Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. 1 StR 171/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6988

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:280618B1STR171.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

1
StR 171/18
vom
28. Juni 2018
in der Strafsache
gegen

wegen sexueller Nötigung u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Beschwerde-führers
und des [X.]

zu 1.a), aa) und 2. auf dessen An-trag

am 28.
Juni
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1 analog
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20.
November 2017
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass
aa)
der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt ist,
bb)
im Fall B.7. der Urteilsgründe die tateinheitlichen Verur-teilungen wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung entfallen und er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit vor-sätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben
aa)
soweit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten (u.a. für die Fälle B.1.-4. der
Urteilsgründe) nicht zur Bewährung ausgesetzt [X.] ist,
-
3
-
bb)
hinsichtlich der für die Fälle [X.] und B.7. der [X.] verhängten [X.]n sowie der (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (für die Taten
B.5.-7.
der Urteilsgründe).
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen drei Fällen der vorsätzli-chen Körperverletzung, in einem davon in Tateinheit mit Bedrohung, sowie we-gen Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen (Fälle B.1.-4. der Urteilsgründe) unter Einbeziehung von [X.]n aus einer früheren Verurteilung und Auf-lösung der dortigen Gesamtfreiheitsstrafe zu einer (ersten) [X.] von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Darüber hinaus ist er wegen vorsätzlicher Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung sowie wegen gefähr-licher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie mit Bedrohung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fälle B.5.-7. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen und gegen ihn eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt worden.
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-
4
-
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit mehreren ausge-führten sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel erzielt lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§
349 Abs.
4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Den zu sämtlichen verfahrensgegenständlichen Taten getroffenen Feststellungen liegt bei Anlegung des einschlägigen revisionsgerichtlichen Prü-fungsmaßstabs (siehe nur [X.], Urteil vom 22.
November 2016

1
StR
194/16 Rn.
10 mwN) eine jeweils rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde. Die Re-vision zeigt mit ihrem Vorbringen weder Lücken noch Widersprüche in der tat-richterlichen Würdigung auf. Das [X.] konnte seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussagen der geschädigten Zeugin D.

insgesamt gerade auch darauf stützen, dass deren Angaben in einem Teil der Fälle durch andere Beweismittel Bestätigung gefunden haben.
2.
Nach den zum Fall [X.] der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte
gegen den von ihm erkannten entgegenstehenden Willen der Zeugin D.

vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzogen und damit das [X.] aus §
177 Abs.
6 Nr.
1 StGB verwirklicht. Wie der [X.] zutreffend aufgezeigt hat, muss deshalb der Schuldspruch nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (etwa [X.], Beschluss vom 22.
März 2017

3
StR 475/16 Rn.

vorge-nommen.
3.

t-zung in Tateinheit mit Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tateinheit mit [X.] Hinsicht rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dies bedingt Änderungen des 2
3
4
5
-
5
-
Schuldspruchs und die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs sowie der unter dessen Einbeziehung gebildeten Gesamtstrafe von drei Jahren.
a)
Die zugehörigen Feststellungen belegen nicht die Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB. Ein [X.] Werkzeug im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Be-nutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen ([X.] Rspr.;
[X.] aaO Rn. 17 mwN). Eine solche Eignung des vom Angeklagten in der Hand gehaltenen [X.] nach dessen konkre-ter Verwendung lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Nach den [X.] versetzte der Angeklagte der geschädigten Zeugin D.

zu verschiede-nen Zeitpunkten innerhalb eines einheitlichen Geschehens in einem Kraftfahr-zeug zahlreiche Schläge mit der flachen Hand oder dem Handrücken in das Gesicht. Bei einem dieser Schläge hat er ein ansonsten als Drohmittel verwen-detes Cutter-Messer in der Hand gehalten, so dass es zu einer Verletzung am Augenlid der Zeugin gekommen ist (UA S.
15).
Dem kann ein Einsatz des Messers als Stich-
oder Schnittwerkzeug nicht
entnommen werden, was regelmäßig die erforderliche Eignung begründen wür-de. Auch lassen weder die Feststellungen noch die sonstigen Urteilsgründe er-kennen, dass der Angeklagte das Cutter-Messer bei Ausführung des Schlages in der Hand gehalten hat, um die Schlagwirkung lediglich eines einzelnen von insgesamt wenigstens 20 Schlägen (UA S.
15) zu verstärken. Die [X.] wird als Kratzer am rechten Augenlid beschrieben. Daraus kann daher nicht auf die erforderliche Eignung der konkreten Verletzungshandlung, erhebli-che Verletzungen herbeizuführen, geschlossen werden. Den Darlegungen des lassen sich ebenfalls keine weitergehenden
Umstände entnehmen, die die
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7
-
6
-
Eignung des fraglichen konkreten Schlages zur Herbeiführung erheblicher [X.] begründen könnten.
Da die geschädigte Zeugin D.

