Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2004, Az. 1 StR 214/04

1. Strafsenat | REWIS RS 2004, 2797

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[X.]/04
vom 16. Juni 2004 in der Strafsache gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
- 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 16. Juni 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2004 wird als unbegründet verwor-fen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Zurückweisung der Anträge

a) auf Vernehmung weiterer Zeugen zum Beweis der Tatsache, der Angeklagte, ein [X.], habe - entgegen der Darstellung des Verdeckten Ermittlers, seines [X.] - bis zum 30. Oktober 2003 über keine bzw. sehr geringe [X.]kenntnisse verfügt, sowie b) auf sachverständige Überprüfung der Sprachkenntnisse des Dolmetschers
wegen Verschleppungsabsicht ist - dem [X.] auch insoweit folgend - rechtens.

- 3 - 1. Nach eintägiger Hauptverhandlung wurde der Angeklagte am 12. Februar 2004 wegen unerlaubten Handeltreibens mit [X.] in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dem lag - soweit hier von Bedeutung - folgender Verfahrens-gang zugrunde: Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten - und gegen seinen Bruder - war erstmals am 19. Januar 2004 begonnen worden. Während der Bruder des Angeklagten noch am selben Tag - nach einer [X.] - sofort rechtskräftig verur-teilt wurde, mußte das Verfahren gegen den Angeklagten abge-trennt und ausgesetzt werden. Grund hierfür waren [X.] insbesondere zur Frage der Schuldfähigkeit des Ange-klagten zur Tatzeit. Dazu erklärte der Verteidiger, daß diesen Anträgen nicht nachgegangen zu werden brauche, falls die
[X.] eine Strafe verhänge, die - im Gegensatz zu der in den Raum gestellten Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren - für den Angeklagten akzeptabel sei. [X.] gab den Beweisanträgen statt und bestimmte neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 12. Februar 2004. Zu Beginn der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte etwa eine Stunde lang ohne Einschaltung des anwesenden Dolmet-schers in [X.] zur Sache ein. Auch danach antwortete er - 4 - auf Fragen ebenfalls weitgehend unmittelbar auf [X.]. Nur bei "kritischen Fragen" zog er sich auf [X.] zurück. Der Angeklagte lebt seit 1999 in [X.]land und ist seit dem [X.] mit einer aus [X.] stammen-den [X.] Staatsangehörigen verheiratet. Beide haben ei-ne gemeinsame Tochter. [X.] arbeitete er mehrere Monate in einem Unternehmen in [X.]. Dazu benötigte er nach den Feststellungen des [X.]. Gleichwohl behauptete der Angeklagte, zur Tatzeit (Mai und Juni 2003) - noch - nicht über genügende [X.]kenntnisse verfügt zu haben, um mit dem Verdeckten Ermittler - entgegen dessen Angaben - problemlos über [X.] zu verhandeln. Seine Ehefrau bestätigte dies. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung beantragte der [X.] zum Beweis dafür, "daß der Angeklagte über keine bzw. geringe [X.]kenntnisse bis zum 30.10.03 verfügte und
eine Verständigung in [X.] [X.] nahezu unmöglich war", die Vernehmung des früheren Verteidigers des Angeklagten, eines Sozialarbeiters sowie mehrerer weiterer [X.]. Kurzfristig geladen und gehört werden konnten der frühere [X.] sowie der Sozialarbeiter. Der damalige Verteidiger [X.], er habe mit dem Angeklagten am 4. Juli 2003 ohne Dolmetscher ein etwa halbstündiges Gespräch über "die Tat
- 5 - und deren Umstände" geführt. Verständigungsprobleme habe er nicht gehabt. Der Sozialarbeiter, der mit dem Angeklagten kurz nach dessen Inhaftierung (20. Juni 2003) das erste [X.] hatte, bestätigte ebenfalls: "Dieser spreche [X.]; es sei möglich gewesen, sich mit ihm über Dinge zu unterhalten, die ihm am Herzen lagen." Trotz dieses Ergebnisses hielt der Verteidiger an seinem [X.] auf Befragung der weiteren Zeugen ([X.]) zu den [X.]kenntnissen des Angeklagten fest und erklärte hierzu, daß dem nicht nachgegangen werden müsse,
"wenn man mit der [X.] zu einer Strafe von 4 1/2 Jahren [X.]", nachdem er nunmehr offensichtlich diese Strafe für "ak-zeptabel" hielt. [X.] lehnte den Antrag "wegen Prozeßverschlep-pung" ab. Daraufhin stellte der Verteidiger den Antrag, die aserischen Sprachkenntnisse des aus [X.] stammenden [X.] einer sachverständigen Überprüfung zu unterzie-hen. Begründet wurde dies u.a. damit, der Angeklagte habe sich dahingehend geäußert, daß seine Antworten und [X.] "nicht richtig ins [X.]e übersetzt wurden". Auch die-sen Antrag wies die [X.] "wegen Prozeßverschlep-pung" zurück. - 6 - 2. Die Ablehnung der Anträge war rechtens.
Es liegt schon nahe, daß der Antrag auf Vernehmung der [X.] kein Beweisantrag war, weil deren Verneh-mung ersichtlich nicht ernsthaft auf eine Beweiserhebung über deren Wahrnehmung gerichtet war. Vielmehr sollte - so hat es das [X.] zutreffend bewertet - dadurch allein erreicht werden, daß die [X.] eine Strafe verhängt, die der An-geklagte als akzeptabel ansieht. Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag gehandelt hätte, stünde dessen Zulässigkeit in Frage (§ 244 Abs. 1 StPO), weil er den Schuldspruch betroffen hätte, aber konditional mit der Strafzumessung verknüpft war (vgl. BGHSt 40, 287 [289]).

