Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2015, Az. XII ZR 72/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9211

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII
[X.]
Verkündet am:

24. Juni 2015

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
SchuldRAnpG § 12 Abs. 3
Zur Entschädigungspflicht nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz für ein Bauwerk, das sich der Grundstückseigentümer nach Beendigung des [X.] vorübergehend zu [X.] nutzbar machen will.
[X.], Urteil vom 24. Juni 2015 -
XII [X.] -
LG Gera

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24.
Juni 2015 durch [X.] und [X.]
[X.], Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das
Urteil der 1. Zivilkammer des Land-
gerichts Gera vom 20. Juni 2014 wird auf Kosten der [X.]n mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der an Rechtsanwalt W.

J.

zu zahlende Betrag erst ab dem 17.
Dezem-ber 2010 zu verzinsen ist.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der beklagten Baugenossenschaft eine [X.] nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz für ein auf deren [X.] errichtetes Bauwerk.
Der Kläger erwarb am 19.
Juni 1990 eine Garage auf dem Grundstück der [X.]n. Am 11.
September 1990 schlossen die Parteien einen [X.] auf unbestimmte Zeit gegen ein jährliches Pachtgeld von 50
DM. Mit Schreiben vom 22.
November 2006 kündigte die [X.] den Pachtvertrag zum 28.
Februar 2007. In der Kündigungserklärung gab sie an, dass beabsich-tigt sei, "das Grundstück über einen Zeitraum von ca. drei Jahren als Park-1
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platz/Garagenfläche und anschließend mit einer erneuten Wohnbebauung zu nutzen". Dem Kläger bot sie eine Fortnutzung der Garage über den 28.
Februar 2007 hinaus gegen Zahlung einer monatlichen Miete von 50

auf das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters bis zum frühesten Beendi-gungstermin 31.
März 2010 an. Der Kläger ging nicht auf das Angebot ein, son-dern gab die Garage an die [X.] zurück, die sie sodann anderweitig ver-mietete.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung von 3.500

nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] die [X.] zur Zahlung von 3.400

nsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt und die wei-tergehende Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die [X.] mit der vom [X.] zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel ist bis auf einen Teil der Zinsforderung nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch des [X.] folge aus §
12 Abs.
3 SchuldRAnpG. Die [X.] könne sich nicht darauf berufen, dass eine andere und höherwertige Bebauung des Grundstücks möglich wäre. Sie müsse sich vielmehr auf die von ihr seit Wirksamkeit der Kündigung tat-sächlich ausgeübte Nutzung des Grundstücks als Parkplatz bzw. [X.] verweisen lassen. Aufgrund der anhaltenden tatsächlichen Nutzung und Verwertung der Garage sei der [X.]n durch die
Rückgabe des mit der [X.] bebauten Grundstücks ein Ertrag zugeflossen, der einen Anspruch auf Entschädigung begründe.
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Dem stehe nicht entgegen, dass die [X.] in ihrer Kündigung mitge-teilt habe, das Grundstück nach einem Zeitraum von ca. drei Jahren mit einer neuen Wohnbebauung versehen und nutzen zu wollen. Die Umsetzung einer Nutzungsänderung müsse
nämlich ernsthaft verfolgt werden. Daran fehle es, da eine Neubebauung des Grundstücks bisher weder erfolgt noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, ca. sieben Jahre nach der Rückgabe, abseh-bar gewesen sei. Die [X.] habe vortragen, dass sie sich nach Beendigung des Pachtverhältnisses entschlossen habe, statt der geplanten Neubebauung des Grundstücks zunächst die Sanierung eines anderen [X.] voranzu-treiben.
Bei der Bemessung der Entschädigung sei auf die Erhöhung des [X.] des Grundstücks durch die Garage abzustellen. Diese betrage nach
dem Ertragswertverfahren 3.400

2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien wurde die Garage vom Rechtsvorgänger des [X.] unter Begründung von [X.] nach dem Recht der früheren [X.] auf dem Grundstück der [X.]n er-richtet. Dadurch wurde zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein Nutzungs-verhältnis nach den §§
312
ff. ZGB-[X.] begründet. Auf dieses Nutzungsver-hältnis sind gemäß §
6 Abs.
1 SchuldRAnpG die Bestimmungen des Bürgerli-chen Gesetzbuchs über den Miet-
oder den Pachtvertrag anzuwenden, soweit das Schuldrechtsanpassungsgesetz nichts anderes bestimmt.
b) Mit der auf Kündigung beruhenden Beendigung des Vertragsver-
hältnisses ging das [X.] auf die [X.]
als Grundstückseigentümerin über (§
11 Abs.
1 SchuldRAnpG). Als Ausgleich für den [X.] hat die [X.] dem
Kläger gemäß §
12 Abs.
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SchuldRAnpG eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten. Da die Be-
klagte als Grundstückseigentümerin den Vertrag mit Wirkung für einen Zeit-punkt gekündigt
hat, zu dem die Kündigungsschutzfrist (§
23 Abs.
6 Satz
1 SchuldRAnpG) bereits mindestens sieben Jahre verstrichen war (§
12 Abs.
2 Satz
2 SchuldRAnpG), kann der Kläger
gemäß §
12 Abs.
3 SchuldRAnpG eine Entschädigung nur verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist.
c) Da §
12 Abs.
1
und
3 SchuldRAnpG keine Regeln enthält, wie die [X.] festzustellen ist, kann auf die [X.] vom 19.
Mai 2010 ([X.], BGBl.
I S.
639) zurückgegriffen werden, die anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken enthält. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] liegt die Wahl der Ermittlungsmethode im pflichtgemäßen Ermessen des [X.]. Die von ihm gewählte [X.] muss jedoch nach den Besonderheiten des konkreten Falles geeignet sein, den vollen Verkehrswert für den zu bewertenden Gegenstand zu erfassen, ohne das [X.] zu verzer-ren. Auf das Ertragswertverfahren abzustellen ist sinnvoll und damit sachge-recht, wenn das zu bewertende Grundstück dazu bestimmt ist, nachhaltige [X.] zu erzielen wie etwa bei Mietwohnhäusern, Geschäfts-
und Gewerbe-grundstücken. Dem Käufer eines derartigen Grundstücks kommt es nämlich in erster Linie darauf an, welche Rendite ihm das eingesetzte Kapital in Gestalt der durch die Vermietung oder Verpachtung erzielten Erträge erwirtschaftet (Senatsurteil vom 15.
Januar 2014

