VG Augsburg, Urteil vom 16.02.2016, Az. Au 1 K 15.1729

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Gegenstand

Kostenrechnung für die Überlassung von Bilddateien an einen Gutachter


Tenor

I.

Die Kostenrechnung der Polizeiinspektion ... vom 11. November 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Ingenieurbüro, das im Auftrag von öffentlichen Stellen Gutachten zu Verkehrsunfällen erstellt, wendet sich gegen eine Kostenrechnung des Beklagten.

Die Klägerin war im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vor dem Landgericht ... mit der Ausarbeitung eines Gutachtens beauftragt worden. Am 26. Oktober 2015 bat die Klägerin das Landgericht ..., eine Verfügung dahingehend zu erlassen, dass die Polizeiinspektion ... der Klägerin alle unkomprimierten Bilddateien und eine Kopie der Handskizze zu Spuren und Endlagen für die Erstellung des Gutachtens überlässt. Mit Schreiben vom 4. November 2015 bat das Landgericht ... unter Verweis auf das Schreiben der Klägerin die Polizeiinspektion ..., der Klägerin die Bilddateien und eine Kopie der Handskizze zu übersenden. Die Polizeiinspektion ... kam dieser Bitte nach. Für die Überlassung des Bildmaterials wurde der Klägerin mit Kostenrechnung vom 11. November 2015 ein Betrag von 60,- EUR auferlegt.

Gegen die Kostenrechnung erhob die Klägerin am 26. November 2015 Klage. Sie meint, sie sei schon gar nicht Kostenschuldnerin, da sie die Amtshandlung nicht veranlasst habe. Vielmehr habe das Landgericht ... die Polizeiinspektion ... aufgefordert, die Bilddateien an den Sachverständigen zu schicken. Die Kostenrechnung hätte allenfalls an das Landgericht ... adressiert werden dürfen. Es läge auch ein Fall der Amtshilfe vor, die auch zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden gelte. Nach § 7 Abs. 3 JVEG dürfe für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien nur 1,50 EUR je Datei und nach Satz 2 maximal 5,- EUR verlangt werden. Diese Regelungen gingen denen des Bayerischen Kostengesetzes vor. Es könne nicht darauf ankommen, wie das Gericht sein Schreiben an die Polizeibehörde formuliere. Diese formalistische Betrachtungsweise könne jedenfalls nicht dazu führen, die Klägerin als Kostenschuldnerin anzusehen. Würde man der Auffassung des Beklagten folgen, würde eine Amtshilfe im Zivilprozess in vorgenannter Konstellation ausscheiden und wäre nur noch im Strafverfahren möglich. Hätte das Zivilgericht keine Veranlassung gesehen, die Unterlagen beizuziehen, hätte es dies der Klägerin kundgetan.

Die Klägerin beantragt,

die Kostenrechnung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Polizeipräsidium ... machte geltend, der Kostenbescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Es läge keine Amtshilfe vor. Aus dem Schreiben des Landgerichts ... werde nicht ersichtlich, dass das Gericht selbst um Amtshilfe ersuche. Das Gericht beziehe sich hierbei allein auf die Bitte des Sachverständigen, ohne deutlich zu machen, dass die Übermittlung im Interesse des Gerichts erfolge. Das Schreiben des Gerichts werde erst in der Zusammenschau mit dem Schreiben des Sachverständigen verständlich. Ein Beweisbeschluss sei nicht beigelegt worden. Weiterhin müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Amtshandlung veranlasst habe. Vorliegend sei eine Beauftragung in einem Zivilverfahren und nicht in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren gegeben. Damit werde die Klägerin nicht im Interesse des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft, sondern im Interesse der Klageparteien in einem Zivilverfahren tätig. Nur in den erstgenannten Fällen werde von einer Kostenerhebung abgesehen. Weiterhin könne für die Erhebung der Kosten nicht auf das JVEG zurückgegriffen werden. Dieses gelte ausschließlich für die Entschädigung von Sachverständigen in Gerichtsverfahren.

Am 16. Februar 2016 fand mündliche Verhandlung vor Gericht statt. Auf die hierbei gefertigte Niederschrift wird Bezug genommen, ebenso auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

1. Gegenstand der Klage ist die Kostenrechnung des Beklagten vom 11. November 2015.

2. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11. November 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid war daher aufzuheben.

a) Rechtsgrundlage der Kostenerhebung sind Art. 1, 2, 6 des Kostengesetzes (KG). Gemäß Art. 1 Abs. 1 KG erheben die Behörden des Staates für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen). Die Überlassung von Bildmaterial stellt eine kostenpflichtige Amtshandlung in diesem Sinne dar, für die eine Gebühr erhoben werden kann.

b) Ein Fall der sachlichen Kostenfreiheit ist hier nicht gegeben. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 KG werden Kosten nicht erhoben für Amtshandlungen, die von der Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 2 des Polizeiaufgabengesetzes vorgenommen werden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 a) KG sind abweichend davon Amtshandlungen kostenpflichtig, soweit diese beantragt oder sonst veranlasst sind und nicht überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden. Die Überlassung des Bildmaterials wird hier nicht „überwiegend im öffentlichen Interesse“ vorgenommen. Die Überlassung der Dateien an einen vom Zivilgericht bestellten Gutachter erfolgt nicht überwiegend im öffentlichen Interesse, sondern im Zivilprozess auch im Interesse der Prozessparteien. Anhaltspunkte für eine unbillige Kostenerhebung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 3 KG sind nicht ersichtlich.

c) Nach Überzeugung der Kammer ist die Klägerin aber nicht richtige Kostenschuldnerin. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst hat, im Übrigen diejenige Person, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird.

Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin die Amtshandlung vorliegend nicht veranlasst. Abzustellen ist darauf, wer die Bilddateien angefordert und dadurch die Amtshandlung kausal und zurechenbar verursacht hat. Kostenverursacher ist hier das Landgericht ..., denn es hat sich mit Schreiben vom 4. November 2015 direkt an die Polizeiinspektion ... gewandt mit der Bitte, die im anliegenden Schriftsatz genannten Bilddateien sowie eine Kopie der Handskizze an den Sachverständigen zu übersenden. Die Klägerin selbst ist nicht mit der Polizeiinspektion in Kontakt getreten. Die Klägerin hat durch ihr Schreiben an das Gericht, in dem sie das Gericht bat, bei der Polizeiinspektion ... die genannten Dateien und Unterlagen anzufordern, die Amtshandlung allenfalls mittelbar verursacht. Dies reicht aber nicht aus, um der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht dadurch, dass das Gericht auf das Schreiben der Klägerin Bezug nimmt und dies als Anlage beifügt. Unmittelbarer Verursacher der kostenpflichtigen Amtshandlung bleibt vielmehr das Landgericht .... Die bloße Angabe eines Dritten als Empfänger der angeforderten Dateien vermag an der Verursachereigenschaft des Landgerichts nichts zu ändern.

Die Amtshandlung wurde auch nicht im Interesse der Klägerin vorgenommen. Hier hat das Zivilgericht im Rahmen einer verkehrsrechtlichen Streitigkeit einen Sachverständigen beauftragt, da dem Gericht die erforderliche Sachkunde fehlte und deshalb zur Klärung des Sachverhalts ein Sachverständigengutachten notwendig war. Die Anforderung der Bilddateien erfolgte damit zum einen im Interesse des Zivilgerichts, das über den Fall entscheiden musste, und zum anderen auch im Interesse der Prozessparteien. Die Vertreter des Beklagten gehen im Übrigen selbst davon aus, dass die Klägerin im Interesse der Prozessparteien gehandelt hat (vgl. Klageerwiderung vom 14. Dezember 2015, Seite 14 der Gerichtsakte). Sowohl das Zivilgericht als auch die Prozessparteien haben ein Interesse daran, dass das Gutachten auf Grundlage aller erforderlichen Unterlagen und Dateien erstellt wird. Ein originäres Interesse der Klägerin ist hingegen nicht gegeben. Zwar ist die Klägerin mittelbar daran interessiert, zur Erfüllung ihres Gutachterauftrages alle erforderlichen Dateien und Unterlagen zu erhalten. Dieses mittelbare Interesse führt aber nicht dazu, die Klägerin als Kostenverursacherin anzusehen.

d) Im Übrigen spricht auch einiges dafür, dass das Landgericht ... die Polizeiinspektion ... um Amtshilfe ersucht hat.

Die Amtshilfe gilt auch zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 4, Rn. 6a). Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) hat die ersuchende Behörde der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Amtshilfeersuchen des Gerichts an die Behörde im Sinne von Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 BayVwVfG vorliegt.

Hier hat das Landgericht ... die Polizeiinspektion ... direkt angeschrieben und die Bilddateien angefordert. Zwar nimmt das Gericht auf das Schreiben des Sachverständigen Bezug und bittet darum, die angeforderten Dateien direkt an den Sachverständigen zu übersenden. Durch das Schreiben des Gerichts - insbesondere durch die Bitte um Übersendung - wird nach Auffassung der Kammer hinreichend deutlich, dass das Gericht selbst um Amtshilfe ersucht und dies nicht an eine private dritte Person delegiert. Etwas anderes könnte ggf. dann gelten, wenn das Zivilgericht das Schreiben des Gutachters lediglich an die Behörde weiterleitet, ohne ein eigenes Ersuchen an die Behörde zu richten. Solange aber eine Bitte oder Aufforderung des Gerichts an die Behörde ersichtlich wird, liegt ein Amtshilfeersuchen des Gerichts vor. Unschädlich ist hierbei, dass die angeforderten Unterlagen nicht an das Gericht gesendet werden sollen, sondern direkt an den Gutachter. Durch die direkte Übersendung der Dateien an den Gutachter wird lediglich eine Weiterleitung durch das Gericht vermieden, die Zeit und Geld kostet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte hat als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder

Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München,

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 60,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

Au 1 K 15.1729

16.02.2016

VG Augsburg

Urteil

Sachgebiet: K

Zitier­vorschlag: VG Augsburg, Urteil vom 16.02.2016, Az. Au 1 K 15.1729 (REWIS RS 2016, 16179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16179

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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