Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.12.2023, Az. 9 C 1/23

9. Senat | REWIS RS 2023, 10238

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zur Frage des Außerkrafttretens eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses


Leitsatz

1. Mit der Durchführung des Plans im Sinne des § 75 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW kann auch vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden.

2. Ein verbindlicher Erwerb eines mehr als nur geringfügigen Teils der für die Umsetzung eines Straßenbauvorhabens benötigten Grundstücke stellt auch dann einen Beginn der Plandurchführung dar, wenn der Vorhabenträger die Grundstücke aufgrund eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens erwirbt.

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das [X.] vom 21. November 2022 wird geändert. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 9. November 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Landesstraße 364 (L 364n) – Ortsumgehung [X.] - vom 16. November 2004 außer [X.] getreten ist.

2

Er ist als Vollerwerbslandwirt Eigentümer und Pächter von landwirtschaftlichen Grundstücken, die für die planfestgestellte Ortsumgehung [X.] in Anspruch genommen werden sollen. Für dieses Vorhaben werden Grundstücksflächen im Umfang von insgesamt 20,9 ha benötigt. Die Klage des [X.] gegen den Planfeststellungsbeschluss wies das [X.] mit Urteil vom 13. Dezember 2006 ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des [X.] für das [X.] vom 25. November 2009 abgelehnt.

3

Mit Beschluss vom 8. Januar 2010 ordnete die [X.] für die Ortsumgehung [X.] die Unternehmensflurbereinigung [X.] II an.

4

Bereits im Rahmen der [X.] für den Neubau der [X.] waren dem Landesbetrieb Straßenbau [X.] durch den Nachtrag 11 zum [X.] vom 13. Juli 2006 Grundstücksflächen im Umfang von 5,02 ha zugeteilt worden, für die in den Jahren 2003 und 2005 Landverzichtserklärungen abgegeben worden waren. Diese Flächen liegen im Bereich der Trasse der planfestgestellten Ortsumgehung [X.] und der für dieses Vorhaben erforderlichen Kompensationsmaßnahmen. Die Grundbucheintragung erfolgte im Jahr 2007.

5

Der Kläger erhob am 9. Februar 2018 Klage mit dem Antrag festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Landesstraße 364 (L 364n) vom 16. November 2004 außer [X.] getreten ist. Er machte geltend, es sei nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses mit dessen Durchführung begonnen worden.

6

Mit Urteil vom 9. November 2020 wies das [X.] die Klage mit der Begründung ab, durch die Einleitung der Flurbereinigung [X.] II sei mit der Durchführung des Plans fristgerecht begonnen worden. Das Oberverwaltungsgericht für das [X.] änderte mit Urteil vom 21. November 2022 das erstinstanzliche Urteil ab und stellte das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses fest. Es führte aus, nur Maßnahmen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses kämen als Beginn der Plandurchführung in Betracht. Der Grunderwerb durch die Ausführungsanordnung zum [X.] [X.] (Nachtrag 11) vom 13. Juli 2006 scheide deshalb als Durchführungsbeginn aus. Die Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens [X.] II sei ebenfalls kein Beginn der Plandurchführung, weil hierdurch nicht deutlich erkennbar zum Ausdruck komme, dass das Vorhaben in überschaubarer [X.] verwirklicht werden solle. Auch sonstige Maßnahmen des Beklagten stellten keinen Beginn der Durchführung des Plans dar.

7

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beklagte zuletzt noch geltend, das Berufungsgericht habe § 75 Abs. 4 VwVfG [X.] unzutreffend ausgelegt. Maßnahmen zur Verwirklichung des Vorhabens vor Eintritt der Unanfechtbarkeit, wie hier der Erwerb von Grundstücksflächen im Rahmen der Flurbereinigung [X.], kämen als Beginn der Plandurchführung durchaus in Betracht. Gleiches gelte für die Einleitung der Unternehmensflurbereinigung [X.] II.

8

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 21. November 2022 zu ändern und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 9. November 2020 zurückzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Vertreterin des [X.] hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht geht zutreffend von der Zulässigkeit der Klage aus (1.). Soweit es die Klage als begründet ansieht, beruht das Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines [X.], die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des [X.] übereinstimmt (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO; 2.). Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), sodass die [X.]erufung des [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen ist (3.).

