Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2005, Az. X ZR 198/01

X. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3250

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/01 Verkündet am: 7. Juni 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

[X.] Leitsatz Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Knickschutz
[X.] § 12 a

Auch bei der Prüfung einer Gebrauchsmusterverletzung ist eine erschöpfende Erörterung erforderlich, welche Lehre zum technischen Handeln der Fachmann den [X.] entnimmt.

Weichen Begriffe in den [X.] vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch ab, ist der sich aus [X.] und der Beschreibung ergebende Begriffsinhalt maßgebend.

[X.], [X.]. v. 7. Juni 2005 - [X.]/01 - OLG München
LG München I - 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 7. Juni 2005 durch [X.] Melullis, [X.], die Richterin Mühlens und [X.] und [X.] für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das am 9. August 2001 verkün-dete [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin war Inhaberin des [X.] Gebrauchsmusters 91 00 903 ([X.]), das am 26. Januar 1991 angemeldet und am 18. April 1991 eingetragen wurde. Es betrifft einen Knickschutz für einen Hoch-druckschlauch bei Hochdruckreinigern. - 3 -
Die der Eintragung zugrunde liegenden [X.] 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:
1. Knickschutz für einen Hochdruckschlauch bei [X.], wobei der Hochdruckschlauch am [X.] eine Hülse aufweist, die von einer Überwurfmutter umgeben ist und im weiteren eine Dichtung mit einer Preßarmatur vorgesehen sind, die mit dem Anschlußstutzen des Hochdruckreinigers in Verbin-dung stehen d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Knickschutz als lose den Hochdruckschlauch umgebende [X.] ist und mit der Überwurfmutter nach Art einer Umsprit-zung [X.] verbunden ist.
2. Knickschutz nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die [X.] nach der [X.] hin eine trompetenartige Erweiterung [X.].
Nach Eintragung reichte die Klägerin neue [X.] zu den Ge-brauchsmusterakten; in diesen war der Begriff "[X.]" aus dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 gestrichen und das erste [X.] Merkmal in den Oberbegriff übernommen.
Die Klägerin reichte sodann erneut geänderte [X.] ein, die im kennzeichnenden Teil des [X.] 1 wieder den Begriff "werkstoff-einstückig" enthielten. Dieser Teil des eingereichten [X.] 1 lautete danach: "dadurch gekennzeichnet, daß die [X.] (5) nach der - 4 - [X.] hin eine trompetenartige Erweiterung (10) aufweist und mit der Überwurfmutter (3) nach Art einer Umspritzung [X.] verbunden ist."
Der Beklagte vertreibt einen Hochdruckschlauch für Hochdruckreiniger, der mit dem Anschlußstutzen des Hochdruckreinigers durch eine Überwurfmut-ter verbunden und mit einem Knickschutz versehen ist. Die [X.] weist nach der [X.] hin eine Erweiterung auf und ist auf die aus einem anderen Material bestehende Überwurfmutter aufvulkanisiert.
Die Klägerin hält diese Ausführungsform für gebrauchsmusterverletzend und nimmt den Beklagten auf Auskunft und Feststellung ihrer Schadensersatz-verpflichtung in Anspruch.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Auskunfts- und Feststel-lungsantrag weiter.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht. - 5 -
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden [X.] auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß den §§ 24 Abs. 1, Abs. 2, 24b, 11 Abs. 1, 12a [X.] nicht zu, denn der von dem Beklagten hergestellte und vertriebene, mit einem Knickschutz versehene Hochdruckschlauch verletze die Rechte der Klägerin aus dem [X.] des [X.] nicht, weil er die hiernach zu fordernde Werkstoffeinstückigkeit zwischen der Überwurfmutter und der trompetenartigen Erweiterung der [X.] nicht aufweise. Das Wort "[X.]" in Schutzanspruch 1 des [X.] sei so zu verstehen, daß die [X.] und die Überwurfmutter ein Werkstück bildeten und aus einem Werkstoff bestünden. Dies ergebe sich schon unter Heranziehung des [X.]. Ein anderes Verständnis lege auch der [X.] nicht zugrunde. Der vom [X.] zugezogene Sachver-ständige habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er eine andere [X.] des [X.] erwartet hätte, wenn sich das Wort "[X.]" nur auf die untrennbare Verbindung von [X.] und Überwurf-mutter habe beziehen sollen. Wenn der von der Klägerin beauftragte [X.] gemeint habe, den Begriff "[X.]" habe er in seiner 42-jährigen Industrie- und Hochschulpraxis noch nie gehört, so decke sich dies zwar mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, dem der [X.] ebenfalls nicht bekannt gewesen sei. Es sei aber im Ansatz falsch, wenn der [X.] gemeint habe, der Begriff müsse deshalb entsprechend der [X.] und den Zeichnungen des Gebrauchsmusters interpretiert werden. Die Auslegung eines in einem Schutzanspruch verwendeten Begriffs sei "selbstverständlich" nicht entsprechend der Beschreibung und den Zeichnun-gen vorzunehmen, sondern habe sich in allererster Linie an dem zu ermitteln-den Inhalt der Gebrauchsmusteransprüche zu orientieren, während die Be-- 6 - schreibung und Zeichnungen lediglich zu deren Verständnis heranzuziehen seien.