sich bereits an die Anzahl der erlitte-nen Schläge nicht mehr näher zu erinnern vermochte (UA S.
37) und die [X.], als Grundlage
für einen Rückschluss auf die erforderliche [X.], nicht über einen Kratzer am Augenlid hinausgegangen ist, schließt der Senat die Möglichkeit weitergehender Feststellungen aus, die noch die [X.] aus §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB begründen können. Er lässt daher in entsprechender Anwendung von §
354 Abs.
1 StPO die [X.] wegen gefährlicher Körperverletzung entfallen und ändert den Schuld-spruch insoweit in eine vorsätzliche Körperverletzung (§
223 Abs.
1 StGB) ab. Deren Voraussetzungen sind durch die getroffenen Feststellungen belegt.
§
265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolg-reicher als geschehen hätte verteidigen können.
b)
Die zusätzliche tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung und Be-drohung kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Auf der Grundlage der [X.] bestand die Nötigungshandlung des Angeklagten darin, der Geschädig-ten das Cutter-Messer an den Hals gehalten und sie

erfolgreich

zum [X.] aufgefordert zu haben. Werden Nötigung (§
240 StGB) und Bedrohung (§
241 StGB) wie hier durch dieselbe Handlung verwirklicht, tritt die Bedrohung gesetzeskonkurrierend zurück ([X.] Rspr.;
vgl. nur [X.], Beschluss vom 8.
April 2014

1 StR 126/14, [X.], 208 f. mwN). Der durch den [X.] entsprechend §
354 Abs.
1 StPO vorgenommenen weiteren Schuldspruch-änderung steht §
265 StPO aus dem im vorstehenden Absatz genannten Grund nicht entgegen.

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10
-
7
-
4.

a)
Der Wegfall der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entzieht der für die Tat B.7. der Urteilsgründe verhängten [X.] die Grundlage.
b)
Die Bemessung der [X.] im Fall [X.]
der Urteilsgründe
enthält einen durchgreifenden Rechtsfehler bereits bei der Bestimmung des anwendba-ren Strafrahmens. Das [X.] hat von der Regelwirkung des §
177 Abs.
6 Satz
2 Nr.
1 StGB im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung auch deshalb

(UA S.
93). Das Handeln gegen den erkennbar entgegenstehenden Willen des Opfers ist aber bereits für die Verwirklichung des Grundtatbestands gemäß §
177 Abs.
1 StGB erforderlich und kann daher als solches wegen §
46 Abs.
3 StGB nicht als straf-schärfender Aspekt berücksichtigt werden. Angesichts der sonstigen vom [X.] herangezogenen Strafzumessungskriterien vermag der Senat nicht auszuschließen, dass es ohne den Verstoß gegen das [X.] zu einem anderen Ergebnis bei der [X.] gelangt wäre.
c)
Die Aufhebung der beiden vorgenannten [X.]n bedingt auch die Aufhebung der Gesamtstrafe für die Taten B.5.-7.
der Urteilsgründe.
5.
Die Ablehnung der Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zur Bewährung erweist sich selbst unter Berücksichti-gung der lediglich begrenzten revisionsgerichtlichen Überprüfung tatrichterlicher Aussetzungsentscheidungen (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Mai 2016

4
StR 25/16, [X.], 425 und Urteil vom 6.
Juli 2017

4 StR 415/16, [X.], 29, 30 mwN) als durchgreifend fehlerhaft.
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14
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8
-
Das [X.] hat die Ablehnung ausschließlich auf das Fehlen [X.] Umstände im Sinne von
§
56 Abs.
2 StGB (dazu näher [X.], Urteil von 6.
Juli 2017

4 StR 415/16, [X.], 29, 31 mwN) gestützt, ohne eine Legalprognose gemäß §
56 Abs.
1 StGB zu stellen. Damit hat es aber seine Denn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann die Frage einer günstigen Prognose auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob Um-stände von besonderem Gewicht vorliegen ([X.], Beschlüsse vom 13.
Januar 2015

4
StR 445/14, [X.], 107, 108 und vom 10.
Mai 2016

4 StR 25/16, [X.], 425 jeweils mwN). Dass vorliegend eine weitere, nicht aus-setzungsfähige Gesamtstrafe verhängt worden ist, ändert an diesen [X.] grundsätzlich nichts, zumal die zweite Gesamtstrafe ihrerseits nicht rechtsfehlerfrei gebildet worden i[X.]
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Ausset-zung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Über die [X.] kann der neue Tatrichter unabhängig von den zugrunde liegenden Schuld-
und sonstigen Strafaussprüchen befinden.
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Gegebenenfalls wird er ergänzende, für die Prognose gemäß §
56 Abs.
1 StGB bedeutsame Feststellungen zu treffen haben.

Raum Jäger Bellay

Radtke Bär
17

Meta

1 StR 171/18

28.06.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. 1 StR 171/18 (REWIS RS 2018, 6988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6988

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1 StR 126/14

4 StR 415/16

4 StR 25/16

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