1. Ohne Verstoß gegen [X.]recht bejaht das Oberverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Klage. Insbesondere ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.

Danach kann die Feststellung des [X.]estehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen [X.]eziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, Urteile vom 25. März 2009 - 8 C 1.09 - [X.] 310 § 43 VwGO Nr. 147 Rn. 15 und vom 28. Januar 2010 - 8 C 38.09 - [X.]VerwGE 136, 75 Rn. 32, jeweils m. w. N.). Dies zugrunde gelegt, zielt der Antrag des [X.] auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses.

Durch den Planfeststellungsbeschluss werden nach § 75 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] alle öffentlich-rechtlichen [X.]eziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan [X.]etroffenen rechtsgestaltend geregelt; insbesondere können die Grundstücke des planbetroffenen [X.] durch den [X.]eklagten, gegebenenfalls im Wege der Enteignung (§ 42 Abs. 1 Satz 1 [X.] m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] [X.]), für die Ausführung des planfestgestellten Straßenbauvorhabens in Anspruch genommen werden. Der Sache nach wird daher mit dem Außerkrafttreten des Plans das Nichtbestehen der sich aus dem Planfeststellungsbeschluss ergebenden rechtlichen [X.]eziehungen zwischen dem Kläger und dem [X.]eklagten festgestellt.

2. Soweit das Oberverwaltungsgericht die Klage für begründet hält und das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses feststellt, beruht das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Verwaltungsgesetzes eines [X.], die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des [X.] übereinstimmt (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Es verstößt gegen § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 [X.] [X.], der sich nach seinem Wortlaut mit § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des [X.] ([X.]) deckt.

a) Von der Anwendbarkeit von § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 [X.] [X.] hat das [X.]verwaltungsgericht im Revisionsverfahren auszugehen.

Nach der Rechtsauffassung des [X.] gilt § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] im vorliegenden Fall nach § 38 Abs. 1 Satz 4 [X.] [X.] [X.] des [X.] und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 20. Mai 2014 (GV [X.] S. 294). Die Anwendbarkeit des durch dieses Gesetz eingefügten und nach dessen Art. 5 Abs. 1 am 28. Mai 2014 in [X.] getretenen § 75 Abs. 4 Satz 2 [X.] [X.] in Fällen, in denen zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens die [X.] des § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] bereits lief, hat das Oberverwaltungsgericht zwar zunächst offengelassen ([X.] f.). Es hat dann aber seine Entscheidung ausdrücklich auf diese Regelung gestützt ([X.], 23 und 24) und damit der Sache nach deren Anwendbarkeit bejaht. Daran ist das [X.]verwaltungsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO [X.] m. § 560 ZPO gebunden.

Der Entscheidung im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist danach auch die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts, dass § 38 Abs. 11 Satz 1 [X.] [X.] [X.] des Gesetzes zur Änderung des [X.] des [X.] [X.] und anderer Gesetze vom 17. Dezember 2021 (GV [X.] S. 1470) keine Anwendung findet, wonach der Plan abweichend von § 75 Abs. 4 [X.] [X.] erst außer [X.] tritt, wenn mit der Durchführung des Plans innerhalb von zehn Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit nicht begonnen wird. Nach den ebenfalls bindenden Feststellungen des [X.]erufungsgerichts ist der Plan schließlich auch nicht nach § 39 Abs. 7 Satz 1 [X.] [X.] in der bis zum 27. Mai 2014 geltenden Fassung oder nach § 38 Abs. 8 Satz 1 [X.] [X.] in der am 28. Mai 2014 in [X.] getretenen Fassung des [X.] und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften durch die Planfeststellungsbehörde um höchstens fünf Jahre verlängert worden.

b) Die Ansicht des [X.]erufungsgerichts, vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses liegende Maßnahmen könnten dessen Außerkrafttreten nach § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] nicht verhindern, verletzt [X.] Recht. Denn nach § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] steht auch ein [X.]eginn der Plandurchführung vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses dessen Außerkrafttreten entgegen.

aa) Der Wortlaut von § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] ist insoweit offen. Die Formulierung "innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit" kann bedeuten, dass ein [X.]eginn der Plandurchführung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgen muss, der mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses beginnt und mit dem Ablauf von fünf Jahren nach diesem Zeitpunkt endet. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr kann mit der Durchführung auch dann "innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit" begonnen worden sein, wenn der Durchführungsbeginn vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit erfolgt ist. Denn diese Formulierung lässt sich als Festlegung des Endes der Frist verstehen, bis zu deren Ablauf mit der Plandurchführung spätestens begonnen worden sein muss.

bb) Für ein weites Verständnis sprechen der systematische Zusammenhang, in dem diese Regelung steht, sowie ihr Sinn und Zweck.

