Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2007, Az. 2 StR 465/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2007, 888

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 14. November 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. November 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.], soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. [X.] hiergegen eingelegte Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die mit der Sachrüge erhobenen Einwendungen gegen den Schuldspruch decken einen Rechtsfehler des Urteils nicht auf. Auf der Grundlage der [X.] Feststellungen des [X.]s bestehen insbesondere keinerlei Zweifel am Vorsatz des Angeklagten auch hinsichtlich der von ihm verwirklichten Qualifika-tionen des § 224 Abs. 1 StGB. Angesichts des Leistungsverhaltens des [X.] - 3 - klagten kann auch unter Berücksichtigung der unklaren Feststellungen des [X.]s zu seiner Alkoholisierung sicher ausgeschlossen werden, dass seine Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgehoben war. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat zum [X.] des Angeklagten vor der Tat festgestellt, er habe "unwiderlegt" acht bis neun Flaschen Bier und eine Drei-viertel-Flasche Wodka "wohl in der Nacht zum 2.7. auf den 3.7." zu sich ge-nommen und zudem ein Gramm Kokain und ein Gramm Amphetamin konsu-miert ([X.]). Im Laufe der Nacht stach er sich - absichtlich - mit einem Messer selbst in das Bein. Um 4.00 Uhr morgens begab sich der Angeklagte zu dem Mittäter [X.] und forderte diesen zu der gemeinsamen Tat auf. In diesem Zusammenhang stieß er mit einem Kopfstoß ein Loch in eine Rigipswand. Die Tat wurde dann gegen 7.30 Uhr begangen. 2 Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das [X.] ausgeführt, es hätten sich keine Hinweise für eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit er-geben ([X.]). Die Ausführungen eines hierzu gehörten psychiatrischen Sachverständigen hat die [X.] dahingehend wiedergegeben, "die von dem Angeklagten angegebene Menge alkoholischer Getränke können nicht in den letzten 10 Stunden vor der Tat konsumiert worden sein, da der An-geklagte bei einer Rückrechnung nach der [X.] ansonsten eine Blut-alkoholkonzentration von 6,5 › zur Tatzeit aufgewiesen hätte" ([X.]). Im Übrigen habe der Angeklagte vor der Tat zu den Mitangeklagten gesagt, der Geschädigte solle seine Familie in Ruhe lassen, "er haue dem eine rein"; dies spreche gegen einen mittelgradigen Rauschzustand. Er habe aus dem Auto einen Schraubendreher mitgenommen, um die Hauseingangstür aufzuhebeln, sei zügig die Treppe hinauf und wieder herunter gelaufen, habe nach der Tat ein "geordnetes Rückzugsverhalten" gezeigt und die Tat reflektiert, indem er 3 - 4 - dem Mitangeklagten den blutigen Schraubendreher gezeigt und gesagt habe, er habe "Mist gebaut". All dies spreche "gegen einen mittelgradigen Rauschzu-stand und mithin gegen eine verminderte Schuldfähigkeit" ([X.]). Diesen Ausführungen des Sachverständigen, "dessen Sachkunde dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist und die keinem Zweifel unterliegt", hat sich die [X.] in vollem Umfang angeschlossen. Mit der zitierten Begründung konnte eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht ausgeschlossen werden. Es sind schon die Feststellungen, der Angeklagte habe "unwiderlegt – wohl in der Nacht" die von ihm angegebenen Rauschmittel konsumiert ([X.]), und er "könne" diese Alkoholmenge nicht während dieser Zeit getrunken haben ([X.]), nicht miteinander vereinbar. Die Ausführungen zur Widerlegung der [X.] lassen überdies außer [X.], dass zur Prüfung solcher Angaben nicht allein eine Rückrechnung mit den möglichen Höchstwerten, son-dern auch eine Kontrollrechnung mit anderen medizinisch möglichen Resorpti-ons- und Abbauwerten durchzuführen ist; erst auf dieser Grundlage kann [X.] werden, ob die Angaben zutreffen können, von welcher Alkoholisierung zur Tatzeit ggf. auszugehen sein könnte und welches Gewicht einer solcherart er-mittelten Alkoholisierung im Rahmen der Beweiswürdigung zur Frage der Steu-erungsfähigkeit zukommt (vgl. dazu [X.]/[X.] StGB 54. Aufl. § 20 Rdn. 15 mit Nachw. zur Rechtsprechung). Eine solche Kontrollrechnung fehlt in dem angefochtenen Urteil. Auch zur Kombinations- und Wechselwirkung zwischen dem Alkohol und den nach den Feststellungen darüber hinaus konsumierten Drogen enthält das Urteil keinen Hinweis. 4 Soweit das Urteil den Begriff eines "mittelgradigen Rausches" ohne [X.] mit dem einer "verminderten Schuldfähigkeit" gleichsetzt ([X.]), bleibt dies unklar; aus der Verwendung des unspezifischen Begriffs "mittelgradiger 5 - 5 - Rausch" ergibt sich nicht, ob der Sachverständige und mit ihm der Tatrichter bei der Prüfung der Voraussetzungen von §§ 20, 21 StGB von zutreffenden Krite-rien ausgegangen sind. Insoweit geben im Übrigen, worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat, die Ausführungen des [X.]s zu den "psychodiagnosti-schen Zeichen" ([X.]) Anlass zu Bedenken. Aus welchem Grunde etwa der Umstand, dass der Angeklagte vor der Tat erklärte, er wolle dem Geschädigten "eine reinhauen", gegen einen "mittelgradigen Rausch" sprechen soll ([X.]), ist nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass der Angeklagte, weil er [X.] zuvor nicht in das Haus hatte eindringen können, einen Schrauben-dreher mitnahm, um die Tür aufhebeln zu können, würde einer erheblichen Ein-schränkung der Steuerungsfähigkeit im Hinblick auf den Tatenschluss nicht von vornherein entgegen stehen; erst recht nicht der Umstand, dass der Angeklagte die Treppe zum zweiten Stockwerk "zügig" hinauf und hinunter gehen konnte und ein "geordnetes [X.]" zeigte. 6 Die vom [X.] wiedergegebenen Ausführungen des [X.] weisen somit erhebliche Widersprüche, Lücken und Unklarheiten auf, die eine rechtsfehlerfreie Prüfung der Voraussetzungen einer möglichen erhebli-chen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeit-punkt nicht zulassen. Das [X.] ist dem Gutachten ohne Einschränkung und ohne erkennbare eigene Prüfung gefolgt. Es hat die Fehler des Gutachtens in die eigene Bewertung übernommen, so dass sich ein Beruhen des Urteils auf 7 - 6 - ihnen nicht ausschließen lässt. Dass ein Sachverständiger "aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt" ist ([X.]), belegt im Übrigen für sich allein weder seine Sachkunde noch eine kritische Überprüfung des Gutachtens durch das Gericht. [X.] [X.] Appl

Meta

2 StR 465/07

14.11.2007

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2007, Az. 2 StR 465/07 (REWIS RS 2007, 888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 888

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 545/11 (Bundesgerichtshof)

Verminderte Schuldfähigkeit bei versuchtem Totschlag: Blutalkoholkonzentration von über 2,2 ‰; Beweiswert eines auf Trinkmengenangaben errechneten …


3 StR 63/15 (Bundesgerichtshof)


3 StR 63/15 (Bundesgerichtshof)


3 StR 280/23 (Bundesgerichtshof)


1 StR 307/18 (Bundesgerichtshof)

Strafurteil wegen gefährlicher Körperverletzung: Prüfung verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten wegen erheblicher Alkoholisierung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.