin allenfalls dann möglich, wenn der [X.], wie von der Antragstellerin auch beantragt, die anderslautende Entscheidung des [X.] aufhöbe und aufzuheben befugt wäre; dazu müsste das Gesetz ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des [X.] eröffnen.

§ 124 Abs. 2 GWB aF sieht jedoch schon gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Vergabenachprüfungsverfahren selbst gerade kein Rechtsmittel vor, sondern nur die Befugnis des [X.]s, auf eine Vorlage hin über die Beschwerde zu entscheiden (dazu [X.], Beschluss vom 16. September 2003 - [X.], NJW 2004, 292).

Bei dem Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF handelt es sich um ein eigenständiges Eilverfahren, in dem der Vergabesenat des [X.] nach den Vorgaben von § 118 Abs. 2 GWB aF eine vorläufige Regelung trifft. Solche Eilentscheidungen sind, auch wenn sie in der Aufhebung einer zuvor getroffenen vorläufigen Anordnung bestehen, schon nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen einem Rechtsmittel zum [X.] entzogen (vgl. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach dem [X.] gilt dies umso mehr, als schon in der Hauptsache kein solches Rechtsmittel vorgesehen ist.

Dem steht nicht entgegen, dass der [X.] gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB aF (jetzt: § 179 Abs. 2 Satz 4 GWB) auf eine Vorlage hin anstelle des [X.] entscheidet. Aus dieser Vorschrift ergibt sich zwar, wie die Antragstellerin im Ansatz zutreffend geltend macht, dass das Beschwerdeverfahren als Einheit vor dem [X.] weitergeführt wird ([X.]/[X.], 2. Aufl., § 179 GWB Rn. 26) und dieser deshalb, wie bereits dargelegt wurde, grundsätzlich auch die anfallenden Nebenentscheidungen zu treffen hat. Der Gesetzgeber nimmt in § 124 Abs. 2 Satz 4 GWB aF aber das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB von dieser Wirkung aus. Auch unter diesem Aspekt kommt eine Entscheidung des [X.]s über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls in der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation gerade nicht in Betracht.

[X.]     

      

Gröning     

      

Bacher

      

Hoffmann     

      

Kober-Dehm     

      

Meta

X ZB 8/19

22.07.2019

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Düsseldorf, 3. Juli 2019, Az: Verg 51/16

§ 118 Abs 1 S 3 GWB vom 26.08.1998, § 124 Abs 1 GWB, § 124 Abs 2 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.07.2019, Az. X ZB 8/19 (REWIS RS 2019, 5229)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1147-1148 REWIS RS 2019, 5229

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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