Mit der Durchführung des Plans kann auch vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden. Dies gilt nicht nur, wenn Rechtsbehelfe wie im Falle von § 38a Nr. 1 [X.] [X.] nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben, sondern auch, wenn die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist. § 77 Satz 1 [X.] [X.], nach dem die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben hat, wenn ein Vorhaben, mit dessen Durchführung begonnen worden ist, endgültig aufgegeben worden ist, unterscheidet dementsprechend nicht danach, ob der Durchführungsbeginn vor oder nach Eintritt der Unanfechtbarkeit erfolgt ist. Dies unterstreicht, dass auch ein [X.]eginn der Plandurchführung vor Eintritt der Unanfechtbarkeit das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses nach § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] verhindert. Denn andernfalls bedürfte es seiner Aufhebung nach § 77 Satz 1 [X.] [X.] nicht mehr.

Gesetzeszweck des § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] ist es, [X.] ohne erkennbaren Realisierungsgrad zu unterbinden und zu verhindern, dass die vom Plan betroffenen Eigentümer über einen unangemessen langen Zeitraum die Ungewissheiten über eine tatsächliche Inanspruchnahme ihrer Grundstücke und deren [X.]elastung mit Anbauverboten, Veränderungssperren und Vorkaufsrechten (vgl. § 25 Abs. 1 Nr. 1 [X.] m. § 25 Abs. 3, § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 [X.] [X.]) hinnehmen müssen. Außerdem soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der planerischen Entscheidung deren tatsächliche Grundlagen angreifbar werden, was insbesondere mit [X.]lick auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses problematisch ist ([X.]VerwG, Urteile vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - [X.]VerwGE 84, 123 <127 ff.> und vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - [X.]VerwGE 135, 110 Rn. 11; [X.]eschluss vom 26. November 2020 - 7 [X.] 9.20 - NVwZ 2021, 568 Rn. 5). Mit der gesetzlich vorgesehenen zeitlichen [X.]egrenzung soll insoweit eine übermäßige [X.]indung der vom Plan [X.]etroffenen, aber auch der beteiligten [X.]ehörden verhindert werden ([X.]VerwG, Urteil vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - [X.]VerwGE 84, 123 <127>). Die Geltungsdauer des Planfeststellungsbeschlusses soll im Hinblick auf die mit ihm einhergehenden Einschränkungen für die Möglichkeit einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der betroffenen Grundstücke, etwa durch Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung, begrenzt werden ([X.]T-Drs. I/4248 S. 25, zu § 17 Abs. 7 [X.] in seiner ursprünglichen Fassung; [X.]T-Drs. 7/1265 S. 23, [X.] m. [X.]T-Drs. VI/1173 S. 73 f., zu § 18b Abs. 2 [X.] [X.] des [X.] vom 4. Juli 1974 <[X.]G[X.]l. I S. 1401>; [X.]T-Drs. 7/910 S. 90; [X.]. [X.] 8/1396 S. 155).

Dem wird § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] in besonderem Maß gerecht, wenn auch ein Durchführungsbeginn vor Eintritt der Unanfechtbarkeit das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses ausschließt. Ein solch früher [X.]eginn zeigt umso deutlicher, dass keine Vorratsplanung ohne erkennbaren Realisierungsgrad vorliegt. Die Wahrscheinlichkeit einer zügigen Vorhabenverwirklichung ist vielmehr erhöht und die mit jeder Verzögerung verbundenen Nachteile werden vermieden.

