Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2014, Az. 4 StR 228/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4082

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 228/14

vom
15. Juli
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchter sexueller Nötigung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 15.
Juli
2014
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.]
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 11.
Februar 2014 mit den [X.] aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrecht erhalten.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nöti-s-i-schen Krankenhaus angeordnet. Seine
auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
1
-
3
-
1.
Das [X.] hat die folgenden Feststellungen und Wertungen ge-troffen:
Der Angeklagte befindet sich seit dem 27.
September 1995 ohne Unter-brechung
im Maßregelvollzug nach
§
63 StGB. Anlass für die Maßregelanord-nung waren mehrere im Zustand nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit (lang-jährige sexuelle Fehlentwicklung bei emotional instabiler Persönlichkeit) began-gene Sexualstraftaten (exhibitionistische Handlungen, sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung).
Am 11.
Dezember 2011 gegen 13.20
Uhr wurde der Angeklagte während
eines Einzelausgangs am Ortsrand von U.

auf die allein zum dortigen
Bahnhaltepunkt laufende J.

G.

aufmerksam. Er entschloss sich, die Ge-
legenheit zu nutzen und J.

G.

sexuell zu missbrauchen. Da er nicht er-
kannt werden wollte, zog er sich eine Stoffmaske über den Kopf und näherte sich J.

G.

von hinten an. Nachdem er seine Hose geöffnet und sein
Glied herausgeholt hatte, legte er der völlig überraschten Geschädigten plötz-lich von hinten den linken Unterarm um den Hals und drückte so fest zu, dass sie nur schlecht Luft bekam. Als J.

G.

daraufhin um Hilfe schrie und den
Griff zu lösen versuchte, hielt sie der Angeklagte weiter fest. Um den [X.] der Geschädigten zu brechen, legte er
sodann seine linke Hand auf ihre
rechte Gesichtshälfte und zog ihren Kopf mit einer ruckartigen Bewegung heftig nach links. J.

G.

hörte
deutliche Knirschgeräusche aus ihrer Halswirbel-
säule, verspürte heftige Schmerzen und ging zu Boden. Dabei löste sich ihre Zahnbrücke und fiel aus dem Mund. Aus Angst um ihr Leben rief sie erneut laut um Hilfe. Da der Angeklagte nun fürchtete, die geplante Tat nicht mehr unent-deckt zu Ende führen zu können, ließ er von der Geschädigten ab und entfern-te sich. J.

G.

erlitt mehrere Kratzspuren und ein Hämatom
am Hals. Sie
2
3
4
-
4
-
hatte ca. eine Woche Schmerzen beim Schlucken und bei der Palpation des Kehlkopfs.
Die sachverständig beratene [X.] hat angenommen,
dass der Angeklagte an einer Störung der [X.] im Sinne eines Exhibitio-nismus ([X.]: F60.8) sowie einer schweren Persönlichkeitsstörung mit er-heblicher Selbstwertproblematik, Selbstunsicherheit und Dependenz ([X.]: -fähigkeit gemäß §
21 StGB infolge einer schweren anderen seelischen Abartig-keit auszugehen sei (UA
18). Aufgrund der schweren Störung werde er mit

-cha

20).
2.
Die
Anordnung der
Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Maßregel nach §
63 StGB
darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubrin-gende bei der Begehung der [X.] aufgrund einer nicht nur vorüberge-henden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand
beruht (st. Rspr.; vgl.
[X.], [X.] vom 16.
Januar 2013

4
StR 520/12, NStZ-RR
2013, 141, 142; [X.] vom
26.
September 2012

4
StR
348/12, Tz.
6). Davon ist das Land-gericht zwar ausgegangen. Seine Annahme, der Angeklagte habe an einer an-deren schweren seelischen Abartigkeit im Sinne von §
20 StGB gelitten, findet aber in den Urteilsgründen keine ausreichende Stütze.
a)
Folgt der Tatrichter

wie hier

dem Gutachten eines Sachverständi-gen, muss er im Urteil die tragenden Anknüpfungs-
und Befundtatsachen wie auch die gezogenen Schlüsse so vollständig wiedergeben, als dies zum Ver-5
6
7
-
5
-
ständnis des Gutachtens und seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Januar 2013

4
StR 520/12, [X.], 141, 142; Beschluss vom 28.
Oktober 2008

5
StR
397/08, [X.], 45; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
261 Rn.
92
f. mwN).
b)
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Zu der Annahme, der Angeklagte leide neben einer Störung der [X.] im Sinne eines Exhibitionismus ([X.]: [X.]) auch an einer schweren Per-sönlichkeitsstörung mit erheblicher Selbstwertproblematik, Selbstunsicherheit und Dependenz ([X.]: F60.8) teilt das [X.] lediglich mit, dass sich diese

soziale Kompetenz und eine dissoziale Entwicklung auszeichne (UA
17). Auf welchen tatsächlichen Grundlagen dieses für zutreffend gehaltene

an [X.] Kategorien orientierte (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Dezember 2012

4
StR
494/12, [X.], 309, 310)

Urteil des Sachverständigen be-ruht, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Soweit in diesem Zusam-Vergangenheit, eine rasche Rückfälligkeit nach [X.], [X.] in L.

hoben wird, fehlt jede phänomen-
gebundene Darstellung der zugrunde liegenden Sachverhalte. Die Mitteilung, dass bereits verschiedene Vorgutachter bei dem Angeklagten vergleichbare [X.] festgestellt haben, kann die an dieser Stelle notwen-digen Darlegungen nicht ersetzten (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Mai 2014

5 StR
168/14, Rn.
6).
3.
Da eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht sicher ausgeschlos-sen werden kann, hebt der Senat auch den Schuldspruch und die Strafe auf. 8
9
-
6
-
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch bestehen bleiben.
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

Bender
Quentin

Meta

4 StR 228/14

15.07.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2014, Az. 4 StR 228/14 (REWIS RS 2014, 4082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4082

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