XII
ZR
83/13

MDR 2014, 522 Rn.
13).
d) Der Anspruch des [X.] auf Entschädigung nach dem [X.] hängt somit davon ab, ob das Bauwerk für die [X.]
weiter nutzbar ist. Wie der Entwurfsbegründung zu entnehmen ist
(BT-Drucks. 12/7135 S.
47), liegt der gesetzlichen Regelung die Einschätzung 11
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zugrunde, dass der zu entschädigende Wertzuwachs wesentlich von der künfti-gen Art der Nutzung des zurückgegebenen Grundstücks abhängt. Dem [X.]seigentümer ist aus entschädigungsrechtlicher Sicht eine weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt, die Nutzung des zurückgegebenen [X.]s zu ändern, um das Grundstück einer angemessenen wirtschaftlichen Verwendung zuzuführen. Auch kann unter Beibehaltung der bisherigen [X.]snutzung ein nicht mehr in ordnungsgemäßem Zustand befindliches [X.] unter Kostenbeteiligung
des Nutzers abgerissen (vgl. §
15 SchuldRAnpG) und durch ein neues ersetzt werden. In diesen Fällen fließt dem [X.] durch das Bauwerk kein tatsächlich für ihn realisierbarer Wert zu, so dass ein nicht fortzunutzendes Bauwerk den Verkehrswert nach den [X.] des §
12 Abs.
3 SchuldRAnpG nicht erhöht. Durch die Einbeziehung der Dispositionsfreiheit des Grundstückseigentümers in Bezug auf die weitere Nutzung
des Grundstücks ist dem Verkehrswert im Sinne des §
12 Abs.
3 SchuldRAnpG eine
von §
194 BauGB abweichende Bedeutung beigegeben, da jene Vorschrift allein auf den Veräußerungswert (Marktwert) ohne Rücksicht auf künftige Nutzungsabsichten durch den bisherigen Grundstückseigentümer abstellt
(Senatsurteile vom 15.
Januar 2014

XII
ZR
83/13

MDR 2014, 522
Rn.
15 mwN und vom 9.
April 2014

XII
ZR
161/13
NJW 2014, 3027 Rn.
16
ff.).
e) Im vorliegenden Fall hat die [X.] ihr Kündigungsschreiben mit dem Angebot auf Abschluss eines

frühestens nach drei Jahren durch sie kündbaren

Mietvertrags verbunden. Nachdem der Kläger das Angebot [X.] hatte, vermietete die [X.] die Garage anderweitig. Damit hat sie sich das Bauwerk zu [X.] nutzbar gemacht und schuldet demzufolge eine Entschädigung, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das [X.] im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht war. Dass die [X.] sich vorbehielt, das Grundstück nach einiger Zeit einer anderen Nutzung zuzuführen, ändert an 13
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ihrem im Moment der Rücknahme bestehenden Fortnutzungswillen für Vermie-tungszwecke nichts.
Ob auch eine von vornherein nur auf kurze Dauer angelegte Zwischen-nutzung des Bauwerks bei bereits feststehender alsbaldiger Nutzungsänderung des Grundstücks eine Entschädigungspflicht auslösen würde, braucht im [X.] Fall nicht entschieden zu werden. Denn die von der [X.]n konkret angebotene Vermietung der Garage für wenigstens drei Jahre lässt eine solche Bewertung nicht zu.
f) Die erstmals mit der Revision erhobene Rüge der Verletzung der im Zeitpunkt des Bewertungsstichtags geltenden [X.] des §
16 Abs. 2 Satz 3 [X.], wonach bestimmte Teilflächen nicht bei der Position "[X.]"
hätten angesetzt werden dürfen, greift schon deshalb nicht durch, weil in allen Vergleichsberechnungen derselbe [X.] angesetzt wurde, so dass sich mögliche Fehler bei der Berech-nung des [X.] in der anschließend durchgeführten Differenz-rechnung aufheben.
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3. Die
Verzinsung der von der [X.]n zu erstattenden vorgerichtlichen Anwaltskosten tritt erst ab dem Tag nach Zustellung der Klageschrift am 16.
Dezember 2010 ein, da vorheriger Verzug insoweit weder festgestellt noch dargelegt ist.

Dose

[X.]

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.09.2011 -
26 [X.] -

LG Gera, Entscheidung vom 20.06.2014 -
1 [X.]/11 -

16

Meta

XII ZR 72/14

24.06.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2015, Az. XII ZR 72/14 (REWIS RS 2015, 9211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9211

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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