Dass die Auslegung des [X.] mit dem Sinn und Zweck von § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht im Einklang steht, zeigt sich vor allem, wenn vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses das Vorhaben bereits vollständig verwirklicht worden ist. In diesem Fall würde der Plan nach § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] außer [X.] treten, obwohl dem Gesetzeszweck in vollem Umfang Rechnung getragen worden ist.

cc) [X.]estätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte.

§ 75 Abs. 4 [X.] [X.] [X.] des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land [X.] vom 21. Dezember 1976 (GV [X.] S. 438), der mit § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] übereinstimmt, soll nach der Gesetzesbegründung mit dem Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses mittelbare Nachteile für die vom Plan betroffenen Grundstücke wie Schwierigkeiten bei der Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung ihrer Grundstücke vermeiden, die sich daraus ergeben, dass für ein Vorhaben der Plan festgestellt ist, ohne dass sich die Ausführung alsbald anschließt ([X.]. [X.] 8/1396 S. 155; zu § 75 Abs. 4 [X.] vgl. [X.]T-Drs. 7/910 S. 90). Eines Außerkrafttretens des Planfeststellungsbeschlusses bedarf es danach nicht, wenn schon vor Eintritt der Unanfechtbarkeit mit der Plandurchführung begonnen wird und diese deshalb alsbald auf die Planfeststellung folgt.

Vor allem die Gesetzesbegründungen zu § 18c Nr. 4 [X.], § 17c Nr. 4 [X.] und § 14c Nr. 4 WaStrG [X.] des Gesetzes zur [X.]eschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 ([X.]G[X.]l. [X.]), die mit § 75 Abs. 4 Satz 2 [X.] [X.] wörtlich übereinstimmen, lassen erkennen, dass auch ein Durchführungsbeginn vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit genügt. Denn danach ist für den [X.]eginn der Durchführung des Plans die erstmalige, zielorientierte Umsetzungsmaßnahme "innerhalb seiner Geltungsdauer" maßgebend ([X.]T-Drs. 16/54 S. 31, 34 und 36; [X.]R-Drs. 363/05 S. 54 und 62). Die Geltungsdauer des Planfeststellungsbeschlusses beginnt aber bereits mit seinem Wirksamwerden durch Zustellung, ortsüblich bekanntgemachte Auslegung oder öffentliche [X.]ekanntmachung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] m. § 74 Abs. 4 und 5 [X.] [X.]).

c) Auf der unzutreffenden Auslegung von § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 [X.] [X.] und der darin liegenden Verletzung revisiblen Rechts beruht das angefochtene Urteil (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es ist tragend darauf gestützt, dass der Erwerb von Grundstücken durch die Ausführungsanordnung zum [X.] (Nachtrag 11) vom 13. Juli 2006 als [X.]eginn der Plandurchführung ausscheidet, weil er vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses am 25. November 2009 erfolgt ist.

3. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

a) Mit der Durchführung des Plans ist durch den Grunderwerb im Rahmen des [X.] innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen worden.

Der Planfeststellungsbeschluss ist am 25. November 2009 unanfechtbar geworden, so dass die [X.] nach § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.] mit Ablauf des 25. November 2014 endete. Der vor Fristablauf erfolgte Grunderwerb durch die Ausführungsanordnung zum [X.] (Nachtrag 11) vom 13. Juli 2006 stellt einen [X.]eginn der Durchführung des Plans für die Ortsumgehung [X.] dar.

aa) Nach § 75 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 [X.] [X.] gilt als [X.]eginn der Durchführung des Plans jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger [X.]edeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens.

Als Durchführungsbeginn kommen insoweit nur Maßnahmen in [X.]etracht, bei denen nach Art, Umfang und Zielrichtung deutlich erkennbar zum Ausdruck kommt, dass das Vorhaben in überschaubarem Zeitraum verwirklicht werden soll. Das schließt rein verwaltungsinterne Vorbereitungsmaßnahmen ebenso aus wie symbolische Akte, die nur dem Zweck dienen, den Ablauf der Frist zu hindern. Auch lassen nur Maßnahmen, die nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können und für die Verwirklichung des Plans von relevanter [X.]edeutung sind, den Schluss zu, dass das Vorhaben nunmehr ernsthaft ins Werk gesetzt werden soll ([X.]VerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - [X.]VerwGE 135, 110 Rn. 12; [X.]eschluss vom 26. November 2020 - 7 [X.] 9.20 - NVwZ 2021, 568 Rn. 6).

