Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.05.2020, Az. V R 14/19

5. Senat | REWIS RS 2020, 3265

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Gegenstand

Keine Masseverbindlichkeit bei vorläufiger Eigenverwaltung


Leitsatz

Der Umsatzsteueranspruch für einen Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO unterliegt, ist weder nach § 55 Abs. 2 InsO noch nach § 55 Abs. 4 InsO eine Masseverbindlichkeit; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht (Anschluss an BGH vom 22.11.2018 - IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243) .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12.03.2019 - 15 K 1535/18 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der [X.] (GmbH).

2

Die GmbH hatte als Insolvenzschuldner am 13.12.2016 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gemäß § 270a der Insolvenzordnung ([X.]) beantragt. Das zuständige Amtsgericht bestellte den Kläger mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Sachwalter.

3

Mit Beschluss vom 01.09.2017 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Nach dem Beschluss war die GmbH berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§§ 270 bis 285 [X.]). Zum Sachwalter wurde wiederum der Kläger bestellt.

4

Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die durch die GmbH am 18.04.2017 geleistete [X.] für Februar 2017 nach insolvenzrechtlicher Anfechtung am 22.09.2017 an die GmbH wieder ausgekehrt hatte, setzte es durch Bescheid vom 24.11.2017, der an die GmbH unter deren [X.] adressiert war, die [X.] für Februar 2017 in Höhe des unstreitigen Betrages von 6.771,42 € fest. In der Anlage zu diesem Bescheid teilte es mit, dass eine Masseverbindlichkeit nach §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 [X.] festgesetzt werde. Zugleich meldete das [X.] die streitgegenständliche Forderung auch als Insolvenzforderung an, da es sich über deren insolvenzrechtliche Qualifizierung nicht sicher war.

5

Mit einem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 27.11.2017 veräußerte die GmbH wesentliche, dem Betrieb ihres Unternehmens dienende Aktiva an einen Erwerber zum Zwecke der Fortführung des Geschäftsbetriebes.

6

Durch Beschluss vom 31.01.2018 hob das Amtsgericht die Anordnung der Eigenverwaltung auf und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH. Bereits zuvor war beim [X.] die Zahlung eines auf Steuerverbindlichkeiten der GmbH entfallenden Gesamtbetrages in Höhe von 250.022,60 € eingegangen, der auch den auf die Zahlung zur Umsatzsteuer für Februar 2017 entfallenden Betrag umfasste.

7

Der von der GmbH in Eigenverwaltung erhobene Einspruch gegen die Festsetzung zur [X.] für Februar 2017 vom 24.11.2017 blieb erfolglos.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt. Nach seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2019, 996 veröffentlichten Urteil liegt unter Berücksichtigung des Urteils des [X.] ([X.]) vom 22.11.2018 - IX ZR 167/16 ([X.]Z 220, 243) keine Masseverbindlichkeit vor.

9

Hiergegen wendet sich das [X.] mit der Revision. Auf die Erstattung der zunächst geleisteten Zahlung aufgrund des Anfechtungsbegehrens komme es nicht an, da es sich bei der Insolvenzanfechtung um ein zivilrechtliches Verfahren handele. Nach §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 [X.] handele es sich um eine Masseverbindlichkeit. § 55 Abs. 4 [X.] sei auch auf das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung anzuwenden. Auch dem vorläufig eigenverwaltenden Insolvenzschuldner komme die Stellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu. Auch er habe nach dem [X.] zu handeln. Die Vorschriften für das in [X.] abgewickelte Insolvenzverfahren seien auf das Eigenverwaltungsverfahren angepasst anzuwenden. Der Schuldner trete so an die Stelle des Insolvenzverwalters. Dementsprechend könne der eigenverwaltende Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] begründen. Daher müsse auch § 55 Abs. 4 [X.] auf das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung angewendet werden. An die Stelle des vorläufigen Insolvenzverwalters trete der vorläufig eigenverwaltende Schuldner. Auf den Fall des [X.] komme es nicht an. Dass es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 270a [X.] einer gerichtlichen Ermächtigung bedürfe, sei unerheblich, da es hierauf für § 55 Abs. 4 [X.] nicht ankomme. Daher reiche es für die Anwendung dieser Vorschrift aus, dass der vorläufig eigenverwaltende Schuldner während des Eröffnungsverfahrens Forderungen einziehe und hierdurch Steuern begründet werden. Zumindest sei § 55 Abs. 4 [X.] aber analog anzuwenden. Es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor. Diese ergebe sich aus § 270b Abs. 3 [X.]. Es liege auch die erforderliche vergleichbare Interessenlage vor. Zu beachten sei auch die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes. [X.] sei ein Besteuerungsverzicht nicht zulässig. Im Übrigen komme es ansonsten zu einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Das [X.] habe auch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) verstoßen, da es insoweit die fortwährende Verlängerung der vorläufigen Eigenverwaltung außer Betracht gelassen habe. Zumindest liege eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 [X.] vor. Das Eigenverwaltungsverfahren könne auch bei fehlender Sanierungsabsicht durchgeführt werden. Es stehe auch nicht sanierungsfähigen Unternehmen offen. Die vom [X.] zur Begründung herangezogene Möglichkeit von Einzelermächtigungen werde zugunsten des [X.] nicht ausgeübt, da es als lästiger Gläubiger betrachtet werde, so dass es zu einer einseitigen Benachteiligung des Fiskalgläubigers komme.