Dieser rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts hält revisions-rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach § 12a Satz 2 [X.] sind zur Auslegung der [X.] ei-nes Gebrauchsmusters die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen, wobei das Berufungsgericht hier zutreffend die letzte zu den Gebrauchsmuster-akten gereichte Fassung des [X.] 1 zugrunde gelegt hat. [X.] sind die [X.] eines Gebrauchsmusters nach denselben Grundsätzen wie Patentansprüche auszulegen. Auch bei der Prüfung einer [X.] (zur Patentverletzung vgl. etwa [X.] 125, 303, 310 - Zerlegvorrichtung für Baumstämme m.w.N.), ist eine erschöpfende Erörterung erforderlich, welche Lehre zum technischen Handeln der Fachmann dem Schutzanspruch entnimmt ([X.], [X.]. v. 04.02.1997 - [X.], [X.], 454, 455 - Kabeldurchführung I). Maßgebend ist der [X.] der [X.] und ergänzend - im Sinne einer Auslegungshilfe - der Of-fenbarungsgehalt der Beschreibung, soweit dieser Niederschlag in den [X.]n gefunden hat ([X.], [X.]. v. 02.03.1999 - [X.], [X.], 909, 911 - Spannschraube). Dabei ist nicht die sprachliche oder logisch-wissen-schaftliche Bestimmung der in der Beschreibung und in den Ansprüchen [X.] Begriffe entscheidend. Weichen Begriffe vom allgemeinen techni-schen Sprachgebrauch ab, ist nicht dieser, sondern der sich aus den [X.]n und der Beschreibung ergebende Begriffsinhalt maßgebend ([X.] aaO - Spannschraube; [X.] 105, 1, 10 - Ionenanalyse; [X.] 113, 1, 9 f. - Auto-waschvorrichtung; [X.] 150, 149, 153 - Schneidmesser I). - 7 - Diesen Grundsätzen entspricht die Auslegung des Begriffs "werkstof-feinstückig" durch das Berufungsgericht nicht. Sowohl der gerichtliche Sachver-ständige als auch der [X.] haben angegeben, den Begriff nicht zu kennen. Der Begriff war daher auslegungsbedürftig. Der gerichtliche Sachver-ständige hat letzteres zwar in Abrede gestellt. Er hat aber gleichwohl seinerseits ausgelegt und dabei dem Begriff sein eigenes vom Inhalt der Beschreibung im übrigen unabhängiges Verständnis beigelegt, wonach "[X.]" mehr bedeuten müsse als "einstückig", denn sonst würde "man" den [X.] anders, nämlich wie folgt formuliert haben: "Überwurfmutter und [X.] sind nach Art einer Umspritzung zu einem Stück verbunden" (schriftliches Gutachten [X.]). Der Begriff beziehe sich auf zwei Merkmale, nämlich einerseits die Verbindung von zwei Teilen zu einem und andererseits auf die Identität des Werkstoffs, aus dem die zusammengefügten zwei Teile bestünden (mündliche Anhörung [X.]). Er hat dabei aber gerade [X.] nicht den Gesamtinhalt der Gebrauchsmusterunterlagen berücksichtigt. Er hat vielmehr der Gebrauchsmusterbeschreibung nur die Bedeutung einer "Zu-standsbeschreibung" beigemessen, auf die es für die Frage, was in den [X.] des [X.] 1 geschützt sei, nicht ankomme (mündliche Anhö-rung [X.]).
Das Berufungsgericht hat diesen Standpunkt des gerichtlichen Sachver-ständigen übernommen. Damit genügt seine Auslegung nicht den oben darge-stellten Anforderungen.
Der Begriff "[X.]" kommt in der Beschreibung wiederholt vor. Diese hebt auf Seite 5, 3. Absatz als wesentliche Neuerung hervor, daß der Knickschutz nicht - wie im Stand der Technik - unmittelbar den Schlauch um-gibt, sondern - [X.] - mit der Überwurfmutter verbunden ist und ausgehend davon in loser Umgreifung in Art einer [X.] den - 8 - Schlauch umfaßt. Dazu soll, was die Herstellung des Knickschutzes vereinfa-che, die bereits an der Überwurfmutter vorhandene Kunststoffumspritzung ein-fach verlängert werden (S. 5, 4. Abs.). Die aus einem Messingteil bestehende Überwurfmutter sei bereits vorhanden und werde lediglich mit einem ringförmi-gen Kunststoffteil umspritzt, wodurch ein inniger Verbund zwischen der Mutter und dem Kunststoffteil stattfinde, wobei dieses Kunststoffteil in Verlängerung zur [X.] hin gleichzeitig als [X.] ausgebildet sei (S. 5 letz-ter Abs., übergreifend [X.]). Danach geht die Beschreibung von unterschiedli-chen Materialien