Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 341/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3945

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 341/12

Verkündet am:

14. Oktober 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 16.
September
2015 ein-gereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des [X.]s [X.] -
31.
Zivilkammer
-
vom 11.
Ok-tober 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht [X.].

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.116,01

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Le-bensversicherung.

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Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
September 2002 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingun-gen und eine Verbraucherinformation nach §
10a des [X.] ([X.]), die eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach §
5a [X.] a.F. enthielt. Zum 1.
Juli 2010 kündigte d. [X.] den [X.] und erhielt den Rückkaufswert. Mit Schreiben vom 30.
Dezember 2010 erklärte d. [X.] "den Widerspruch gem. §
5a [X.] a.F. bzw. nach §
8 [X.],
bzw. den Widerruf nach §
355 BGB".

Mit der Klage verlangt d. [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt
2.116,01

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der [X.] noch erklärt werden können.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.
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4
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Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. [X.] im Ver-sicherungsschein in drucktechnisch hervorgehobener Form über das [X.]srecht belehrt. Zwar genüge der Hinweis auf das [X.]srecht
auf Seite 1 des Versicherungsscheins
nicht den [X.] des §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. Er sei aber in Zusammenhang mit den Allgemeinen Informationen zu verstehen, auf welche ausdrück-lich verwiesen
werde
und in welchen bereits als erster Abschnitt unter Verbraucherinformationen
in vergrößerter
Schrift und fettgedruckt das Widerspruchsrecht des Versicherten gemäß dem Gesetzeswortlaut [X.] werde. Die Belehrung über das Widerspruchsrecht, die [X.]sfrist und deren Dauer erfolgten ebenfalls in Fettdruck.
Lediglich die weiteren Erläuterungen zum Fristbeginn und der Fristwahrung seien nicht mehr in Fettdruck, sondern in normaler
Schrift enthalten. Dies führe aber nicht dazu, dass der gesamte Absatz, der die Belehrung enthalte,
nicht in drucktechnisch deutlicher Form ausgeführt wäre, zumal das [X.] die verlangte Form nicht konkret vorschreibe und d. [X.] bereits durch die vergrößerte Überschrift und den Fettdruck zu Beginn [X.] auf sein Widerspruchsrecht aufmerksam gemacht werde.

[X.] Die Revision ist begründet.
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5
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1. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. [X.] nicht ordnungsgemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. über das Widerspruchsrecht. Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist die Belehrung auf Seite 1 des Versicherungsscheins unvollstän-dig, weil sie den Beginn der Widerspruchsfrist nur vom Erhalt des Versi-cherungsscheins abhängig macht. Sie ist zudem inhaltlich falsch, weil sie darauf abstellt, dass d. [X.] mit den Versicherungsbedingungen und [X.] nicht einverstanden ist. Die Belehrung auf Seite 5
des Versicherungsscheins ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht in druck-technisch deutlicher Form gestaltet. Nur der erste Satz, der auf das [X.]srecht und
den Zugang der für den Beginn der [X.] maßgeblichen Unterlagen -
des Versicherungsscheins, der [X.] und der Verbraucherinformation
-
hinweist, ist in
Fett-druck gehalten. Im Übrigen ist die Belehrung nicht durch Fettdruck oder auf sonstige Weise hervorgehoben, so dass insbesondere der kleinge-druckte Hinweis darauf, dass die rechtzeitige Absendung des [X.]s genügt, übersehen werden kann.

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Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen [X.]sbelehrung bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der [X.] und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die
vorherige
Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

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b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Aus der wirksamen Widerspruchserklärung folgende bereiche-rungsrechtliche Ansprüche waren bei Erhebung der Klage im September 2011 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche re-gelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2010
beginnen, da d. [X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß §
5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch ent-stand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versiche-rungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 700 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.; vgl. weiter 18
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zur Rückabwicklung Senatsurteile vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14, [X.], 1101 Rn.
35
ff.; [X.], [X.], 1104 Rn.
33
ff.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag
zu geben haben
(vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.11.2011 -
223 [X.] 18269/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.10.2012 -
31 S 28041/11 -

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Meta

IV ZR 341/12

14.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 341/12 (REWIS RS 2015, 3945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3945

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

IV ZR 384/14

IV ZR 448/14

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