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

§ 55 Abs. 4 [X.] sei nicht unmittelbar anwendbar. Aus der Pflichtenstellung des Schuldners im Eigenverwaltungsverfahren ergebe sich keine Gleichstellung mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege nicht vor. § 270b Abs. 3 [X.] komme keine Bedeutung zu. Eine vergleichbare Interessenlage bestehe nicht, da der Schuldner im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren autonom handele. Aus einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren über einen Zeitraum von acht Monaten ergebe sich kein Gestaltungsmissbrauch. Maßgeblich seien die Sanierungsbemühungen gewesen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a [X.]O. Der [X.] hält einstimmig die Revision des [X.] für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, wobei das [X.] keine Rücknahme des Rechtsmittels erklärt hat. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der [X.] für einen Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a [X.] unterliegt, weder nach § 55 Abs. 2 [X.] noch nach § 55 Abs. 4 [X.] eine Masseverbindlichkeit ist; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.

1. Es liegen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 und Abs. 4 [X.] vor.

Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.] gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt gemäß § 55 Abs. 4 [X.] für die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind.

Für eine unmittelbare Anwendung von § 55 Abs. 2 und Abs. 4 [X.] fehlt es im Streitfall bereits an der Grundvoraussetzung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters.

2. Weder § 55 Abs. 2 [X.] noch § 55 Abs. 4 [X.] sind auf ein Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a [X.] analog anzuwenden. Der erkennende [X.] schließt sich dabei dem vom [X.] angegriffenen [X.] in [X.], 243 an.

a) Mit seinen Einwendungen hiergegen lässt das [X.] die Unterschiede außer Betracht, die zwischen einem Eröffnungsverfahren mit den in § 55 Abs. 2 und Abs. 4 [X.] genannten vorläufigen Insolvenzverwaltern und dem Eröffnungsverfahren in vorläufiger Eigenverwaltung bestehen.

aa) § 55 Abs. 2 und Abs. 4 [X.] setzen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht voraus (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), dem entweder die Befugnisse nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 [X.] mit der Rechtsfolge des § 55 Abs. 2 [X.] zustehen oder dem das Insolvenzgericht die Befugnisse nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 i.V.m. § 22 Abs. 2 [X.] mit der Rechtsfolge des § 55 Abs. 4 [X.] zugewiesen hat.

Diese vorläufigen Insolvenzverwalter üben die ihnen aufgrund ihrer Bestellung zugewiesenen [X.] aus und begründen daher --wie bei einer Amtstätigkeit in einem eröffneten Verfahren, die auch bei einem in Eigenverwaltung eröffneten Insolvenzverfahren vorliegt ([X.]surteil vom 27.09.2018 - V R 45/16, [X.], 214, BStBl II 2019, 356, Rz 29)-- zu Lasten eines später eröffneten Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten.

bb) Demgegenüber stehen dem Insolvenzschuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über sein Vermögen aus eigenem Recht zu, soweit das Insolvenzgericht keine beschränkenden Anordnungen erlässt. Anders als im eröffneten Verfahren kann entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht durch den Verweis auf die allgemeinen Vorschriften in § 270 Abs. 1 Satz 2 [X.] abgeleitet werden, dass der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung --wie der [X.] im eröffneten Verfahren ([X.]surteil in [X.], 214, BStBl II 2019, 356, Rz 29)-- als sein eigener vorläufiger Insolvenzverwalter anzusehen ist.

Ändert somit der auf Eröffnung in Eigenverwaltung gerichtete Antrag (§§ 13, 270a [X.]) nichts daran, dass der Schuldner aus eigenem Recht handelt, ist dieser Antrag für die insolvenzrechtliche Einordnung der bis zur Verfahrenseröffnung begründeten [X.] als Insolvenzforderung (§ 38 [X.]) ohne Bedeutung. Daher gilt in Bezug auf die insolvenzrechtliche Einordnung für die nach einer derartigen Antragstellung begründeten [X.] (vorliegend aus § 13a Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes) dasselbe wie zuvor.

cc) Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters nach § 270a Abs. 1 Satz 2 [X.] ändert hieran nichts, da diesem die bloßen Befugnisse der §§ 274 f. [X.] zustehen, die denen der vorstehend genannten vorläufigen Insolvenzverwalter in keiner Weise entsprechen.

b) Zudem fehlt es für eine Analogie bereits an einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung ([X.] in [X.], 243).

Der erkennende [X.] weist hierzu ergänzend darauf hin, dass Insolvenzgläubiger gemäß § 87 [X.] nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 [X.] und damit ihre zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" [X.] nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können. Daher sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung ([X.]) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Demgegenüber sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 [X.] durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (vgl. [X.]surteil vom [X.], [X.], 130, [X.], 138).