für Mutter und Knickschutz aus. Das Berufungsgericht hat die-sen Inhalt der Beschreibung bei der Auslegung ausdrücklich nicht berücksich-tigt, sondern dies als "selbstverständlich" nicht in Betracht kommend zurückge-wiesen. Der Inhalt der Beschreibung macht aber gerade deutlich, daß mit "[X.]" im Sinne des Gebrauchsmusters nicht gemeint ist, daß nur ein Werkstoff zur Verwendung kommt, sondern daß die Erfindung darin be-stehen soll, die aus einem Messingteil - von anderen Werkstoffen ist in der [X.] nicht die Rede - bestehende Überwurfmutter mit einem ringförmigen Kunststoffteil zu umspritzen und damit einen innigen Verbund zwischen Mutter und Kunststoffteil zu erreichen. Weil das Berufungsgericht der Auffassung war, es komme auf eine Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung und Zeichnungen nicht an, hat es diese Gesichtspunkte nicht gewürdigt und ist des-halb zu einem Auslegungsergebnis gelangt, das mit dem Inhalt der [X.] nicht in Einklang zu bringen ist. Der [X.] kann die Auslegung des [X.]s "[X.]" in dem vorstehend geschilderten Sinn selbst vorneh-men, da weitere tatrichterliche Feststellungen hierzu nicht erforderlich sind.
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch mit seiner Hilfsbegründung nicht als tragfähig. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auf die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters gemäß §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1, 1, 3 [X.] komme es nicht mehr an, es sei jedoch darauf hinzuweisen, daß auf der [X.] - lage der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen von einer Schutzfä-higkeit des [X.] nur dann ausgegangen werden könne, wenn sich das Wort "[X.]" auf die Überwurfmutter und die [X.] mit der Folge beziehe, daß die Überwurfmutter und die [X.] ein Werkstück bildeten und aus demselben Werkstoff bestünden.
Auch dies trägt die Entscheidung nicht. Das Berufungsgericht hat sich darauf beschränkt, kursorisch die Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen wiederzugeben, ohne darzulegen, aus welchen Gründen es an einem erfinderi-schen Schritt i.S. von § 1 [X.] fehle. Der gerichtliche Sachverständige hat in der Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens ([X.]) ausgeführt, die [X.] des Gebrauchsmusters basiere auf einer Kombination in der Branche be-kannter Einzellösungen, die in den eingereichten Schriften "weitestgehend" [X.] seien. Allerdings sei die Kombination neu, wenn auch die [X.] gering einzuschätzen sei. In seinem ersten schriftlichen Gutachten hat er gemeint ([X.]), die Verbindung von [X.] und Überwurfmut-ter sei nur dann "schützenswert", wenn beide Teile aus einem Werkstoff [X.], wenn also das Wort "[X.]" im Sinne seiner Auslegung zu verstehen sei. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung dahingehend er-läutert, daß die US-Patentschrift 2 295 830 schon eine trompetenartige Erweite-rung zeige sowie auch eine Verbindung zum [X.].
Bei der US-Patentschrift 2 295 830 ist jedoch die [X.] aus Metall und in einem Kupplungsstück aus Metall gehalten. Danach ist jedenfalls zu klären, ob es hiervon ausgehend für den Fachmann nahelag, die [X.] mit der Überwurfmutter durch Umspritzung zu verbinden.
3. Das Berufungsgericht wird daher unter Zugrundelegung der unter 1. vorgenommenen Auslegung der [X.] zu klären haben, ob die [X.] - gegriffene Ausführungsform den Gegenstand des [X.] ver-wirklicht. Kommt es auf die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters an, so wird das Berufungsgericht weiter zu klären haben, welche Schritte im einzelnen für den Fachmann notwendig waren, um vom Stand der Technik ausgehend zum Gegenstand von Schutzanspruch 1 des [X.] zu gelangen. Erst danach wird zu beurteilen sein, ob es eines erfinderischen Schritts [X.], um den Gegenstand von Schutzanspruch 1 des [X.] bereitzustellen.

Melullis [X.] Mühlens

Meier-Beck [X.]

Meta

X ZR 198/01

07.06.2005

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2005, Az. X ZR 198/01 (REWIS RS 2005, 3250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3250

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZB 9/03 (Bundesgerichtshof)


I-2 U 80/13 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


X ZR 226/00 (Bundesgerichtshof)


X ZR 172/04 (Bundesgerichtshof)


35 W (pat) 401/19 (Bundespatentgericht)

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren - Löschungsverfahren – Feststellung der Unwirksamkeit – Unzulässigkeit der Erweiterung des Schutzbereichs


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.