Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2016, Az. XII ZB 582/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11556

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:110516BXII[X.]582.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 582/15

vom

11. Mai 2016

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 172 Abs. 1, 233 Satz 2 Fb
Im Rahmen von §
172 Abs.
1 ZPO dient eine zusätzliche Zustellung an
den anwaltlich vertretenen Beteiligten regelmäßig lediglich seiner Unterrichtung und bleibt auf die Maßgeblichkeit der Zustellung an seinen Bevollmächtigten ohne Einfluss (im [X.] an Senatsbeschluss vom 8.
Dezember 2010

XII
[X.]
38/09

FamRZ 2011, 463).
[X.], Beschluss vom 11. Mai 2016 -
XII [X.] 582/15 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.
Mai 2016 durch den
Vor-sitzenden Richter Dose
und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12.
Zivilsenats

Familiensenat

des [X.] vom 16.
November 2015 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat im Rahmen eines Verfahrens
zur Überprüfung der Verfahrenskostenhilfe zulasten der Antragstellerin gemäß §
120 Abs.
4 Satz
1 ZPO eine Einmalzahlung in Höhe von 4.608,39

ordnet. Der Beschluss ist am 9.
September 2015 der Antragstellerin persönlich und bereits am 8.
Sep-tember 2015 ihrer
Bevollmächtigten aus dem Ausgangsverfahren
zugestellt worden. Das [X.] hat die nach einem Anwaltswechsel am 9.
Ok-tober 2015 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin verworfen
und ihren hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre
zugelassene Rechtsbe-schwerde.

1
-
3
-
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin habe die Beschwerdefrist nicht eingehalten. [X.] sei mit Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung an ihre
vormalige [X.], welche sie
auch im Überprüfungsverfahren vertreten habe, in Gang gesetzt worden.
Die Maßgeblichkeit
dieser Zustellung werde nicht durch die spätere Zustellung an die Antragstellerin persönlich und den [X.] in Frage gestellt.
Einer
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stehe jedenfalls ein zurechenbares Verschulden der vormaligen [X.] entgegen. Diese habe die Antragstellerin
über die
Zustellung am
8.
Sep-tember 2015 nicht informiert.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses an die Bevollmäch-tigte der Antragstellerin aus dem Ausgangsverfahren am 8.
September 2015 war
wirksam.
Gemäß §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 172 Abs.
1 ZPO sind Zustellungen in [X.] an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen. Hat der Bevollmächtigte den Beteiligten bereits im [X.] vertreten, gilt dies auch für ein Überprüfungs-verfahren, welches seinerseits zum Rechtszug gehört. Denn durch §
172 Abs.
1 ZPO soll im Interesse der Verfahrensökonomie und Privatautonomie sicher-
gestellt werden, dass der für die Verfahrensführung verantwortliche Bevoll-mächtigte über den gesamten Verfahrensstoff informiert wird und
sich alle 2
3
4
5
6
-
4
-
Fäden
in seiner Hand vereinigen (Senatsbeschluss vom 8.
Dezember 2010

XII
[X.]
38/09

FamRZ 2011, 463 Rn.
18
ff.).
Zustellungen unter Umgehung des Bevollmächtigten sind unwirksam und setzen [X.] nicht in Gang (Senatsbeschluss vom 8.
Dezember 2010

XII
[X.]
151/10

juris Rn.
30; [X.] Beschluss vom 28.
November 2006

VIII
[X.]
52/06

FamRZ 2007, 390 mwN).
Kommt es

wie vorliegend

zu einer
zusätzlichen
Zustellung an den vertretenen Beteiligten,
entfaltet diese im [X.] zur Zustellung an den Bevollmächtigten daher keine Wirkung. Denn sie dient
regelmäßig lediglich der Unterrichtung, zu welcher
der Bevollmächtigte
aufgrund des [X.] nach §§
675, 666 BGB ohnehin verpflichtet ist
([X.] Beschluss vom 19.
Dezember 1995

III
R
122/93

NJW 1996, 1847, 1848). Die Zustellung an die Antragstellerin am 9.
September 2015 blieb daher auf die Maßgeblichkeit
der nach §
172 Abs.
1 ZPO erfolgten
Zustellung an ihre
Bevollmächtigte am 8.
September 2015 ohne Einfluss
(vgl. MünchKommZPO/Häublein 4.
Aufl. §
172 Rn.
20; [X.]/Roth ZPO 22.
Aufl. §
172 Rn.
1).
b) Mit ihrer am 9.
Oktober 2015 eingegangenen sofortigen
Beschwerde hat die Antragstellerin die Monatsfrist gemäß §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 127 Abs.
2 Satz
2 und 3, 567 Abs.
1 Nr.
1, 569 Abs.
1 Satz
1 ZPO nicht eingehalten.
Diese endete
nach §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 222 Abs.
1
ZPO, 187 Abs.
1, 188 Abs.
2 Alt.
1 BGB mit Ablauf des
8.
Oktober 2015.
c) Auch der Grundsatz der Meistbegünstigung, auf den Rechtsprechung und Lehre bezüglich der Einhaltung der Rechtsmittelfrist im Fall einer zusätzli-chen Zustellung an einen Beteiligten teilweise abstellen ([X.] FamRZ 2008, 1545; [X.] FamRZ 2009, 630, 631; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 74.
Aufl. §
172 Rn.
36), steht dem nicht entgegen.
Dessen
Anwendungsbereich ist nach zutreffender Ansicht des Beschwerdege-7
8
9
-
5
-
richts nicht berührt. Denn der Grundsatz der Meistbegünstigung
greift ein, wenn eine gerichtliche Entscheidung in
einer fehlerhaften Form ergangen ist und sich infolgedessen Zweifel an der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels ergeben (Senatsbeschluss
vom 13.
Juni 2012

