Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. 3 StR 41/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5242

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
41/11
vom
30. Juni
2011
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer Vergewaltigung

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 30. Juni 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am Bundesgerichtshof
[X.],

die [X.] am Bundesgerichtshof
Pfister,
von [X.],
[X.],
Mayer

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt ([X.])

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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3
-
1.
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des [X.] vom 19.
Juli 2010 mit den
Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten und der Nebenklägerin dadurch ent-standenen notwendigen Auslagen, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der besonders schweren Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision beanstandet die Nebenklägerin das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
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I.
1. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage-schrift vom 9. November 2009 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, die Nebenklägerin -
seine ehemalige Lebensgefährtin -
mit einem Messer an Leib und Leben bedroht und dadurch zum Geschlechtsverkehr [X.] zu haben (§ 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 StGB). Dieser habe
am 7. August 2008 gegen 15.00 Uhr der
Geschädigten
in deren Wohnung auf-gelauert und von ihr unter Vorhalt eines Messers verlangt,
die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Nachdem die Frau aus Angst dies versprochen [X.], habe der Angeklagte von ihr die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gefor-dert. Als die Nebenklägerin sich geweigert habe, habe
er ihr das Messer an den Hals gehalten und sie in das Schlafzimmer gezerrt, wo er gegen den Willen der Frau den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt habe.
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, die Nebenklägerin habe ihn immer wieder gedrängt, sich scheiden zu lassen und den Kontakt zu seiner Familie abzubrechen. Sie hätten sich häufig gestritten,
sich getrennt und dann wieder versöhnt. Es sei immer wieder zum Geschlechtsverkehr gekommen, wenn er sie besucht habe, um die gemeinsame Tochter zu sehen. Die Nebenklägerin habe mehrfach gedroht, sie würde ihn anzeigen und ins Gefängnis bringen, wenn er nicht mache, was sie von ihm verlange. Am 7. August 2008 habe er sich in der Wohnung der Zeugin I.

aufgehalten. Diese habe von ihm verlangt, ein Treffen, das er mit seiner damaligen Freundin vereinbart hatte, abzusagen. Als sie
später zur Arbeit ge-gangen sei, sei er auf ihre
Bitte hin in der Wohnung geblieben, um auf den Hund aufzupassen. In dieser [X.] habe sie bei der Polizei Anzeige gegen ihn erstattet.
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3. In den Urteilsgründen hat die [X.] nach der Wiedergabe des [X.] und der Einlassung des Angeklagten die Bekundungen der Neben-klägerin zur Tatvorgeschichte sowie zum Tatgeschehen, die den Angeklagten im Sinne der Anklage belasten, und die Aussagen weiterer Zeugen dargestellt. Anschließend hat das [X.] die Beweise gewürdigt und hierzu im [X.] ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei dem [X.] die ihm zur Last gelegte Tat nicht mit der für eine Verurteilung erfor-derlichen, jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit nachzuwei-sen. In der vorliegenden Konstellation "Einlassung gegen Aussage" habe sie
-
die [X.] -
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklä-gerin nicht überwinden können, auch wenn die Sachverständige in ihrem [X.] zu dem Ergebnis gekommen sei, aus aussagepsychologischer Sicht sei es das Wahrscheinlichste, dass deren Angaben auf einem realen Erlebnis be-ruhten. Denn die Geschädigte habe zu wesentlichen Details des [X.] -
zu dem [X.]punkt, ab dem der Angeklagte das Messer in der Hand ge-halten habe sowie zum Verbleib des Messers während des Tatgeschehens -
und zur Vorgeschichte der Tat, nämlich dem gemeinsamen Besuch des Schwimmbades "[X.]", nicht konstant ausgesagt und insoweit falsche Angaben gemacht, als sie in Abrede gestellt habe, vor der Tat von sich aus immer wieder den Kontakt zum Angeklagten gesucht zu haben. Außerhalb der Aussage der Nebenklägerin gebe es keine Indizien, welche für die Richtigkeit ihrer Angaben sprächen.
II.
Der Freispruch unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil die Ausfüh-rungen des [X.] nicht den Anforderungen gerecht werden, die gemäß §
267 Abs.
5 Satz
1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
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1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die [X.] des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat
der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der [X.] zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen -
zusätzlichen -
Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 17. Mai 1990 -
4 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; [X.], Urteil vom 4. Juli 1991 -
4 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Frei-spruch 7). Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn [X.] zum objektiven Tatgeschehen überhaupt nicht möglich waren (vgl. [X.],
Urteil vom 26. November 1996 -
1 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Frei-spruch 12) oder bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen die [X.] ohne Feststellungen zum objektiven Sachverhalt ihrer Aufgabe gerecht wer-den, dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechts-fehler zu ermöglichen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2005 -
3 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14).
2. Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechen-den Urteils sind hier nicht erfüllt.
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Eine geschlossene Darstellung derjenigen Tatsachen, die das [X.], zur Tatnachgeschichte und vor allem zum objektiven Tatgeschehen für erwiesen hält, fehlt völlig. Dass solche Feststellungen über-haupt nicht möglich waren, ist eher fernliegend und ergibt sich aus den [X.] nicht. In dem angefochtenen Urteil schließt sich nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs und der Zeugenaussagen unmittelbar die Beweiswürdi-gung an.
Es bleibt daher schon offen, von welcher Tatvorgeschichte, welche der Angeklagte und die Nebenklägerin in entscheidenden Punkten unterschiedlich schilderten, das [X.] ausgeht. Insbesondere bleibt
unklar, wie sich nach seiner Überzeugung die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der [X.] tatsächlich gestaltete und ob sie -
wie der Angeklagte in seiner Ein-lassung behauptet hat -
trotz der Trennung weiterhin regelmäßig geschlechtlich miteinander verkehrten. Auch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob die [X.] der Aussage der Nebenklägerin geglaubt hat, der Ange-klagte habe ihr die Zähne ausgeschlagen, sie habe wegen dessen wiederholten aggressiven Verhaltens mehrmals bei der
Staatsanwaltschaft [X.].
Vor allem fehlen objektive Feststellungen zum Ablauf des [X.]. Das [X.] teilt nicht mit, ob nach seiner Überzeugung der Angeklagte von der Nebenklägerin freiwillig in die Wohnung gelassen wurde oder er sich gegen deren Willen Zugang verschaffte. Die Urteilsgründe lassen insbesondere offen, ob es am Tattag zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin zu sexuel-len Handlungen kam und nur die Frage der Freiwilligkeit ungeklärt
ist.
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Die [X.] gibt auch nicht an, von welchen Feststellungen zum Tatnachgeschehen sie ausgeht. So befassen sich die Urteilsgründe nicht mit dem Ergebnis der Untersuchung, die nach der Aussage der Nebenklägerin am Tattag im

Krankenhaus O.

durchgeführt worden sein soll. Einerseits will die Geschädigte nach der Tat keinen Kontakt mehr zu dem Angeklagten gehabt haben, andererseits soll dieser -
wie sie in einem [X.] behauptete -
gegen ihren Willen mehrfach zu ihr gekommen sein.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
[X.] Pfister von [X.]

Schäfer Mayer
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Meta

3 StR 41/11

30.06.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. 3 StR 41/11 (REWIS RS 2011, 5242)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5242

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