Dem Antrag auf Überprüfung der Sprachkenntnisse des [X.] war - wenn überhaupt - ohnehin nur im Wege des [X.] nachzukommen. Dessen ungeachtet aber dienten die Anträge ersichtlich allein dem Zweck der Prozeßverschleppung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). a) Die Frage der [X.]kenntnisse des Angeklagten war [X.]. Der Angeklagte sprach in der Hauptverhandlung [X.]. Daß er diese Fähigkeit binnen weniger Monate vor der Hauptverhandlung in der Vollzugsanstalt erwarb, ist - 7 - schon für sich genommen sehr unwahrscheinlich. Der Ange-klagte war zudem im Jahre 2003 in [X.]land bereits in-tegriert. Er lebt zwar erst seit 1999 hier. [X.] heira-tete er aber eine aus [X.] stammende [X.] Staatsangehörige. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Im Jahre 2003 hatte der Angeklagte eine Arbeitsstelle inne, für die er [X.] Sprachkenntnisse benötigte. Spätestens aber nach der Vernehmung des früheren Verteidigers des Angeklagten sowie des Sozialarbeiters stand ohne jeden vernünftigen Zweifel endgültig fest, daß der Angeklagte - entgegen seiner sowie seiner Ehefrau Angaben - über ge-nügend [X.]kenntnisse verfügte, um mit dem Verdeckten Ermittler, wie von diesem geschildert, ohne Schwierigkeiten den Handel mit Betäubungsmitteln zu besprechen. b) Vernünftige Zweifel daran, daß der Dolmetscher seine Mut-tersprache beherrscht, bestanden nicht, wie die [X.] in den Gründen des Ablehnungsbeschlusses im einzelnen darlegte. Die Beweisanträge dienten nicht mehr, auch nicht ansatzweise, der Erforschung der Wahrheit. Sie bezweckten ersichtlich aus-schließlich die Verschleppung des Verfahrens mit dem Ziel, die [X.] - um dies abzuwenden - zur Verhängung einer
unangemessen niedrigeren Strafe, zu einem "Deal" unter den - 8 - Bedingungen des Angeklagten zu zwingen. Diesem rechtsmiß-bräuchlichen Ansinnen begegnete das [X.] zu Recht entschieden mit dem hierzu zur Verfügung stehenden strafpro-zessualen Instrumentarium.
Nack Kolz Hebenstreit

Elf

Graf

Meta

1 StR 214/04

16.06.2004

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2004, Az. 1 StR 214/04 (REWIS RS 2004, 2797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2797

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