Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.06.2011, Az. 4 StR 224/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5727

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Gegenstand

Falsche uneidliche Aussage: Anlass zur Prüfung eines Aussagenotstandes


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2011 im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften, wegen fremdnützigen [X.] des Besitzes an kinderpornografischen Schriften sowie wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat ferner bestimmt, dass von dieser Strafe drei Monate als vollstreckt gelten. Die dagegen gerichtete, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

2

1. Soweit das [X.] den Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen fremdnützigen [X.] des Besitzes von kinderpornografischen Schriften verurteilt hat, kann der Strafausspruch schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob durch die Einlassung des Angeklagten zu diesem Tatvorwurf bereits im Ermittlungsverfahren ein wesentlicher Aufklärungserfolg eingetreten ist, der eine Strafmilderung gemäß § 46b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB ermöglicht hätte.

3

a) Das [X.] hat insoweit ausgeführt, der Angeklagte habe sich bereits im Ermittlungsverfahren im Wesentlichen geständig eingelassen; sein kooperatives Verhalten habe maßgeblichen Anteil an der Sicherstellung weiterer kinderpornografischer Schriften im Landeskrankenhaus [X.] und an der Ermittlung bislang unbekannter Täter gehabt. Die [X.] hat diese Aufklärungshilfe zwar bei der [X.] als auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung berücksichtigt, eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b Abs. 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB jedoch unerörtert gelassen. Anlass zu einer solchen Erörterung besteht auch dann, wenn der Täter Taten offenbart, an denen er selbst nicht beteiligt war (Fischer, StGB 58. Aufl., § 46b Rn. 13a).

4

b) Dieser Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der insoweit verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Der [X.] kann nicht sicher ausschließen, dass das [X.] eine geringere [X.] verhängt hätte, wenn es die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB festgestellt und von der Milderungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hätte.

5

2. Soweit der Angeklagte im Fall II. 4 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage verurteilt worden ist, begegnet der Strafausspruch ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht sowie über die Wahrheitspflicht als Zeuge in der Hauptverhandlung gegen den gesondert verfolgten [X.]        am 30. April 2009 vor dem [X.] Stendal ausgesagt, von diesem eine DVD mit kinderpornografischem Inhalt erhalten zu haben, um diese gegen ein Entgelt von 20 Euro über den Zeugen [X.]  an den Zeugen [X.]    weiterzuleiten, der sich ebenfalls im Maßregelvollzug des [X.]  befand. Tatsächlich hatte der Angeklagte die auf der DVD befindlichen Dateien nicht erst im November 2008, sondern bereits im Juni/Juli 2008 von dem gesondert verfolgten [X.]       auf einer SD-Karte zur Weiterleitung an den Zeugen [X.]     erhalten, der dem Angeklagten jedoch mitgeteilt hatte, diese Karte sei für ihn nicht lesbar. Daraufhin hatte der Angeklagte die auf der Karte befindlichen Daten auf seinen [X.] kopiert, eine DVD gebrannt und sodann diese an [X.]   weitergeleitet.

7

b) Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen bestand Anlass zur Prüfung eines Aussagenotstandes i.S.d. § 157 Abs. 1 Satz 1 StGB und einer eventuellen Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 2 StGB.

8

Ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Beurteilung des strafbaren Verhaltens des Angeklagten hätte sich dieser bei [X.] Aussage jedenfalls einer Straftat mit einem höheren Unrechtsgehalt bezichtigt, nämlich neben der Verschaffung von [X.] zusätzlich der eigenhändigen Herstellung eines Datenträgers mit kinderpornografischem Inhalt durch Anfertigung einer Kopie (vgl. dazu [X.]/[X.] § 184b Rn. 16). Ferner hätte der Angeklagte die Einziehung seines [X.]s befürchten müssen (§ 74 Abs. 1 StGB). Ein Aussagenotstand im Sinne von § 157 Abs. 1 StGB ist auch dann zu prüfen, wenn die [X.], wie im vorliegenden Fall der Angeklagte, ein [X.] bzw. Auskunftsverweigerungsrecht hatte ([X.]sbeschluss vom 15. Dezember 1993 - 4 StR 702/93, [X.], 250).

9

3. Der [X.] hebt zugleich die im Fall II. 2 verhängte [X.] von sechs Monaten auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, die Strafe insgesamt neu zuzumessen.

Mutzbauer                                             Roggenbuck                                        Cierniak

                              [X.]

Meta

4 StR 224/11

15.06.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stendal, 28. Januar 2011, Az: 501 KLs - 449 Js 22761/10 - 22/10

§ 49 Abs 2 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 157 Abs 1 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.06.2011, Az. 4 StR 224/11 (REWIS RS 2011, 5727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5727

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