XII
ZR
77/10

FamRZ 2012, 1293 Rn.
16
mwN; [X.]/Schütze/[X.] ZPO 4.
Aufl. Vor
§§
511-541 Rn.
85; Musielak/[X.]/[X.] ZPO 13.
Aufl. Vor §
511 Rn.
33).
Die Statthaftigkeit der sofor-tigen Beschwerde steht vorliegend jedoch außer Frage.
d) Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand verneint. Insbesondere hat die Antrag-stellerin nicht dargelegt, dass sie gemäß §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 233 Satz
1 ZPO ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehin-dert gewesen wäre. Die Vermutung nach §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 233 Satz
2 ZPO greift insoweit nicht ein. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung im erst-instanzlichen Beschluss war nicht fehlerhaft. Vielmehr knüpfte sie den Beginn der Rechtsmittelfrist entsprechend §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 569 Abs.
1 Satz
2 ZPO zutreffend
an die Zustellung des angefochtenen Beschlusses.
Das Amtsgericht musste in der Rechtsbehelfsbelehrung keinen Hin-
weis auf möglicherweise unterschiedliche
Zustelldaten
bei der Antragstellerin
und ihrer Bevollmächtigten geben. Der Auffassung, dass schon ein fehlender Hinweis
zu
einer Missverständlichkeit
der Rechtsbehelfsbelehrung führe
([X.] Beschluss vom 13.
Februar 2008

7
Ta
378/07

juris
Rn.
18; LAG
Rheinland-Pfalz Beschluss vom 24.
September 2009

11
Ta
184/09

juris
Rn.
14), vermag sich der Senat nicht
anzuschließen.
Der Grund für die [X.] Zustellung an den Bevollmächtigten liegt in der Annahme, dass der Beteiligte
durch die Erteilung der Verfahrensvollmacht das Betreiben des Verfahrens
aus der Hand gegeben hat und deshalb durch seinen
Bevollmäch-tigten
und nicht durch das Gericht über den jeweiligen Stand des Verfahrens 10
11
-
6
-
auf dem Laufenden zu halten ist
(Senatsbeschluss vom 8.
Dezember 2010

XII
[X.]
38/09

FamRZ 2011, 463 Rn.
20
mwN). Die Bevollmächtigte der [X.] wurde schon durch die
unzweideutige Formulierung in der [X.] in die Lage versetzt, das Ende der Beschwerdefrist bemessen an dem Datum der an sie gerichteten Zustellung zu errechnen.
Blieb sie gleich-wohl untätig, bedeutete
dies ein Verschulden im Sinne der §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 233
Satz
1 ZPO, welches sich die Antragstellerin nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen muss.
Auch das verfassungsrechtliche Gebot des fairen Verfahrens in seiner Ausprägung, wonach ein Gericht aus eigenen Fehlern bzw. Unklarheiten nie-mals Verfahrensnachteile zu Lasten eines Beteiligten ableiten darf ([X.] 110, 339 = NJW 2004, 2887; [X.]/[X.] ZPO 22.
Aufl. Vor §
511 Rn.
38 mwN; [X.]/Schütze/[X.] ZPO 4.
Aufl. Vor §§
511-541 Rn.
85),
12
-
7
-
kann eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand nicht begründen. Denn eine Kausalität der späteren Zustellung an die Antragstellerin am 9.
September 2015 für die Versäumung der Beschwerdefrist lässt sich nicht erkennen. Wäre sie nicht erfolgt, hätte die Antragstellerin angesichts der Untätigkeit ihrer vormali-gen Bevollmächtigten ebenso wenig Kenntnis von der maßgeblichen Zustellung am 8.
September 2015 erlangt und die Rechtsmittelfrist ebenfalls
nicht einge-halten.

Dose

Klinkhammer
Ri[X.] Schilling ist in Ur-

laub und kann deswegen

nicht unterschreiben.

Dose

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.09.2015 -
31 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.11.2015 -
12 [X.] -

Meta

XII ZB 582/15

11.05.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2016, Az. XII ZB 582/15 (REWIS RS 2016, 11556)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11556

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