Soweit die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit nicht vorliegen, folgt hieraus nicht das Vorliegen einer Regelungslücke, die durch eine Analogie zu einzelnen Bestimmungen des § 55 [X.] zu schließen wäre, sondern die gesetzlich vorgesehene Anwendung von § 38 [X.]. Insoweit betrachtet das [X.] nicht hinreichend, dass § 38 [X.] grundsätzlich alle bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten [X.] erfasst und diese nur ausnahmsweise im Hinblick auf die in § 55 Abs. 2 und Abs. 4 [X.] genannten Amtswaltertätigkeiten zu einer Masseverbindlichkeit erhebt.

c) Im [X.] verlangt das [X.] nach einer gesetzlichen Regelung, durch die letztlich alle ab der Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung begründeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis --wie bei § 55 Abs. 4 [X.]-- im später eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind. Mit der von der Rechtsprechung bei der Gesetzesauslegung zu beachtenden [X.] ist dies nicht vereinbar. Hiergegen sprechen zudem die bereits dargestellten Unterschiede zwischen vorläufiger Eigenverwaltung und vorläufiger Insolvenzverwaltung. Ob der Gesetzgeber eine derartige Regelung treffen könnte oder sollte, hat der erkennende [X.] nicht zu entscheiden. Auf die weiteren Überlegungen des [X.] zu einem Sanierungserfordernis oder das Unterbleiben von [X.] zugunsten des in seiner Gläubigerrolle als "lästig" empfundenen [X.] in der vorläufigen Eigenverwaltung kommt es nicht an.

3. Die auf vorläufige Insolvenzverwalter beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 [X.] unter Ausschluss der vorläufigen Eigenverwaltung führt entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht zum Vorliegen einer Beihilfe i.S. des Unionsrechts.

a) Nach Art. 107 Abs. 1 des [X.] Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] ([X.]) sind, soweit in den [X.] nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Vorschrift verbietet grundsätzlich selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- P vom 18.07.2013 - [X.], [X.]:C:2013:525, Rz 17, [X.] 2013, 862, und Beschluss des [X.] --BFH-- vom 13.03.2019 - I R 18/19, [X.], 23, Rz 49).

Für die Einordnung einer nationalen Maßnahme als "staatliche Beihilfe" i.S. von Art. 107 Abs. 1 [X.] muss es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, muss die Maßnahme zweitens geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, muss dem Begünstigten drittens durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden und muss sie viertens den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen ([X.]/[X.] u.a. vom 21.12.2016 - [X.]/15 P und [X.]/15 P, [X.]:[X.], Rz 53, Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2017, 77, und [X.] vom 19.12.2018 - [X.]/17, [X.]:[X.], Rz 19, [X.] 2019, 70, sowie [X.] in [X.], 23, Rz 50).

b) Vorliegend fehlt es an einer selektiv wirkenden staatlichen Maßnahme. Die Einordnung der bis zur Insolvenzeröffnung begründeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis folgt dem sich aus § 251 Abs. 2 Satz 1 [X.] ergebenden Grundsatz, dass der [X.] im Insolvenzfall wie alle anderen Gläubiger behandelt wird. Durchbrochen wird der hierdurch gewährleistete Gleichbehandlungsgrundsatz nur durch § 55 Abs. 4 [X.]. Die hier angeordnete Masseverbindlichkeit beruht aber auf einer Amtstätigkeit bereits im Eröffnungsverfahren, an der es bei der vorläufigen Eigenverwaltung fehlt, so dass es im Übrigen beim Regelprinzip des § 38 [X.] bleibt. Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen fehlt es damit jedenfalls an einer selektiven Vorteilsgewährung.

4. Der vom [X.] behauptete Verfahrensmangel der Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O zu dem vom [X.] behaupteten Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 [X.] liegt nicht vor. Selbst wenn man in einem hier vorliegenden Eröffnungsverfahren mit einer Dauer von über acht Monaten angesichts einer vom [X.] angenommenen durchschnittlichen Verfahrensdauer von nur drei Monaten einen Gestaltungsmissbrauch sehen sollte, kommt dies im Streitfall, in dem es um den Voranmeldungszeitraum für Februar 2017 bei einem in Dezember 2016 gestellten Antrag auf Verfahrenseröffnung geht, nicht in Betracht.

Im Übrigen besteht für das [X.] die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.] zu stellen. Dies kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn die eigentlich nach § 1 Satz 1 [X.] dem Insolvenzverfahren vorbehaltene Verwertung des [X.] in das Eröffnungsverfahren vorgezogen wird oder konkrete Tatsachen dies befürchten lassen, was im Streitfall durch den Kaufvertrag vom 27.11.2017 nahegelegt wird.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 14/19

07.05.2020

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 12. März 2019, Az: 15 K 1535/18 U, Urteil

§ 55 Abs 2 InsO, § 55 Abs 4 InsO, § 270a InsO, § 270 Abs 1 S 2 InsO, Art 107 Abs 1 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.05.2020, Az. V R 14/19 (REWIS RS 2020, 3265)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3265

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12 U 7/22

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