Zur effektiven Wahrnehmung des Grundrechts auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG muss gewährleistet sein, dass sich die Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet auf zumutbare Weise Klarheit darüber verschaffen können, ob der Planfeststellungsbeschluss weiter gilt. Dies verlangt keine einschränkende Auslegung von § 75 Abs. 4 [X.] [X.] dahin, dass nur solche Maßnahmen ein Außerkrafttreten von [X.] hindern können, die - wie etwa [X.]auarbeiten - in der Öffentlichkeit stattfinden oder den betroffenen Eigentümern von der zuständigen [X.]ehörde als solche zur Kenntnis gebracht werden. Es genügt vielmehr, wenn den Planbetroffenen ein Anspruch auf Auskunft darüber zusteht, ob und gegebenenfalls weshalb die zuständige [X.]ehörde davon ausgeht, dass der Planfeststellungsbeschluss mit Ablauf der Frist nicht außer [X.] getreten ist. Außerdem müssen die Planbetroffenen Gelegenheit zur Einsichtnahme in die einschlägigen Verwaltungsvorgänge haben, um sachgerecht entscheiden zu können, ob das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses verbindlich geklärt werden soll. Es besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Auskunft und Akteneinsicht, soweit der effektive Schutz der Grundrechte dies erfordert ([X.]VerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - [X.]VerwGE 135, 110 Rn. 13 m. w. N.; [X.]eschluss vom 26. November 2020 - 7 [X.] 9.20 - NVwZ 2021, 568 Rn. 5).

bb) Dies zugrunde gelegt, stellt der Grunderwerb des [X.]eklagten im Rahmen des [X.] einen [X.]eginn der Durchführung dar.

(1) Der verbindliche Erwerb eines mehr als nur geringfügigen Teils der für die Umsetzung eines Straßenbauvorhabens benötigten Grundstücke ist nach der Rechtsprechung des [X.]verwaltungsgerichts eine Tätigkeit zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens. Die finanziellen Aufwendungen des [X.] lassen regelmäßig den Schluss zu, dass das Vorhaben ernsthaft in [X.] genommen werden soll ([X.]VerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - [X.]VerwGE 135, 110 Rn. 14).

Dies gilt nicht nur in Fällen eines freihändigen Erwerbs (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - [X.]VerwGE 135, 110 Rn. 15), sondern auch, wenn die benötigten Grundstücke dem Vorhabenträger wie hier in einem [X.] (§§ 87 ff. [X.]) durch den [X.] zugeteilt worden sind (§ 58 Abs. 1 Satz 2 [X.] m. § 88 Nr. 4 Satz 3 [X.]) und der neue Rechtszustand auf Grund der Anordnung der Ausführung des unanfechtbaren [X.]s durch die Flurbereinigungsbehörde eingetreten ist (§ 61 Satz 1 und 2 [X.]).

Dem steht nicht entgegen, dass der Grunderwerb im [X.] anders als der freihändige Erwerb nicht auf den Willenserklärungen des [X.] im Rahmen des [X.] und der Auflassung, sondern auf der Aufstellung des [X.]s und der Anordnung seiner Ausführung durch die Flurbereinigungsbehörde beruht. Nach § 75 Abs. 4 Satz 1 [X.] tritt der Planfeststellungsbeschluss außer [X.], wenn nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit der Durchführung des Plans "begonnen wird". § 75 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 [X.] [X.] definiert als [X.]eginn der Plandurchführung "jede Tätigkeit" von mehr als nur geringfügiger [X.]edeutung "zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens". Der Wortlaut ist also nicht auf Tätigkeiten des [X.] beschränkt (a. A. wohl [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 24. Aufl. 2023, § 75 Rn. 60), sondern erfasst auch Tätigkeiten von [X.]ehörden, auf die der Vorhabenträger zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens angewiesen ist. Dazu gehört jedenfalls der hier in Rede stehende Erwerb der für das Vorhaben benötigten Grundstücke im [X.]. Dies gilt umso mehr, als auch der Grunderwerb im Flurbereinigungsverfahren für den Vorhabenträger mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden ist, weil er Teilnehmern des Flurbereinigungsverfahrens für die von ihnen aufgebrachten Flächen Geldentschädigung zu leisten hat (§ 88 Nr. 4 Satz 4 [X.]).

Der Grunderwerb im Rahmen des [X.] war auch von mehr als nur geringfügiger [X.]edeutung für die Verwirklichung der Ortsumgehung [X.]. Nach den bindenden Feststellungen des [X.]erufungsgerichts stellen die erworbenen Grundstücke knapp ein Viertel der für die Trasse der L 364n und die erforderlichen Kompensationsmaßnahmen benötigten Flächen dar.

(2) [X.]eim Erwerb dieser Grundstücke handelte es sich auch um eine nach außen erkennbare Tätigkeit zur Verwirklichung der Ortsumgehung [X.]. Denn die zugeteilten Grundstücke liegen, wie sich nach den Feststellungen des [X.] aus dem [X.]plan des Planfeststellungsbeschlusses ergibt, im [X.]ereich der Trasse der Ortsumgehung und der erforderlichen Kompensationsmaßnahmen.

Der Erkennbarkeit steht nicht entgegen, dass die Grundstücke im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung [X.] erworben wurden, die nicht für die Ortsumgehung [X.], sondern für den Neubau der [X.]autobahn A 52 angeordnet war. Zwar war deshalb aus dem [X.], in dem nach § 88 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auf den besonderen Zweck des Flurbereinigungsverfahrens hinzuweisen ist, nicht ersichtlich, dass die Unternehmensflurbereinigung [X.] auch der [X.]eschaffung von Grundstücken für ein anderes Unternehmen dienen würde. Darauf kommt es aber ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Einbeziehung weiterer Grundstücke in die Flurbereinigung [X.] durch den 10. Änderungsbeschluss zum [X.] für Außenstehende hinreichend erkennbar war.

Denn Durchführungsmaßnahmen müssen nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Für die Erkennbarkeit genügt vielmehr der durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Auskunftsanspruch der durch den Plan betroffenen Grundstückseigentümer (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 - [X.]VerwGE 135, 110 Rn. 13; [X.]eschluss vom 26. November 2020 - 7 [X.] 9.20 - NVwZ 2021, 568 Rn. 5). Mit Hilfe dieses Auskunftsanspruchs können die Planbetroffenen unabhängig von den konkreten Angaben im [X.] von dem das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses verhindernden Grundstückserwerb Kenntnis erlangen.

(3) Auf die flurbereinigungsrechtliche Zulässigkeit des Grundstückserwerbs kommt es für den [X.]eginn der Durchführung nach § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 [X.] [X.] schon deshalb nicht an, weil der Grunderwerb nach Maßgabe der Ausführungsanordnung zum [X.] (Nachtrag 11) vom 13. Juli 2006 auf einem unanfechtbaren [X.] beruht (vgl. § 61 Satz 1 [X.]).

b) Der Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2004 ist damit nicht nach § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 [X.] [X.] außer [X.] getreten. Ob weitere Tätigkeiten, wie die Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens [X.] II, einen [X.]eginn der Plandurchführung darstellen können, kann deshalb dahinstehen.

c) Damit hat das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die dagegen eingelegte [X.]erufung des [X.] ist deshalb unter Abänderung des [X.]erufungsurteils zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

9 C 1/23

07.12.2023

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 21. November 2022, Az: 11 A 3457/20, Urteil

§ 75 Abs 1 S 2 VwVfG NW, § 75 Abs 4 S 1 VwVfG NW, § 75 Abs 4 S 2 VwVfG NW, § 38 Abs 1 S 4 StrG NW, § 38 Abs 11 StrG NW, § 87 FlurbG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.12.2023, Az. 9 C 1/23 (REWIS RS 2023, 10238)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10238

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 K 421/19 (Verwaltungsgericht Aachen)


7 B 9/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses aus § 75 Abs. 4 ThürVwVfG


9 B 26/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Fortführung einer Unternehmensflurbereinigung als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren


7 B 13/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Auswirkungen einer wasserrechtlichen Planfeststellung auf Einrichtungen der Flurbereinigung


10 K 2973/18 (Verwaltungsgericht Aachen)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.